IN EIGENER SACHE
EINE RICHTIGSTELLUNG
VIELER
FEHLMEINUNGEN
Verlagslogo
KOBERSCHE
VERLAGSBUCHHANDLUNG AG
BERN
2. Auflage
Unveränderter Nachdruck der Erstausgabe 1935
© 1935 und 1990 by Kobersche Verlagsbuchhandlung AG, Bern
ISBN 3-85767-027-4
UM DEN FORDERUNGEN DES URHEBERRECHTES
ZU ENTSPRECHEN, SEI HIER VERMERKT, DASS
ICH IM ZEITBEDINGTEN LEBEN DEN NAMEN
JOSEPH ANTON SCHNEIDERFRANKEN FÜHRE,
WIE ICH IN MEINEM EWIGEN GEISTIGEN SEIN
URBEDINGT BIN IN DEN DREI SILBEN:
BÔ YIN RÂ
2 In eigener Sache
Foto des Autors
IN
EIGENER
SACHE
Ich habe mich zwar nur wenig zu bekla‐
gen über mangelndes Verständnis bei
denen, die meinen geistigen Lehrbüchern
lange schon zugetan sind, aber ich beklage
um so mehr die noch immer bei anderen
verbreitete Auffassung, als hätte ich tö‐
richterweise im Sinn, einer neuen Glau‐
benskonvention den Weg zu bahnen oder
etwa subjektiv gefärbten Phantasien
und Spekulationen über Dinge, die unse‐
ren irdischen, tierhaften Erkenntnis‐
organen nicht zugänglich sind, einen
wundergläubigen, in seiner Glaubens‐
bereitschaft aller kritischen Hemmun‐
gen ledigen Anhängerkreis zu sichern.
Wenn ich es denn wirklich noch aus‐
drücklich sagen muß, so sei es hier aufs
deutlichste gesagt: ‒
.Beides liegt mir unendlich fern!
.So fern, daß mir jegliches Verständnis
für die seelische Kurzsichtigkeit fehlt,
5 In eigener Sache
die Ursache dazu werden kann, mir noch
derlei Absichten zuzutrauen, nachdem
man auch nur eines meiner Bücher wirk‐
lich gelesen hat.
.Ich muß mich aber auch auf das
schärfste dagegen verwahren, einer Sorte
von Bücherverfassern urteilslos zuge‐
zählt zu werden, denen der Trieb kritik‐
unfähiger Massen nach Erklärung des
ihnen Unerklärlichen nur allzusehr ge‐
legen kommt, um sich in Szene setzen zu
können, und sich auf Grund frivoler, das
wirklich Geheimnisvolle auch nicht in
leisester Ahnung erspürender Spekula‐
tionen, den Nimbus eines Sehers oder
‒ aus hintergründiger Pseudowissenschaft
orakelnd ‒ eines Kenners geheimer Welt‐
gesetze zu verschaffen.
*
.Meine Bücher lassen überall, wo sie
hingelangen, aus resignierenden, ver‐
6 In eigener Sache
quälten Seelen glückliche Menschen wer‐
den.
.Dieser naturnotwendige Erfolg eines
konsequenten Lebens nach den aus mei‐
nen Lehren sich ergebenden Folgerungen
ist der einzige „Beweis”, den ich für die
Wirklichkeitsentsprechung meiner Dar‐
stellungen gebe, ‒ aber auch der allein
vollgültige. Ich trachte nach keinem an‐
deren! Mir liegt es ferne, „Beweise” zu
erbringen für das, was derer Leben, die
nach meinen Worten leben, jederzeit be‐
weisen kann.
.Jeder Versuch, meine Bekundungen,
Lehren und Erklärungen in die Gedan‐
kenreihen und Empfindungsgefüge alt
orientalischer oder späterer, christlich
orientierter Mystik einordnen zu wollen
‒ nur weil ich das Sprach- und Begriffs‐
gut dieser Bezirke gebrauche, da es sich
mir nun einmal darbietet und zuweilen
7 In eigener Sache
unersetzlich ist, wenn ich mich versteh‐
bar machen soll ‒, muß unbedingt zu
einem wirren Mißdeuten meiner Bücher
führen.
.Auch der findigste und belesenste Kopf
kann dem, was ich geschrieben habe,
nicht näher kommen, solange er noch
mit Maßstäben an meine Lehrworte
herantritt, die von den ihm naheliegen‐
den Glaubensmeinungen oder philoso‐
phischen „Systemen”, das Geistige in
der Welt zu erklären, mitgebracht oder
aus ihnen hergeleitet sind. Am aller‐
wenigsten aber wird man zu dem ge‐
langen, was man finden könnte, wenn
man sich durch ein vorschnelles Urtei‐
lenwollen verleiten läßt, mich gar unter
die modernen „Theosophen” oder „Ok‐
kultisten”, und wie sich das alles nennen
mag, zu rechnen, da ich auch die in die
sen Kreisen gängige Terminologie durch‐
8 In eigener Sache
aus nicht ängstlich gemieden habe, wo
sie mir als Verständigungshilfe in den
Weg gelaufen kam.
.Wir sind in den europäisierten Teilen
der Welt durchaus nicht so reich an Be‐
griffen und Benennungen, die sich zur
Darstellung des Lebens im Bereiche
ewiger Geistsubstanz gebrauchen ließen,
als daß der Berichter auch nur auf ein
einziges vorgefundenes Wort verzichten
dürfte, wenn es ihm Verständigungs‐
möglichkeit zu schaffen scheint und sub‐
jektiver Irrdeutung einigermaßen ent‐
rückt ist. Selten genug sind solche Worte
zu finden!
.Alle altorientalische und später die
christliche Mystik war aber in der Mensch‐
heit nur darum möglich, weil das, wovon
ich zu berichten habe, seit dem ersten Er‐
wachen des ewigen geistigen Funkens in
den Seelen weniger Erdenmenschen ferner
9 In eigener Sache
Urzeit ununterbrochen auf Erden gegen
wärtig war, ‒ und ein wirkliches Ver‐
stehen des Werdens religiöser Vorstel‐
lungen setzt voraus, daß man um diese
stete Gegenwart wisse, wie man um das
Gesetz der Schwerkraft weiß.
.„Mystik” ist nichts anderes als sub‐
jektive Fehldeutung jenes inneren Er‐
fahrens, das gemäß der gegebenen
Struktur substantiellgeistigen Lebens
zuweilen einzelnen, besonders gearteten
oder vorbereiteten Menschen möglich
wird. Das gleiche Erfahren bei ausge‐
sprochener Veranlagung zu rein histo‐
risch anschauendem Erkennen und daher
ohne die Fehldeutung des Mystikers, steht
am Anfang aller geistig begründeten Reli
gionen, in denen ewige Wahrheiten „dra‐
matisiert” zum Ausdruck gelangen.
.Das „Dogma”: der die Anhänger ver‐
pflichtende Glaubenssatz, ist nur die
10 In eigener Sache
endgültige Formulierung der dem Re‐
ligionsgründer innerlich zuteil geworde‐
nen Erfahrung in äußerlich ausgespro‐
chener Behauptung. Es ist nur folge‐
richtig, daß jedes Religionssystem für
solcherlei Behauptung Zustimmung ver‐
langt.
.Nicht dadurch aber, daß man alle
diese verpflichtenden Behauptungen, wie
sie in den Dogmen der recht wenigen,
auf geistiger Erfahrung Einzelner be‐
ruhenden Religionen vorliegen, zu ver
einigen sucht, gelangt man zu dem, was
Ursache aller höheren Religionsbildung
war, ‒ sondern hierhin führt einzig und
allein nur das Wissen um die Struktur
des Lebens im ewigen substantiellen Geiste.
.Es ist nicht zu ändern, daß um diese
Struktur nur solche Menschen primär
aus eigener Erfahrung wissen können,
die ihrer ewigen Geistnatur nach in
11 In eigener Sache
diesem ewigen Leben des substantiellen
Geistes von Ewigkeit her lebendig sind,
und es daher in sich selber, in allen
seinen Schichtungen, bewußt wahrzu‐
nehmen vermögen.
.Das waren aber zu jeglichen Zeiten so
unfaßlich wenige, daß sie jeweils unter
den Millionen, die auf Erden leben,
scheinbar verschwanden, wie ein paar
Milligramm Radium im Sande des Mee‐
res für das Auge verschwinden würden,
ohne daß die von ihnen ausgehende Strah
lung tatsächlich verschwunden wäre...
.Allen anderen Erdenmenschen kann
aber das Wissen um die Struktur des
geistigen Lebens nur von seiten dieser
wenigen übereignet werden.
.Kriterium der Wahrheit solcher Mit‐
teilung ist nur das allmähliche Bewußt‐
werden der Seele in jenem Bereich des
geistigen Lebens, der den Fähigkeiten
12 In eigener Sache
und der seelischen Hingabe des Be‐
lehrten entspricht, und die damit er‐
langte Gewißheit der eigenen Eingliede
rung in unvergängliches, auf allen seinen
Stufen individuell bewußtes, geistigsub‐
stantielles Leben.
*
.Das Wort „Geist” umfaßt im alltäg‐
lichen Sprachgebrauch recht Verschie‐
denartiges.
.Die Tätigkeit des menschlichen Ge
hirns: das Denken, Erschließen und Be‐
griffebilden, wird als „geistiges” Arbei‐
ten bezeichnet, und man spricht in die‐
sem Sinne vom Menschengeiste.
.Man steigert das, was der Menschengeist
vermag, naiverweise ins Unendliche, und
gelangt so zum Begriff göttlichen Geistes.
.Aber man spricht auch innerhalb der
christlichen Dogmatik vom „Heiligen
Geiste” als einer „Person”: einer Selbst‐
13 In eigener Sache
darstellung in Gott, wobei das Wort
„Geist” nicht mehr von einem Tun her‐
geleitet ist, sondern eine distinkte Be
stimmtheit innerhalb der göttlichen Sub
stanz bezeichnet.
.In diesem rein substantiellen Sinne
wird überall in meinen Büchern von mir
das Wort „Geist” gebraucht.
.Ich „berufe” mich aber nicht etwa auf
das christliche Trinitätsdogma, sondern
habe es hier nur um der Verständigung
willen herangezogen, weil ich nur von
ewigem Gottesgeist künde, wenn ich die
Struktur des geistigen Lebens faßbar zu
machen suche, in dem ich selber im höch‐
sten Bewußtsein lebe, das einem Erden‐
menschen erfahrbar werden kann.
.Zugleich verwahre ich mich auf das
eindringlichste gegen jede Vermutung,
als wolle ich etwa um „Glauben” an
meine Worte werben.
14 In eigener Sache
.Was ich zu lehren komme, wird nicht
durch gläubige Zustimmung, sondern
einzig und allein durch eigene Erfahrung
der konsequent danach Handelnden be‐
zeugt, und ich muß jeder Instanz hier
jegliches Urteil über die von mir ge‐
brachten Lehren verweisen, solange der
Urteilende sich nicht dazu bequemen
kann, längere Zeit hindurch nach den
Anweisungen dieser Lehren zu leben.
*
.Im Grunde verstanden, kann man
jedes Buch, das ich geschrieben habe,
ein Geheimbuch nennen, denn in jedem
sind geistige Wahrheiten niedergelegt,
nur den wenigen Lesern erkennbar, die
bereits dort zu fragen begonnen haben,
wo meine Bücher die Antwort bringen.
.In diesen Büchern finden Wahrheiten
ihren Ausdruck, die von dem ersten Er‐
klingen menschlicher Sprache an bis auf
15 In eigener Sache
meine Erdentage nie in solcher Offenheit
in Worten mitgeteilt werden konnten.
Was da gesagt wird, war immer Ge‐
heimnis weniger Wissenden, wie es auch
weiterhin allen geheim bleiben wird, die
nicht für solches Wissen geboren sind.
Ihnen werden diese Bücher nur Anlaß
des Widerspruchs, und die Geheimnisse,
die den Berufenen Erlösung bringen,
werden denen, für die Erlösung noch
nicht bestimmt ist, unlösbar bleiben.
.Es sind hier Bücher entstanden, die
sich selber öffnen oder sich selber ver‐
schließen, je nach dem geistigen Zu‐
stand des Menschen, der die Seiten ab‐
fragt. In keiner Felshöhle unwegsamer
Gebirge und in keinem Versteck der
Wüsten Asiens wären diese Bücher bes‐
ser verborgen als auf den Tischen der
Buchhändler und in den Händen un‐
berufener Leser!
16 In eigener Sache
.Geheimnisse, die man auch jenen
weitergeben könnte, vor denen sie ge‐
heim bleiben sollen, sind gar schlecht
behütet. Was jedoch in meinen Büchern
öffentlich ausgesprochen ist, hütet sich
selbst vor allen, denen es Geheimnis
bleiben soll.
*
.Leidig und bemühend ist es, daß ich
hier nun auch noch irrige Meinungen
erwähnen muß, denen gegenüber es mir
recht schwer fällt, anzunehmen, daß sie
ehrlichem „guten Glauben” ihre Ent‐
stehung verdanken.
.Da soll ich denn, neben anderen phan‐
tastischen Behauptungen, einer Kolpor‐
tage nach, in meinem so dogmenfernen
Verkündungswerk die Sache „der Je‐
suiten” besorgen, während ein anderes
Gerücht mich, allen Ernstes, „Frei‐
maurern” ‒ ja, der „Weltfreimaurerei” ‒
17 In eigener Sache
verpflichtet wissen will. Natürlich im‐
mer: ‒ um des Geldes willen!
.Diesem törichten Flüstern und Rau‐
nen gegenüber sei nun aber ein- für alle
mal ausdrücklich gesagt, daß ich zu
keinem Zeitpunkt meines Lebens der‐
artigen oder ähnlichen Korporationen
irgendwie verpflichtet war oder gar selbst
angehörte (denn auch das wird be‐
hauptet!), ebensowenig, wie ich jemals
irgendeiner politischen Partei irgend‐
eines Landes direkt oder indirekt irgend‐
welche Gefolgschaft leistete.
.Ich gehörte auch niemals einer „theo‐
sophischen” oder „okkultistischen” Ver‐
einigung an, und war niemals gar „Schü‐
ler” eines Mitgliedes oder Verbundenen
solcher Vereine und Gemeinden, noch
irgendeines Menschen, der etwa ähn‐
lichen Konventikeln nur freundschaft‐
lich nahestand. Es ist mir auch niemals
18 In eigener Sache
eingefallen, irgendeine derartige Ver‐
einigung zu „gründen”, wenn ich auch
allen ehrlich nach seelischer Entfaltung
Strebenden gerne den Rat und die
Hilfe bot, die ich allein geben konnte.
Und niemals bin ich irgendwo ‒ auch
nicht in vertrautestem Kreise ‒ „als
Redner” aufgetreten.
.Auch das muß eindeutig ausgespro‐
chen werden, da Leute, die mich in
ihrem Leben nicht zu Gesicht bekommen
haben, unverfroren von ihren „Ein‐
drücken” erzählen, die sie empfangen
haben wollen nach „Reden”, die ich
niemals hielt, bei „Tagungen” von Ge‐
sellschaften, die mir absolut fremd sind,
in Städten, die ich bis heute noch nicht
ein einziges Mal betreten habe. ‒
.Mich selbst kann das unverantwort‐
liche Herumbieten all der Unwahrheiten,
die sich mit mir beschäftigen, gewiß
19 In eigener Sache
nicht berühren oder gar bewegen, aber
es würde mir durchaus nicht erstaunlich
erscheinen, wenn dadurch Menschen,
denen mein Lebenswerk geistige Hilfe zu
bringen hat, recht unsicher werden könn‐
ten, ob sie dieser Hilfe vertrauen dürften.
.Da ich mich aber vom ersten Wort
meines öffentlichen Lehrens an zu mir
selbst bekannte und keinen Zweifel offen
ließ hinsichtlich meiner geistigen Be‐
rechtigung und Verpflichtung, zu lehren
was ich lehre, so blieben die durch un‐
wahre Berichte über mich unsicher Ge‐
wordenen nicht ohne eigene Schuld, wenn
sie lieber irgendwelchen phantasievollen
Zuträgern glauben wollten, statt meinem
verantwortungsbewußten Bekenntnis.
*
.Daß mein Bekenntnis ‒ fast möchte
ich hier ironisch sagen: leider! ‒ in heu‐
tigen Tagen und innerhalb westlicher
20 In eigener Sache
Kulturkreise etwas Befremdliches dar‐
stellt, weiß ich und kann ich nachfühlen.
.Wenn man nur auch nachfühlen
wollte, wie schwer mir von Anfang an
dieses Wissen um das Befremdende in
jedem Bekenntnis zu mir selbst und
meiner geistigen Herkunft auf der Seele
lag, wann immer bittere Notwendigkeit
solches Selbstbekennen von mir ver‐
langte!
.Was ich auch, bis auf den heutigen
Tag, über meine geistige, im Ewigen
gründende und wieder ins Ewige füh‐
rende Wesenheit zu bekennen schuldig
wurde, so ahnt doch wohl kein Mensch,
der solches Bekennen vernimmt, was
ich dennoch vorenthalten muß, weil
irdischem ‒ und zumal westlichem ‒
Denken die Begriffe mangeln, durch die
man hier zur wirklichen Verständigung
gelangen könnte.
21 In eigener Sache
.Wohl fand ich mich zuletzt, unter
dem Bewußtsein eindringlichster körper‐
licher Ankündigungen der physischen
Möglichkeit plötzlicher Abschiedsforde‐
rung, drastisch bewogen, das, was ich
als singuläres Bekennen zu hinterlassen
habe, noch zu vertiefen, aber auch hier
blieb die Grenze der Mitteilung fest ge‐
zogen, und es war auch keineswegs etwa
mein erdenmenschlicher Wunsch, sie
irgendwo zu überschreiten.
.Was ich von der Eigenart meines vom
Mittelpunkt absoluten ewigen Geistes
bis in die irdische menschliche Tierheit
schwingenden, webenden und mannig‐
fach verwobenen geistgeborenen Lebens
zu bekennen schuldig bin, ist bestimmt
durch die Notwendigkeit, die Menschen,
zu denen ich spreche, auf festes, unwandel‐
bares geistiges Urgestein zu führen: ‒ auf
einen Standpunkt, der niemals brüchig
22 In eigener Sache
werden kann, und von dem aus jeder
einzelne selbst, aus unbedrohter Sicher‐
heit her, Einblick erhält in die ewige
Struktur göttlich-geistigen All-Lebens,
das auch eines jeden irdischen Menschen
Daseinsursache ist.
*
.Wenn schon mein ganzes Verkün‐
dungswerk nur gestaltet werden konnte
im steten Kampf gegen eine beispiellose
angeborene Scheu vor jeder Offenbarung
eigenen inneren Erlebens: ‒ vor jedem
Sprechen über rein geistige Dinge ‒, so
ist mir bis zum heutigen Tage das Be‐
kennenmüssen zu dem, was meiner gei‐
stigen ewigen Natur zugehört, eine erden‐
menschlich kaum zu ertragende Tortur ge‐
blieben, der ich mich gewiß nicht unter‐
ziehen würde, wenn ich nicht vom Geiste
her dazu bedingungslos verpflichtet, ‒ fast
möchte ich sagen: ‒ verurteilt ‒ wäre.
23 In eigener Sache
.Und kaum einer unter tausenden, für
die meine Bücher geschrieben sind,
dürfte ahnen, welche Selbstpeinigung es
ist, den gewohnten, Ewigem allein ent‐
sprechenden Horizont, dessen Weite
irdischem Vorstellungsvermögen uner‐
reichbar ist, derart zu verengen, daß
man in Begriffen und Wortbildern sich
zu bewegen vermag, die allgemeiner
irdischer Auffassungsfähigkeit erreich‐
bar bleiben, deren Weite natürlich nicht
etwa von dem Grade der Gelehrsamkeit
des Auffassenden abhängig ist, sondern
allein durch die Stufenhöhe seiner see‐
lischen Bewußtheit bestimmt wird.
.Aber die Erörterung aller dieser Dinge
schwebt in bedenklicher Gefahr, für eine
Äußerung unglaublichen Hochmuts, ja,
womöglich gar für ein Anzeichen aus‐
gebrochenen Größenwahns gehalten zu
werden, denn keiner weiß, woran er ist,
24 In eigener Sache
wenn ihm selbst das Urteilsvermögen
fehlt.
.Urteilsfähig sein in Dingen, die das
ewige Leben des Geistes betreffen, heißt
jedoch: ‒ die Struktur dieses durch und
durch substantiellen Geistes kennen, ‒
und meine Bücher haben keinen anderen
Zweck, als diese geheimnisvolle Struktur
bis in ihre tiefsten Verborgenheiten
sehen zu lehren. So ergibt sich aus dem
vorurteilsfreien Aufnehmen meiner Lehr‐
texte zugleich das sicherste Kriterium
für die Bedeutung ihres Inhaltes und für
die Berechtigung des Autors, lehren zu
dürfen, was ich lehre.
*
.Die innere und äußere Gewißheit im
ewigen substantiellen Geiste, die meine
Schriften vermitteln, ist jeder historisch
entstandenen religiösen Glaubensformu‐
lierung sachlich übergeordnet, aber
25 In eigener Sache
wahrhaftig unersetzbar als gesicherter
Halt für jede auf Göttliches bezogene
Lehre jeder Glaubensgemeinschaft, die
auf ein „Fürwahrhalten” der von ihr
aufgestellten Glaubenssätze den ihr aus‐
schlaggebenden Wert legt.
.Religiöse Glaubensgemeinschaften sind
Seelenstaaten, einerlei, ob sie republika‐
nisch oder monarchisch verwaltet wer‐
den, ‒ einerlei, ob sie sich in ihrer Aus‐
dehnung mit einem politischen Staate
decken oder den Bereich ihres Geltungs‐
willens über alle politischen Gebilde der
Erde ausdehnen.
.Die einzelne Seele, die sich einem sol‐
chen Seelenstaat zugetan fühlt oder in
ihm gerade die erhebenden Kräfte, die
sie braucht, in einer besonders wirk‐
samen Form sich dargeboten sieht, soll
wahrhaftig zu ehren wissen, was sie emp‐
fängt, aber sie wird das kontinuierlich in
26 In eigener Sache
solcher Seelengemeinschaft Empfangene
nicht höher ehren, als wenn sie es im
Ewigen so zu sichern weiß, daß weder
anderes Fürwahrhalten noch Zweifel das
Glaubensgut bedrohen kann.
.Ich rate aber weder einem Menschen,
sich der religiösen Gemeinschaft, der er
sich lebendig zugetan fühlt, zu ent‐
ziehen, noch stehe ich irgendeiner, die
Förderung seelischer Entfaltung als ihre
Aufgabe betrachtenden religiösen Or‐
ganisation als ein sie Nichtwollender
gegenüber, denn Mannigfaltigkeit ist ein
Charakteristikum göttlich-geistigen Le‐
bens, und so ist auch Mannigfaltigkeit
seelischer religiöser Formen und Auf‐
fassungen ewiger göttlicher Ordnung ge‐
mäß.
.Die Wahrheit von der einen ewigen
Wirklichkeit kann in den verschiedensten
Glaubensformeln zum Ausdruck kom‐
27 In eigener Sache
men, denn diese ewige eine Wirklichkeit
ist nicht nur selbst unendlichfältig, son‐
dern läßt sich auch aus zahllosen Aspek‐
ten betrachten.
.Gerade darum aber ‒ und das muß
offenbar aufs deutlichste betont werden ‒
richten sich meine Bücher an alle Men‐
schen und nicht nur an die in verschie‐
dene Seelenstaaten Eingegliederten. Ja,
ich muß hier entschieden erneut darauf
hinweisen, daß ich mich in erster Linie
an diejenigen meiner Nebenmenschen
wende, die sich aus irgendwelchen Grün‐
den von den ihnen angestammten Glau‐
bensgemeinschaften losgelöst haben und
nur auf eigene Verantwortung gestellt,
zu dem von ihnen geahnten ruhegeben‐
den seelischen Ziele zu gelangen suchen.
.Ich glaube, daß ihnen die Aufschlüsse,
die sie durch meine Bücher erhalten, am
nötigsten sind, denn sie sind ja Suchende
28 In eigener Sache
aus eigenem Willen und eingeständig,
nicht selbst des zielbewußten Weges
kundig zu sein.
*
.So bin ich denn von Anfang an, dem
Sinn meiner Sendung gehorsam, an den
Türen der religiös Gebundenen und der
Meinung ihrer Lehrtradition Verhafteten
mit leisem Schritt vorbeigegangen, um
keinen vorzeitig zu wecken, dem die
Stunde seines Erwachens noch nicht
geschlagen hat.
.Es gibt ja genug der Wachen und
Überwachen, denen das, was ich brachte,
Labsal wurde und aufrichtende Er‐
quickung.
.Ich hege Ehrfurcht vor der mir wesens‐
gleichen Wahrheit ewiger geistiger Her‐
kunft, auch wenn ich sie mumienhaft
umschnürt finde mit den Byssusbändern
hieratischer Überheblichkeit.
29 In eigener Sache
.Ich bin aber nicht gekommen, solcher
erdenmenschlich bedingten Selbstüber‐
hebung Hilfsdienste zu leisten.
.Wohl achte ich alles, was ich nicht
verachten muß, aber meinem erden‐
menschlichen Drang, alles dulden zu
wollen, was erdenmenschlich ist, sind
geistig gegebene Grenzen gezogen.
.Ich bin in diesen Tagen der einzige,
der mir im ewigen Geiste Gleichenden,
von dem der Welt Kunde werden kann
über alle Dinge, die das Denken über‐
dauern.
.Bresthafter Erdmensch, der sich in
seinen vielverlangenden überhellen Tagen
mannigfacher körperlicher Peinigung an‐
heimgegeben sieht, ‒ gehöre ich wahr‐
haftig nicht zu denen, die ihr körperliches
Behagen verleitet, sich über die Le‐
bensbezirke anderer Irdischer erhöht zu
wähnen.
30 In eigener Sache
.Keine einzige geistige Erfahrung im
Ewigen gelangte in mein irdisches Be‐
wußtsein, bevor sie durch das knöcherne
Sieb erdenhaft bedingter Peinigungen
durchgestoßen war.
.Das ist nicht anders möglich, denn
ewige, substantielle Geistigkeit kann in
der irdischen Sphäre sich nur dann zur
Erscheinung bringen, wenn der nunmehr
Irdische, der sich voreinst ‒ bevor die
Erde Lebendes erzeugte ‒ im Ewigen
dazu dargeboten hatte, auch im irdi
schen Willen bereit ist, alles körperliche
Leid zu ertragen, das um seiner über‐
nommenen Bereitschaft im Geiste willen
auf ihn gelegt werden muß, auf daß er es
der Seele entwerte.
.Kein Sprichwort ist so irrtumsbela‐
den, wie jenes grobmaterielle, allem See‐
lischen so fremde, das da in seiner Ah‐
nungslosigkeit meint, nur in gesundem,
31 In eigener Sache
tierhaft bedingten Körper wohne eine
gesunde Seele.
.Fast könnte man sagen, das Gegenteil
entspreche der Wahrheit, und sicher ist,
daß es gesunde Körper mit kranken oder
längst „getöteten” Seelen zu Millionen
gibt, auf allenfalls einen einzigen kranken
Körper, der Ausdrucksorganismus einer
ebenfalls kranken Seele ist. Man sollte
viel eher fragen, wie es möglich sein
könne, daß in einem physisch gesunden
Körper dennoch eine gesunde Seele
wohne?
.Das hier nun gewiß unmißverständ‐
lich Ausgesprochene sei allen denen ge‐
sagt, die sich an meinem irdischen Da‐
sein stören, weil es ihren phantastischen
Vorstellungen nicht entspricht, nach de‐
nen jeder im ewigen substantiellen Geiste
lebendig Bewußte allem Erdenleid hoch
entrückt sein müßte.
32 In eigener Sache
.Wie aber hinter dem angeführten, so
fragwürdigen Sprichwort dennoch die
Wahrheit steht, daß das Gehirn gesund
sein muß, wenn die Seele sich ihm an‐
vertrauen können soll, ohne in ihrem
Ausdruck verzerrt zu werden, so steht
auch eine Wahrheit hinter solchen phan‐
tastischen Vorstellungen, denn wahr‐
haftig vermag kein irdisches Leid eines
in seiner ewigen Geistigkeit Bewußten
ihn jemals im geistigen Bewußtsein zu
erreichen, so sehr auch sein irdisches
gehirnbedingtes Bewußtsein durch see‐
lische und körperliche Qual bedrängt
sein mag.
.Es gibt zwar auch für den im ewigen
Geiste seiner selbst Bewußten eine Mög‐
lichkeit, die Hellhörigkeit des Gehirn‐
bewußtseins für jede Schmerzmeldung
der Körpernerven wesentlich abzudämp‐
fen, aber die Ausübung solcher Praktik
33 In eigener Sache
ablenkender Konzentration ‒ die neben‐
bei gesagt, in asiatischen Ländern von
sehr vielen und keineswegs im ewigen
Geiste bewußten Menschen bis zur Vir‐
tuosität ausgebildet wird ‒ müßte not‐
wendigerweise sofort das gleichzeitig im
Irdischen, im Seelischen und im Geisti‐
gen sich erlebende Bewußtsein auf‐
heben, womit naturnotwendig die mir
obliegenden geistigen Pflichten im Irdi‐
schen unerfüllbar würden.
*
.Endlich muß ich hier nun noch vielem
Irrtum in bezug auf die Art meines
geistigen Erfahrens einiges aus der Wirk‐
lichkeit entgegenstellen.
.Ich denke nicht daran, solchen Irrtum
etwa zu bekämpfen, finde mich aber ver‐
pflichtet, soviel zu sagen, daß mich nicht
Schuld treffen kann, wenn Fehlmeinun‐
gen sich weitererhalten wollen.
34 In eigener Sache
.Obwohl ich längst genug Hinweise ge‐
geben zu haben glaube, sehe ich immer
erneut aus Äußerungen mancher Leser
meiner Bücher, daß man sich von dem
Gedanken nicht trennen kann, auch
mein Weg zur Erkenntnis müsse doch
vom irdischen Fragen und Erkennen‐
wollen ausgegangen sein, um zuletzt
zum Ewigen hinzufinden.
.Der Wahrheit entspricht aber das
Gegenteil!
.Mein geistiger Weg führte aus dem
Allerinnersten des Ewigen zum Seeli‐
schen und zuletzt ins Irdische.
.Es handelte sich auf diesem Wege
einzig und allein nur darum, seelisches
Erfühlen und irdisches, gehirnbedingtes
Erkennen allmählich aufnahmereif und
verständnisfähig für mein Geistiges zu
machen.
.Ich war niemals in meinem Irdischen
35 In eigener Sache
ein Suchender im Sinne gehirnlichen
Drängens nach Aufschluß eines dem
Denken Verschlossenen.
.Wohl aber war ich im Irdischen vor‐
einst sehr belehrungsbedürftig, bis mein
gehirnbedingtes äußeres Verstehen in
der Lage war zu erkennen, was von ihm
aufgenommen werden wollte.
.Noch heute habe ich nicht aufgehört
in dieser Art belehrungsbedürftig zu
sein, und wenn ich noch hundert Jahre
im Irdischen wäre, müßte mich mein
letzter Tag in gleichem Bedürfen finden.
.Freilich handelt es sich um sehr ver
schiedene Belehrungsbedürftigkeit, aber
gemeinsam ist ihr, daß sie nur vom ewi‐
gen substantiellen Geiste her befriedigt
werden kann und nur von meinem
ureigenen Geistigen, auch wenn mir
dabei gleichgeartete Hilfe vom Beginn
meines irdischen Verstandeserwachens
36 In eigener Sache
an zur Seite stehen mußte. Auch heute
würde mir jederzeit gleiche Hilfe, wenn
ich ihrer nicht entraten könnte.
.Man möchte nun wohl sagen, daß
jegliche Intuition und Erleuchtung von
dem Empfänger als aus dem Geistigen
kommend empfunden werde und see‐
lische oder gehirnliche Aufnahmemög‐
lichkeit voraussetze. Es handelt sich in
meinem Falle aber um anderes.
.Der Mensch, der einer Intuition teil‐
haftig wird, ist ebenso wie der Erleuch‐
tete, im Irdischen nur zum Teil auch des
Seelischen bewußt. Was er empfängt,
wird ihm von anderer Wesenheit her
dargeboten, wie immer auch das Dar‐
bietende empfunden und benannt wer‐
den möge.
.Ich aber war im ewigen Geiste mei‐
ner selbst bewußt, unvorstellbare Zeit
eher, bevor mir im Irdischen der Leib ge‐
37 In eigener Sache
boren wurde, der hier meiner auch ir‐
disch bewußt werden sollte.
.Dieses irdische Gehirn durfte nicht
das Suchen und Drängen über sich hin‐
aus kennen und mußte doch dem Ewigen
gegenüber aufnahmebereit sein, wenn
ich in ihm bewußt werden sollte, wie ich
heute meiner in ihm bewußt bin. Ich kann
in ihm allerdings nur insoweit bewußt
sein, als es mich bewußt aufzunehmen
vermag ohne seine Kräfte zu sprengen.
.Darüber hinaus bin ich meiner in mei‐
nem Seelischen und ‒ urbedingt ‒ in
meinem ewigen Geistigen allerdings ohne
alle Einschränkung bewußt.
.Die mir wahrhaftig bis ins kleinste
offenbaren irdischen Unvollkommen‐
heiten meines in Worten gestalteten
Lehrwerkes haben ihre hauptsächliche
Ursache einesteils in der Begrenzung,
der mein Bewußtsein innerhalb der Ge‐
38 In eigener Sache
hirnkräfte sich einordnen muß, anderen‐
teils in der Verschiedenfarbigkeit zeit‐
licher Perioden der Ausdruckskraft, und
müssen hingenommen werden, wie sie
sind, wenn man nicht kurzerhand auf
alles verzichten will, was ich aus dem
ewigen Geiste ins Irdische bringe.
.Mein Werk wäre unecht, würde es
neben den Merkmalen aus dem Ewigen
nicht auch die Spuren irdischer mensch‐
licher Unvollkommenheit zeigen!
.Was wahrhaft aus dem innersten
Mittelpunkt ewigen geistigen Lebens
in seiner überkosmischen Vollendung
stammt, hat niemals die Mängel irdi‐
schen Ausdrucksvermögens zu scheuen.
.„Gott hat es so gewollt” ‒ : gab Fra
Angelico den anderen Malern seiner Zeit
zur Antwort, wenn sie ihm vorschlugen,
etwas an seinen Bildern zu ändern, da‐
mit diese vollkommener würden. ‒
39 In eigener Sache
ENDE