MANCHERLEI
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KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL 1939
COPYRIGHT BY
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASLE 1939
BUCHDRUCKEREI KARL WERNER IN BASEL
INHALT Seite
Zum Titel 5
In meiner Art 7
Zwei Möglichkeiten 11
Folge der Einung 15
Das Wesentliche 19
Voraussetzung 23
Selbstbefreiung 27
Nötige Meinungswandlung 31
Wir „uralten” Schiffer 35
Vereinigung der Gegensätze 39
Bestimmung 43
Glückhaftes Tauchen 47
Geistiges „Atmen” 51
Nicht einfügbar 55
Wesentlicher Unterschied 59
Urgewisses Bezeugen 63
Zeitliche Bewahrung 67
Gottes Bekundung 71
Gesprochener Rede Gefahr 75
Mein Vermächtnis 79
Okzident und Orient 83
Geistige Taufe 87
Gesegnete Insel 91
Transformation 95
Dennoch ewig fremd 99
Notwendige Nährung 103
Mein Acker 107
Urerinnern 111
Wunderliche Käuze 115
Bedauernswertes Irren 119
Langmütige Schonung 123
Ohne mein Zutun 127
An die echten Freunde 131
Freundschaftliches Erinnern 135
Auf des Messers Schneide 139
Leibeslösung 143
Kaum erfüllbar 147
Letzte Bitte 151
Nach dem äußeren Scheiden 155
Originalscan1  Originalscan2
.Was in dieser Sammlung „verdichtet” OO
zu finden ist, erwartet von dem Aufneh‐ OO
menden vorangehende oder nachfolgende OO
Kenntnis meiner geistigen Lehrschriften, die OO
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zogen werden können. Verzeichnisse sind OO
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B. Y. R.
I Mancherlei
ZUM TITEL
Mancherlei, was sich zusammenfand,
Ist hier vereinigt in einem Band,
Wie es sich selber zusammenfügte
Und seiner inneren Einheit genügte.
Nichts will hier außer der Reihe stehen
Oder nur eigene Wege gehen.
Alles ist so oder so verbunden
Mit Allem, was sich dazugefunden.
Und wird auch von mancherlei Dingen
.gesprochen,
So wird doch die Einigung nicht
.unterbrochen.
Nur will auch das Einzelne für sich
.allein,
Ein Ganzes jeweils
Im Ganzen sein!
J.Schneiderfranken   Signatur
5 Mancherlei
IN MEINER ART
Es widerstrebt mir tief im Innersten,
Die Worte aufzubauschen: ‒
Mich selbst und Andere
Durch Dithyramben zu berauschen. ‒
Wo ich in irgendwelchen Rhythmen rede,
Rede ich in Worten, die sich anders nicht
Gesprochen wissen wollen,
Doch nicht, um Versgebilde auszuformen,
Die nach allgemeiner Metrik Regeln
Sich bestätigt finden sollen.
9 Mancherlei
Mir ist es gleich, wo man in der Poetik
Unterbringen will, was ich zu formen habe,
Und doch nur forme als Behältnis
Für die dargebrachte Gabe
Aus dem Meer der Seele,
Das in meiner Barke ich befahre,
Aus ihm zu bergen, was in seiner Tiefe
Ich ‒ für Andere ‒ gewahre.
So, wie ich nur nach meinem Sinne ‒
Wohl der Wogen und der Stürme kundig ‒
Setze meine Segel,
So flechte ich auch meine Tragekörbe
Aus den wilden Weiden
Und den Uferbinsen,
Nur nach meiner Regel!
10 Mancherlei
ZWEI MÖGLICHKEITEN
Es ist ein Unterschied
Ob einen Schreibenden
Nur die Bedrängnis seiner Worte treibt,
Die sich geschrieben finden wollen, ‒
Oder, ‒ ob alles was er schreibt,
Ihm erdenhafter Übertragung Träger ist,
Und dennoch allzugleich
Im Reiche wesenhaften Geistes bleibt!
Es ist ein Unterschied,
Ob das, was einer mitzuteilen hat,
Erst zum Gebild durch Worte werden will
Und nach dem Wortbild strebt, ‒
Oder, ‒ ob seine Mitteilung
Geistige Prägung ist
Aus dem, was sich im Wirklichen
Der Ewigkeit ereignet,
Wo er selber leibt und lebt!
13 Mancherlei
FOLGE DER EINUNG
Daß ich mich selber offenbaren muß,
Dient mir wahrhaftig nicht zum Selbstgenuß!
Ein stilles Menschenleben lang
War ich gewohnt, von mir zu schweigen
Und mich, „nicht um die Welt”,
Vor Anderen zu „zeigen”.
Wenn dennoch es zuletzt der Pflicht gelang,
Mein Sträuben in mir selbst zu überwinden,
So war das nicht ‒ Befreiung,
Sondern hartes Binden
An eiserne Notwendigkeit, die von mir
.wollte,
Daß ich: was ich nur von mir wissen
.kann,
Auch selbst berichten sollte. ‒
Nennt es „Atmân”, nennt es „Purusha”,
.„Brahma”, ‒
Nennt es „Allgeist”, ‒ „Vater”, ‒ nennt
.es „Gott”, ‒
Was da in mir, dem Erdenmenschen, spricht,
Sich selbst bezeugt und dargeboten wissen
will, ‒
17 Mancherlei
Nur seid gewiß: ‒ hier wurde Gott
Euch wahrlich nicht „zum Spott”!
Ich bin das „Wort”,
Die „Stimme”
Und der Stimme „Schall”, ‒
Der Sprecher
Und der Stimme Widerhall!
Versagt ist mir
Zu sondern und zu trennen, ‒
In allem muß ich zu mir selber
Mich bekennen!
In Einung bin ich „Stimme” dem,
Was zu euch spricht!
Mir selber aber bin ich still
Und aufgelöst im Licht! ‒
18 Mancherlei
DAS WESENTLICHE
Wenn ich von mir und den mir geistig
.Gleichen
Euch berichte,
Geschieht das, weil es gut ist, daß man auch
Von solchen Menschen weiß,
Wie man in Grönland wohl von Palmen
Wissen kann,
Und in den heißen Dschungeln
Auch von Eis. ‒
Ich zeige uns nicht, um euch aufzuzeigen,
Was ihr erringen könntet, wolltet ihr
Uns gleichen,
Denn was ich zeige, ist nur uns zu eigen
Und läßt von keinem Andern sich
Erreichen.
21 Mancherlei
Doch: ‒ daß ihr von uns wißt,
Kann euer Leben wandeln
Und ändern euren Sinn in Denken, Wort
Und Handeln!
Ja: ‒ daß ihr von uns wißt,
Läßt euch im Lichte finden,
Was unauffindbar ist,
Den geistig Ewig-Blinden. ‒ ‒
22 Mancherlei
VORAUSSETZUNG
Sind wir auch Träger dessen, was euch trägt,
So bitten wir euch doch zugleich: ‒ erwägt,
Daß, was wir tragen, euch wie uns belebt,
Wenn ihr euch selber ihm zu eigen gebt!
Es hat für Myriaden Formen Raum und
.Licht,
Nur überläßt es denen sich wahrhaftig
.nicht,
Die es sich selbst als Eigengut erstreben
Und sich ihm selber nicht zu eigen geben.
Erst, wenn verzichtet wird auf eig'nen
.Schein,
Kehrt das, was wirklich ist, im Menschen
.ein: ‒
Nur wer sich selbst zu leerem Raume weitet,
Findet sich ewig lichtem Leben zubereitet!
25 Mancherlei
SELBSTBEFREIUNG
Euch selber aus euch fortzudenken
.liegt euch denkbar fern,
Denn was hier auszulösen ist,
.habt ihr noch viel zu gern!
Und doch muß Jeder lernen,
.von sich fort zu denken
Soll sich ihm wahrhaft Gott
.zu eigen schenken. ‒
Die nur sich selber denken
.und sich selber meinen,
Kann Gott in Ewigkeit
.sich nicht ver-einen!
Wollt ihr in Gott
.dereinst euch selber finden,
Dann darf Vergängliches
.euch nicht mehr binden!
29 Mancherlei
Was ihr erlebt, das soll euch nicht mehr
.euer: ‒
Soll euch vielmehr der Erdenwelt
.Erleben sein! ‒
Ihr dringt nur, ‒ für ein Mit-Erleben
.teuer”, ‒
In das euch hier erlebbare Erlebnis
.ein, ‒ ‒
Und müßt euch Tag für Tag, ‒
Was auch der Sinn erfahre, ‒
Dem hier gemeinten Mit-Erleben neu
.entwinden,
Daß es euch nicht zuletzt ‒ als
.Selbstgefesselte gewahre,
An harten Ketten die euch peinvoll binden!
30 Mancherlei
NÖTIGE MEINUNGSWANDLUNG
Ein Satz, wie selten einer an Betörung reich,
Gilt vielen Menschen als gesicherte
.Erkenntnis.
Er sagt: ‒ „Vor Gott sind alle Menschen
.gleich!” ‒
Und wer ihn ausspricht, meint ihn
.‒ als „Bekenntnis”.
Was er besagt, schlägt aller Wahrheit
.in's Gesicht,
Denn nicht nur gibt es solche „Gleichheit”
.nicht,
Sondern die Wirklichkeit bezeugt ‒ das
.Gegenteil, ‒
Zeigt, daß „vor Gott” kein einziger
.dem Andern gleicht,
Zu eines Jeden eigenhaftem Heil!
33 Mancherlei
Nur auf der eig'nen, ihm gemäßen
.Geistesstufe
Kann Erdenmenschliches in Gott Erlösung
.finden,
Will es nicht ‒ angelockt durch
.Täuschungsrufe ‒
Sich Gott für Zeit und Ewigkeit entwinden!
Denn jeder steht, in Geisteshierarchie,
.an seiner Stelle
Vor Gott! ‒ Im Lichte der ihm
.zubedingten Helle...
34 Mancherlei
WIR „URALTEN” SCHIFFER
Wir kennen das Meer
Und beherrschen die Welle,
Und wissen um jedwede
Fischreiche Stelle!
Wir fahren nie leer
Unsre Boote zurück, ‒
Nur, daß sie fast sinken
Voll Fang, heißt uns Glück!
So haben wir schon
Vor vieltausenden Jahren
Zusammen und einzeln
Die Meere befahren,
In deren Tiefen
Die Nahrung sich nährt,
Die jeglicher Seele
Ernährung gewährt.
37 Mancherlei
VEREINIGUNG DER GEGENSÄTZE
Wir treiben ein hartes Gewerbe,
Unser Tagwerk ist wahrlich kein Spiel!
Wir lieben das Klare und Herbe:
Wir sind keine „Flöter vom Nil”!
Auf wogend getriebenen Wellen,
Mit Segel und Ruder vertraut,
Da sind wir der Stürme Gesellen
Und wehren uns unserer Haut.
Doch, sind wir dort rauh ohne Reue,
So sind wir auch milde und zart!
Wir wollen, daß Keiner sich scheue
Vor uns und unserer Art.
Wir sind Gottes Lotsen und Fahrer
Auf der Seele unendlichem Meer,
Und der strandenden Schiffe Bewahrer
Am „Land ohne Wiederkehr”. ‒
41 Mancherlei
BESTIMMUNG
Wir fahren auf winzigen Schiffen, ‒
Doch immer bewußt der Gefahr, ‒
Zwischen Felsenstürzen und Riffen,
Stets harter Bedrohung gewahr.
Wir fahren bei Nacht und bei Tage,
Wie Pflicht im Gewissen es will,
Und halten nur heiß banger Frage
Und quälender Seelennot still.
Doch, Keiner noch hat uns gesichtet,
Den wir vordem nicht selbst schon ersah'n
Und zu dem wir die Segel gerichtet,
Weil wir wußten, er fühle uns nah'n!
45 Mancherlei
GLÜCKHAFTES TAUCHEN
Sobald ich unter meinem Fischerboote
Grüne Perlenmuscheln in der Tiefe sehe,
Folge ich allein nur dem Gebote,
Daß mir keine Perle, die sie fassen,
Noch verloren gehe!
Ich werfe allsobald die schweren
.Ankereisen,
Daß mich die Wogen nicht hinweg vom
.Fundort reißen,
Und löse eilig alles von mir, was mich
.hindern würde,
Beim Tauchen in die Fluten als nur
.ungemäße Bürde.
Dann aber knüpfe ich das Tauchertau
.am Kielring ein
Und fasse Messer, Beutenetz und
.Taucherstein
Um mich hinabzustürzen in der Tiefe
.dunklen Grund
Und dort zu bergen den erspähten
.reichen Fund!
49 Mancherlei
Ich weiß, daß Ungezählten er ihr Glück
.bedingt,
Wenn ihn mein Arm ins Boot hinein,
.nach oben bringt!
50 Mancherlei
GEISTIGES „ATMEN”
Mit keinem Taucherkleide,
.keinem Taucherhelm bewehrt,
Weiß jeder, der sich sicher
.zu der Tiefe kehrt,
Um auf dem Meeresgrund der Seele
.Ungehobenes zu heben,
Daß er es nie vermöchte,
Wiederum empor zu steigen,
Wär' ihm des Geistes Atem
.selber nicht zu eigen.
Es handelt sich jedoch hier wahrlich nicht
Um Atemkünste, die der Yogi Hindostans
In jahrelanger Übung lernt,
Wobei er immer mehr sich ‒ ahnungslos ‒
Von allem wahrhaft Geistigen entfernt,
Um Kräfte zu entfalten, die zu Ende sind,
Wenn seines Herzens, ‒ seiner Lungen ‒
Todeslähmung einst beginnt. ‒ ‒
53 Mancherlei
Im Geiste weiß nur der bewußt zu atmen,
Der selber seiner Geistigkeit bewußt,
.bereits im Geiste lebt, ‒
Und wahrlich nicht nach erdenkörperlich
.bedingten Künsten strebt!
Der „Odem Gottes” wird nicht mit des
.Körpers Lungen eingesaugt,
Die auch nicht auszustoßen wüßten,
.was dem Geiste nicht mehr taugt!
54 Mancherlei
NICHT EINFÜGBAR
Es geht nicht an,
Das, was ich offenbare,
Und was ich ohne Zutun
Geistgesetzt gewahre,
Dem Werk der Denker
Und der Dichter einzufügen,
Will man nicht selber sich
Und Andere ‒ betrügen!
Ich habe nichts zu sagen,
Was ich mir erdachte,
Und nichts, was mir
Ein dichterisches Ahnen brachte!
Ich gebe nur Bericht
Von dem, was ich erkunde,
Im Meer der Seele
Auf dem tiefsten Grunde.
57 Mancherlei
Man muß scharf scheiden lernen,
Was ich darzubieten habe,
Von dem, was äußere Erkenntnis wohl
.als Gabe
Erbringt um Meinungen zu
.stützen, ‒
Sonst wird man weder Andern,
Noch sich selber nützen!
58 Mancherlei
WESENTLICHER UNTERSCHIED
Was ich vom „Lebendigen Gott” euch
.berichte,
Das meint nie das gleiche wie jene
.Gesichte,
Die voreinst sich grübelnde Denker
.erschufen,
Und die nur, ‒ in Worten, ‒ der
.Wirklichkeit rufen!
Zwar haben wohl „Arhats” sich manches
.ersonnen,
Und „Rishis” sich manches zu eigen
.gewonnen,
Was in das Wirkliche zielt und weist,
Doch ‒ keiner war selbst im lebendigen
.Geist! ‒
Und ehre ich auch die „Upanishad”,
So ist sie doch immer nur äußerer Pfad,
Der nicht weiter als hirnhaftes Denken
.führt,
Und niemals die Wirklichkeit selber
.berührt...
61 Mancherlei
Wohl ist mir bekannt, was die „Weisen”
.ersannen
Und sich durch ihr Denken zu eigen
.gewannen, ‒
Doch weiß ich auch, wie sie sich irren
.mußten,
Im Wahn: ‒ zu besitzen, wovon sie
.nur „wußten”!
62 Mancherlei
URGEWISSES BEZEUGEN
Ich will dem Glauben, der euch heilig ist
Und dem ihr euch verbunden fühlt,
.wie ich ihn ehre,
Nicht Wehrer, sondern Helfer sein,
Wenn ich euch lehre!
Denn seht: ‒ ich lehre euch das Ewige
.empfinden: ‒
Den Geist der Ewigkeit, in dem ich
.wachend lebe, ‒
Doch will ich wahrlich keine Meinung
.binden,
Durch das, was ich euch aus dem Meinen
.gebe!
Ich will dem Glauben, der euch heilig ist
Und den ich ehre,
Nicht Wehrer, sondern Helfer sein,
Durch meine Lehre!
65 Mancherlei
Denn seht: ‒ ich bin euch urgewisser
.Zeuge
Des Wirklichen, das euren Glauben
.schuf!
Damit der Irrtum nicht die Wahrheit
.beuge,
Erreicht euch aus dem Ewigen mein
.Ruf. ‒
66 Mancherlei
ZEITLICHE BEWAHRUNG
Was ich von mir und den mir
.Geistgeeinten weiß,
Die wir, ‒ um unseres Eigenlebens
.Preis, ‒
Mit Gott vereint in Gottes Leben stehen,
Soll euch und denen, die euch folgen,
.nicht verlorengehen.
Es wird in unberechenbaren Zeiten
.Keiner euch geboren,
Der sich in gleicher Einheit
.Gott vereinigt fände, ‒
Und darum wäre, was ich übermittle,
.euch verloren,
Wenn ich es nicht euch in Bericht
.und Gleichnis bände.
69 Mancherlei
GOTTES BEKUNDUNG
Gott ist nicht „unsichtbar”,
Wie wohl die Meisten meinen,
Doch muß er ganz und gar
Der Seele sich vereinen,
Eh' sie ihn sehen lernt
In allem Seinen!
Gott ist nicht „unsichtbar”
Und ist auch zu er-hören,
Nur darf, was Täuschung war,
Nicht mehr die Seele stören!
Gott ist nicht „unsichtbar”
Und ist auch zu er-fühlen,
Nur wird Gott nie gewahr
Gedanklichem Erwühlen!
Gott ist nicht „unsichtbar”
Wie all' die Toren träumen,
Die, ‒ aller Ahnung bar, ‒
Ihn, ‒ und sich selbst ‒ versäumen!
73 Mancherlei
GESPROCHENER REDE GEFAHR
Der Redner, ‒
Wenn auch nur der sichere und kühne, ‒
Steht er, benommen von sich selbst,
.auf der Tribüne,
Ist stets der Hörer Herr und ihr
.Verführer:
Nur seines eignen Schmiedefeuers Schürer.
Schon jeder Wendung werbende Betonung
Verschafft ihm auf der Stelle die Belohnung:
Den Beifall derer, die sein Drängen drängt,
Bis sie sein Reden ihm zu Füßen zwängt.
Dem Geistgeeinten, wäre auch zum
.Redner er „geboren”,
Wär' Wort und Sinn zugleich im Geist
.verloren,
Wollte er Hörer überreden und
.bezwingen,
Und all sein Streben müßte ihm mißlingen.
77 Mancherlei
Er darf nur künden, was er selbst in
.sich erkennt,
So, wie die Ewigkeit es ihm mit Namen
.nennt,
Und muß es jedem selber überlassen,
Was er vermag zu finden und zu fassen!
78 Mancherlei
MEIN VERMÄCHTNIS
Das, was ich niederschrieb,
Damit es hier verbleibe,
Auch wenn ich diesem mängelreichen Leibe
Mich ganz entziehen muß, ‒
Sobald er nicht mehr Hülle,
Und nicht mehr Werkzeug mir zu sein
.vermag, ‒
Das kam nur unter harten Widerständen,
Und meist auch unter weislicher Mißachtung
Aller Körperqual allhier zutag.
Mein Wort will nichts als Lehre,
Und der Lehre Weisung sein.
Es schließt in sich
Kein anderes Bestreben ein!
81 Mancherlei
Und wie man mich auch nannte
Um mich zu „benennen”: ‒
In keinem dieser Worte
Konnt' ich mich erkennen. ‒
Was ich zu sagen kam,
Ist nicht die Ernte mühereichen Denkens,
Und nicht die dargebrachte Gabe
Dichterischen Schenkens!
Ich künde nur aus dem, was „ist”, ‒
Da, wo ich selber „bin”, ‒
Und weder nach Gelehrsamkeit,
Noch dichterischem Schaffen,
Stand jemals mein Sinn!
82 Mancherlei
OKZIDENT UND ORIENT
Vor mir, auf der Akropolis, der Parthenon,
Die Propyläen und das kleine Nikeheiligtum,
Hoch über hohen Treppen, hohen Mauern, ‒
Die Erechteionsäulen
Leicht ins Lichte strebend, ‒
Und neben mir, auf freier Fläche Fluchten,
Links der Theseustempel, ‒
Vorn unter mir die winkelreiche Stadt:
Da saß ich Tag für Tag,
Gewärtig mancher noch verborgenen Lehre,
Daß sie an dieser Stätte mir nunmehr,
Wie vordem zugesagt,
Eröffnet werde und das Meine mehre.
Hier kamen zu mir ‒ ungerufen ‒
Die mir Geistgeeinten,
Deren Vorgeborene einst die Erwecker
.waren,
Der erhabenen Gestaltung Wunder
Die ich um mich sah, ‒
Bewußt in mir
Der Quelle aller lichten Ströme
Tief im Morgenlande,
85 Mancherlei
Die auch der Abendländer Sinn
Befruchten sollen und befruchten müssen,
Und nicht weniger bewußt im Wissen,
Daß ich auch selber dieser Quelle
Lichte Grundquellader war und bin...
Nur was die Quelle ursprunghaft
Umschließt, im Geist der Ewigkeit,
Kann wahre Weihewandlung
Hier im Irdischen erfahren. ‒
Nicht anders aber kann der Orient
Sein echtes Geisteslicht
Jemals dem Okzident in Wahrheit
.offenbaren!
86 Mancherlei
GEISTIGE TAUFE
Als mich die gleichen Ewigkeitsvereinten
Wiederfanden dann, ‒ jetzt Bringer
.höchster Gnade, ‒
Entboten sie mich an ein einsames Gestade,
Nur schwer erreichbar auf geheimem Pfade.
Hier ward mir erstmals aus vertrautem
.Mund
In Erdenlauten meine Wortform kund,
Auf daß der Laute Folge dem Gefüge,
Das mich im Geiste fügt, im Ton genüge. ‒
Und klar, wie Widerhall,
Kam bald der gleiche Klang,
Durch hoher Wogen Schall,
Zu brausendem Gesang . . .
Ein wenig Aberglaube hätte leicht vermeint,
Es habe sich „Natur” hier Ewigem vereint!
Doch tönt mir heute noch der Ton im Ohr,
Als hört' ich wahrlich kosmischer Gewalten
.Chor.
89 Mancherlei
GESEGNETE INSEL
Im Felsgestade einer Insel,
.das ich oftmals malte,
Wie es das blaue Sommerlicht umstrahlte
Bei dennoch wildbewegtem Meer,
.‒ und auch in Abendstunden,
Wenn sich die Ruhe mild
.zurückgefunden, ‒ *)
Dort ward, was ewig mir gehörte,
.meiner Zeit gewonnen,
Und das vordem Gestörte
.wieder neu begonnen . . .
Dort weihte alte, hehrumhegte Handlung
Mein Irdisches in schöpferischer Wandlung
Zu geistiger Gestaltung um,
.wie sie das Licht begehrte,
Das sich aufs neue dieser Welt bescherte!
‒ ‒
* Syra, eine der Kykladen.
93 Mancherlei
TRANSFORMATION
Wähnt nicht, daß Geisteswandlung
.Erdenkörperliches schone,
Und gar die Kräfte, die sie wandelt,
.noch dem Körper lohne!
Was hier „geopfert” werden muß, ‒
.muß seinem Erdenhaften „sterben”,
Und läßt vom Leibe niemals mehr
.sich neu erwerben!
Doch diese Wandlung wandelt
.aller Körperzelle
Ererbtes, Dunkles um ‒
.zu strahlend lichter Helle!
97 Mancherlei
DENNOCH EWIG FREMD
Das, was ich bin, und was ich war
.und ewig bleibe,
Ist zeitlich einverschmolzen
.nun dem Erdenleibe!
Doch ist der Leib, ‒ als ein vergängliches
.Gebild der Erde ‒ :
Mir nur vereint, daß er
.mir dienstbar werde.
Bin ich ihm auch verschmolzen,
Ist der Leib mir dennoch fremd und fern.
Wo er mir dienen muß,
Dient er gewiß nicht „gern”. ‒
Und wenn ich ihn auch hier
.in mir erklingen heiße,
So bleibt er doch mirfremd
.und ferne meinerWeise”! ‒
Nur ist sein Leben unerbittlich mir
.verpflichtet,
Bis es der letzte Atemzug vernichtet...
101 Mancherlei
NOTWENDIGE NÄHRUNG
Der Weinberg, der die Lese bringt,
Von der das Lied der Zecher singt,
Liegt hoch an Südbergsrande
In meines Vaters Lande.
Die Sonne brütet zwar den Wein,
Der Winzer aber weiß allein,
Was er mit hartem Plagen
An Dung hinaufgetragen . . .
Denn, wenn dem Weinstock wird verwehrt,
Was aus der Erde er begehrt,
Dann soll man keine Trauben
An ihm zu finden glauben!
105 Mancherlei
MEIN ACKER
Der Acker war mir anvertraut, ‒
Ich hab' ihn schlecht und recht bebaut
Und viel hat er getragen.
Da wurden in ihm Stimmen laut: ‒
„Er sei mir noch umsonst vertraut, ‒
Ich wüßt' ihn nicht zu fragen!”
Durch solche Mahnung bald belehrt,
Bin ich zum Hof zurückgekehrt
Und holte Hack' und Spaten.
109 Mancherlei
Und grub des Nachts, und grub bei Tag,
Bis mir das Gold zu Füßen lag,
Das nie ich hätt' erraten.
Doch, wo ich grub und wo ich fand,
Läßt gutes altes Ackerland
Sogleich die Spur verschwinden.
Und wühlen Diebe spät und früh,
Sie werden doch, trotz Last und Müh'
Das Meine niemals finden!
110 Mancherlei
URERINNERN
Mir ward so mancher Kieselstein
Mehr wert als Diamanten,
Mocht' er auch gänzlich wertlos sein
All' denen, die ihn kannten.
Das machte: ‒ daß ich wiederfand
In ihm ein Altbekanntes,
Und schon aus urgezeugtem Land
Mir ursprunghaft Verwandtes!
Das machte: ‒ daß ich wiederfand
In ihm ein erstes Leben,
Das über starre Scheidewand
Sich wußte zu erheben...
113 Mancherlei
WUNDERLICHE KÄUZE
Als ob ich ein Yogi wäre
Oder dunkler Künste Meister,
Suchten sie bei mir Rezepte
Um zu bannen jene „Geister”
Die sie selbst sich selber schufen,
Als verhängnisvolle Früchte,
Durch ihr lüsternes Berufen
Abergläubisch toller Süchte.
Als ob ich ein Fakir wäre,
Suchten sie von mir zu hören,
Wie sie leicht in ihrer Sphäre
Könnten Andere betören.
117 Mancherlei
Manche, ganz und gar von Sinnen,
Glaubten gar, daß ich vermöge
Ihnen Alles zu gewinnen,
Wenn ich in ihr Netz es zöge.
Ließ ich aber sie erfahren,
Daß sie mich vergeblich suchten,
Ward gar unwirsch ihr Gebaren,
Wenn sie mir nicht gar noch ‒ fluchten.
118 Mancherlei
BEDAUERNSWERTES IRREN
Glaubt mich nicht fühllos,
Weiß ich mich auch still zu fassen
Und mag ich manche Ahnungslosigkeit
Mir gegenüber
Auch gewähren lassen! ‒ ‒
Ich bin trotzdem kein totes Holzstück,
Bin kein Stein, der nicht erfühlt,
Wie euch die Selbstumschnürung bindet
Und die Herzenskälte matte Liebe
.kühlt! ‒
Ich weiß auch, wie ganz anders
Ihr euch darzubieten wüßtet,
Wenn ihr, des Erdenvorteils wegen,
Euch bequemen müßtet...
121 Mancherlei
Ihr, die das angeht, ahnt ja nicht,
Wie ihr euch irrt, ‒
Und wie so klügliches Berechnen
Nur die Rechnung euch ‒ verwirrt!
Ihr rechnet falsch
Mit jedem meiner Erdentage,
Und schafft euch Schulden,
Wenn auch vorerst ‒ ich
„Die Kosten trage”!
122 Mancherlei
LANGMÜTIGE SCHONUNG
Zwar hieß mir mancher langhin „Freund
.vor manchen Jahren,
Und dankbar ließ ich meine Freundschaft
.ihn erfahren,
Trotzdem ich wahrlich geistig wußte,
.was ihn zu mir trieb, ‒
Und keiner Illusion Betörung
.mir für ihn verblieb.
Ließ ich nun ‒ scheinbar ‒ mich auch
.gern betrügen
Durch solcher „Freundschaft”
.freundschaftliches Lügen,
Das nur den armen Täuscher selbst
.in sich beraubte,
So tat ich dennoch stets
.‒ aus milder Schonung ‒ so,
Als ob ich an sie glaubte...
125 Mancherlei
OHNE MEIN ZUTUN
Was mich auf Erden irdisch hier umgibt,
Wird geistig immer wieder
In sich selber neu erwogen und gesiebt.
Und habe es auch tausendmal
Mein Herz betrogen,
Und meine Liebe trügerisch gebunden,
So wird es doch zuletzt im Geist erwogen,
.und: ‒
Zu leicht” befunden. ‒
Wenn es nicht vollgewichtig ist
Nach geistigem Erwiegen,
Muß es dem geistgesetzten
Ausschied unterliegen!
129 Mancherlei
Von denen, die sich einst als „Freunde”
.gaben,
Dann aber, ‒ geistig ausgeschieden, ‒
Mir entfallen mußten
Oder mich verlassen haben,
War keinem zubestimmt,
Mir dauernd nahzustehen. ‒
So mußte jeder wieder
Seiner Wege gehen!
130 Mancherlei
AN DIE ECHTEN FREUNDE
Ihr, deren echte Freundschaft
Ich so lange schon gewahre,
Und immer neu in jedem Wort,
In jedem Blick und jedem Brief erfahre,
In jedem Tun und jedem Nichttun neu
.empfinde, ‒
Euch widme ich, in froher Dankbarkeit,
Dies' Angebinde!
Ihr wißt: ‒ ich muß euch nicht erst
.„Freunde” nennen,
Und daß ich Freunde in euch sehe,
Vor der Welt bekennen!
Ihr seid mir Freunde meiner Erdenzeit,
Und heut' schon Freunde in der Ewigkeit,
In der ich ewig wirkte und aus der ich lebe,
Wie ich zu ihr ‒
Euch, meine wahren Freunde! ‒
Heute schon erhebe.
133 Mancherlei
Ihr wißt: ‒ es kann da zwischen euch
Und mir sich keine Trennung mehr ergeben,
Und wo ich selber lebe, findet ihr
In mir, euch selbst in lichtem Leben!
Ihr seid: ‒ seit aller Ewigkeit
Mir zugeeint
Und mir vor jeder Erdenzeit
Im Geist vereint!
Wo ihr mich sucht,
Dort habt ihr mich bereits gefunden,
Denn wo wir ewig leben
Sind wir längst verbunden!
134 Mancherlei
FREUNDSCHAFTLICHES ERINNERN
Vergesst nicht, liebe Freunde,
Daß derGeistder Ewigkeit
Aus dem ich zu euch spreche
.wie ich sprechen muß,
Kein Denken ist,
Kein Schauen,
Keiner Vorstellung Gebilde,
Kein Erkennensvorgang,
.sondern:
Unsichtbaren Lebens
Aethergleicher Ursubstanz Bekundung!
Erkennen, denkend Fassen,
In der Vorstellung erschauen,
Kann zwar Folge
Des in seiner Ursubstanz
Gelebten Lebens sein,
Doch keine dieser Fähigkeiten
Dringt in ewiges, ‒
Aus Ewigem allein
Genährtes Leben ein!
137 Mancherlei
AUF DES MESSERS SCHNEIDE
Es ist kein „Spiel”, dem ich frivol hier
.fröne,
Wenn ich mit meinem Hinschied euch
.versöhne,
Auch wenn ich immer wieder noch ‒ ‒
Den Leib erfange, ‒ zu allerletzt! ‒ . . .
Und dann zurück gelange!
Mir ist der Tod zwar dieses Leibens Ende,
Doch keineswegs auch meines Lebens Wende.
Ich habe oft genug ihn klar erfahren und
.empfunden,
Und trotzdem immer wieder überwunden,
In starren, nächtlich dunklen Morgenstunden.
141 Mancherlei
So ward er mir vertraut, wie Weniges auf
.Erden,
Und könnte nie mir mehr zum „Schrecken”
.werden.
Nur allerletztes müdes Leibes-leben
Kann ‒ vor der Endigung ‒ vor ihr
.erbeben.
Der Tod an sich ist ohne Schmerz,
.und keine Pein!
Er kann nur Löser aus des Leibes
.Peinen sein. ‒
142 Mancherlei
LEIBESLÖSUNG
Wie auch mein Irdisches sich enden mag: ‒
Seid überzeugt, daß mir sein letzter Tag,
Ob ich vermag, den Leib vor Qualen zu
.bewahren,
Oder ihn enden lassen muß
In ärgstem Pein-Erfahren,
Nur Lösung bringt
Von lange schon Gelöstem
Aus irdisch Kleinem
Wie aus irdisch Größtem!
Mag sich durch innere Organzerstörung
Oder äußere Vernichtung
Letztlich meines Leibes Leben enden,
Es darf dann keine Gegenrichtung
Erdenhaften oder geistentstammten Willens
Schicksalhaftes wenden!
Was vordem oftmals wendbar war
Ist dann Bedingung
Zu bleibender Befreiung
Endlicher Erringung!
145 Mancherlei
KAUM ERFÜLLBAR
Am liebsten würde ich auf hohen Meeren,
An eines Schiffes Bord gebettet,
Mich vom Leibe kehren,
Den man alsdann versenken müßte in
.die tiefste Tiefe,
Aus der kein Ruf ihn mehr zum Ufer riefe.
So bliebe doch die Grabstatt ihm erspart,
Vor der auf Erden ihn kein Wunsch
.bewahrt,
Wenn ich zu Lande ihm verlorengehe
Und seine Erdenbindung schwinden sehe.
Bin ich jedoch der Körperhaft
.entwunden,
So bleibt an meinen Leichnam nichts
.gebunden,
Was irgendwie zu mir gehören würde!
Er ist dann nichts, als abgelegte fremde
.Bürde. ‒
149 Mancherlei
LETZTE BITTE
Euch, die ihr geistig,
Oder meiner Erdenbindung nach
Mir nahesteht und nahestandet,
Euch hier zu sehen nun, ‒
Schön schwarz gewandet, ‒
Um meinen Leichnam stehen
Und in Trauer sich ergehen,
Ist mir: ‒ muß ich das wirklich
Euch noch sagen?? ‒
Ein Bild, nicht ohne Lächeln
Zu ertragen.
Wie gerne möchte ich euch doch gewiß
.verschonen,
Davor, der nötigen Beseitigung
.der Schlacken beizuwohnen,
Die mir dann fremder sind,
.als je ich Fremdes fand,
Zur Zeit, als Leben ihnen vordem
.mich verband!
153 Mancherlei
Doch, wollt ihr unbedingt
.den Erdenbrauch begehen,
So fühlt zu gleicher Zeit mich ‒
.frei der Hülle ‒
In meines gottgeeinten Lebens Fülle,
Euch Allen heiter nah vereint
.in innerstem Verstehen,
Im „Unsichtbaren” seelisch sichtbar,
.froh inmitten stehen!
154 Mancherlei
NACH DEM ÄUSSEREN SCHEIDEN
Sucht mich auf keinem Friedhof
.und an keinem Grab!
Das, was ich euch und Kommenden
.einst gab,
Ist nicht an Stätten der Verwesung
.aufzufinden
Und keine Gruft vermag es,
.mich zu binden!
Ich kann euch jetzt nur
.in euch selbst begegnen
Und aus dem Vater in euch selber
.segnen,
Gewahrt nur selbst in euch,
.daß ich noch lebe
Und euch mein Ewiges
.zu eigen gebe!
157 Mancherlei
ENDE