OKKULTE
RÄTSEL
Verlagslogo
Kober`sche Verlagsbuchhandlung AG. Zürich
Der bürgerliche Name von Bô Yin Râ war
Joseph Anton Schneiderfranken
2. Auflage
Die erste Auflage erschien im Verlag
Magische Blätter, Leipzig, 1923
©
Copyright 1962 by
Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Zürich
Alle Rechte vorbehalten
Printed in Switzerland by
Schellenberg-Druck Pfäffikon ZH
INHALT Seite
1. Vorwort 7
2. Geheimes Wissen und verborgene Wissenschaft 19
3. Planetarische Hilfskräfte 39
4. Das Geheimnis der Träume 61
5. Mantische Künste 83
6. Hypnose 101
7. Die Rätsel der Zukunft 123
Originalscan
VORWORT
.Nur Eines ist not! ‒ Dieses «Eine»
suchen alle meine Schriften aufzuzeigen, und
all mein Wirken geht darauf aus, den sicheren
Weg zu weisen, der dieses «Eine» erlangen
läßt. ‒
Wenn ich nun hier in diesem Buche jedoch
von Dingen rede, die völlig anderen We
sens sind, so soll auch dies nur den Weg er
hellen helfen und vor Abwegen bewah
ren...
*
Der Suchende, der sich entschlossen hat, den
Steilpfad zu betreten, der zu den lichten
Höhen des Geistes führt, bedarf der
Hilfe, um nicht schon im Beginn seines Em‐
porsteigens die Zielrichtung zu verlie‐
ren. ‒
Sein Weg beginnt mitten im Alltag und
führt ihn erst allmählich höher und höher,
so daß es geraume Zeit währen mag, bis er
sich endlich von dem klaren, wesenhaften
Lichte reingeistigen Seins umflutet findet.
Vorher dringen noch mancherlei andere
Strahlungen auf sein Auge ein, die er wohl
9 Okkulte Rätsel
beachten möge und ihrer Art nach erken
nen lernen muß, soll er durch erdenhaftes
Licht sich nicht täuschen lassen. ‒
Nicht alles Licht, das diese Erde spendet,
ist trügerisch!
Gar manches Leuchten, das aus unsichtbaren
irdischen Regionen glüht, kann auf dem
Wege zum Geiste Hilfe bedeuten, wenn der
Suchende es recht zu nützen weiß, denn
noch ist er ja in körperhaften Banden ‒ Ge‐
setzen unterworfen, die dem gleichen Ur‐
schoß körperlichen Seins entstammen, der
auch Gesetz und Wirken jenes Leuchtens
immerdar bestimmt. ‒
«Beherrschet die Erde und machet sie
euch untertan!»
Nicht durch Mißachtung ihrer geheimen
Kräfte wird der Mensch zum Herrn der Erde,
sondern durch die Kenntnis der Ge
setze, denen sich alles Irdische beugen muß,
und durch das Wissen um seine Geistes
macht, die allem gebieten kann, was irdi‐
schen Raum erfüllt, und stets in gleichem
Grade Gehorsam finden muß, in dem sie
10 Okkulte Rätsel
selbst gehorsam jenem ewigen Walten sich
erweist, das ihres individuellen Daseins Ur
sprung ist. ‒
*
Hier wird nun von Dingen gehandelt werden,
deren Kenntnis an sich zwar keineswegs
nötig ist zur Erreichung des höchsten gei‐
stigen Zieles: der Vereinigung des eigenen
Bewußtseins mit dem wesenhaften Geiste
in uns selbst ‒ der Geburt des lebendigen
Gottes in der eigenen Seele.
Da aber die hier behandelten Dinge ebenso‐
wohl zu einem Hemmnis geistigen Strebens
werden können, wie sie anderseits den Auf
stieg zu fördern vermögen, und da mannig‐
fache Unklarheit hinsichtlich der Ursachen
herrscht, auf denen die Erscheinungen be‐
ruhen, die hier in Betracht gezogen werden,
so dürfte es allen, die zu geistigem Lichte
streben, nur zum Segen gereichen, wenn so
manches vor ihren Augen auf seine eigentli‐
chen Wurzeln zurückgeführt wird, das
ihnen bisher noch Beunruhigung schaffte,
da sie es in ihrem Weltbild nicht recht unter‐
11 Okkulte Rätsel
zubringen wußten, aber anderseits im Leben
des Alltags viel zu oft von seiner Tatsächlich‐
keit überzeugt wurden, als daß sie sein Vor‐
handensein hätten in Zweifel ziehen können.
Ich werde von recht verschiedenwertigen
Erscheinungen zu sprechen haben.
Unkenntnis setzt noch immer verborgene
Wissenschaft dem Aberglauben gleich, ohne
auch nur zu ahnen, daß durch solche Ver
wischung aller Wertgrenzen die mehr
oder weniger harmlosen, zuweilen aber auch
äußerst giftigen Pilze des Aberglaubens
erst den Boden finden, auf dem sie üppig em‐
porschießen können, aller edleren Pflanzung
Kraft und Wachstum raubend. ‒ ‒
Solchen Nährboden des Aberglaubens gilt
es auszurotten, und das kann nicht auf
bessere Weise geschehen, als durch das Frei‐
legen jener Kräfte noch wenig erforschter
Natur, deren Wirkungsart zu abergläubi‐
scher Auslegung führte, weil man ihr
wirkliches Wesen nicht erkannte. ‒
Dabei wird sich dann zeigen, daß eine frühe
Vorzeit in so manchen Dingen doch weiser
12 Okkulte Rätsel
war, als die ihres «Fortschritts» und ihrer
«Aufklärung» allzustolze Gegenwart...
Manche Erkenntnis früherer Zeiten, die noch
vor wenigen Jahren unbedenklich zum «Aber‐
glauben» gerechnet wurde, ist bereits heute
schon als wirklich begründet erkannt, aber
weit mehr noch bleibt zu prüfen, will man
verborgene Wissenschaft dauernd von
abergläubischem Wahn befreien und
aufs neue so manches Geheimnis der den
Körpersinnen verhüllten Natur der Mensch‐
heit dienstbar werden sehen. ‒ ‒
Es gilt, ohne die Fesseln der Vor-Urteile
die hier vor uns liegenden Gebiete zu betre‐
ten, wenn man finden will, was sich finden
läßt, wenn man lernen will, das Wertlose
und Täuschende von dem Echten und
Wertvollen zu scheiden. ‒
Vor allem aber gilt es, hier zu prüfen, bevor
man sich berechtigt fühlen darf, zu eigenem
Urteil zu gelangen.
Voreingenommene Ansichten und Mei
nungen, auch wenn sie sich vermeint‐
lich gegen allen Aberglauben richten, sind
13 Okkulte Rätsel
noch immer die besten Schutzwehren
für die Moderverstecke wuchernden Aber‐
glaubens gewesen! ‒
Nicht dadurch, daß man allem Dunkel aus
dem Wege geht, beweist man seine
Furchtlosigkeit vor «Gespenstern», sondern
dadurch, daß man ruhigen Blutes durch
das Dunkel schreitet und fest zuzugreifen
weiß, sobald Gespenster schrecken wollen. ‒
*
Es zeigte sich mir aber auch aus noch anderen
Gründen als geboten, von den in diesem
Buche behandelten Dingen einmal zu reden.
Manches der Gebiete, die wir betreten wer‐
den, findet bereits seit geraumer Zeit seine
tändelnden oder auch ernsthaft forschenden
Besucher.
Eine unübersehbare Literatur sehr ungleichen
Wertes beschäftigt sich mit den hier der Be‐
trachtung unterzogenen Erscheinungen.
So kommen nun diese Dinge auch gar man‐
chem nahe, der ehrlich und ernsthaft bestrebt
ist, den Weg zum reinen Geiste zu finden,
14 Okkulte Rätsel
und nur allzuoft glaubt dann der Suchende,
er habe es hier schon mit einer Offenbarung
geistiger Welten zu tun, so daß er unver‐
merkt in eine seinem Streben diametral ent
gegengesetzte Wegrichtung gerät. ‒
Andere wieder fürchten jede Beschäftigung
mit derlei Dingen und leben stets in törichten
Ängsten vor allem, was sie an eingebildeter
«Schädigung» von dieser Seite her erwar‐
ten. ‒
Den Irrtum in jeder dieser beiden Formen
soll dieses Buch endlich beseitigen helfen.
*
Wohl kann es zu einer verhängnisvollen
Umkehrung der Zielrichtung führen,
wenn der Suchende glaubt, die geheimnisvolle
Wirkung ihm verborgener erdgebundener
Kräfte als Äußerungen höchster Geistes
regionen ansprechen zu müssen, aber auf
der anderen Seite steht er nur sich selbst
im Lichte, wenn er es aus bloßer Furcht ver‐
säumt, sich über Art und Herkunft solcher
verborgener Erdenkräfte Klarheit zu ver‐
15 Okkulte Rätsel
schaffen, ‒ wenn er in tausend Ängsten lebt,
es könne ihm von dieser Seite her Unheil
drohen, ‒ statt daß er selbst auch diese
Kräfte sich zu Dienern macht, damit sie
ihm das Schreiten auf dem Höhenpfad er
leichtern, der ihn einer Sonne zuführt, die
kein Erdenauge je erblickt, ‒ die nur mit
geistigen Organen wahrgenommen werden
kann, in jenen Reichen reinster Geistig
keit, die im Allerinnersten der Seele sich
erschließen lassen. ‒ ‒ ‒
So tief «geheimnisvoll» auch die Dinge er‐
scheinen mögen, die dieses Buch zu erklären
unternimmt, so führen sie doch ausnahmslos
nicht etwa in die Reiche wesenhaften Gei
stes, gehören vielmehr alle noch der «Außen‐
welt» an, wenn auch jenem weit ausgebrei
teteren Teile der Außenwelt, der schwer er‐
faßbar ist, da er sich irdischen Sinnen nicht
ergibt. ‒
Aber ebenso, wie der zum Geiste Strebende
jene anderen Dinge der Außenwelt be
herrschen lernen muß, die ihm in jenem
kleinen Kreis-Segment gegeben sind, das
16 Okkulte Rätsel
seine Erdensinne fassen, muß er auch in der
unsichtbaren, nur dem Fühlenkönnen
noch offenen Region des äußeren Daseins
zum Herrschenden werden, wenn er nicht
will, daß Unerkanntes ihn beherrscht. ‒
Das will jedoch durchaus nicht etwa heißen,
daß jeder, der zum Geiste strebt, erst die ma‐
gischen Kräfte der Erde erforschen müßte.
Er soll nur wissen, daß diese Kräfte, sofern
ihre Auswirkung ihm irgendwie auf seinem
Wege begegnet, von ihm als Diener seines
hochgerichteten Willens benutzt werden
dürfen und daß er niemals anders an diese
Kräfte herantreten darf, als in dem Willen,
sie zwar zu gebrauchen, aber nicht sich
selbst durch sie gebrauchen zu lassen. ‒ ‒
Er gleicht einem Künstler, der höchstes
Schaffen erstrebt, der aber auch niemals ver‐
schmähen wird, sich die Umstände nutzbar
zu machen, die das Erstehen seines Werkes
fördern können. ‒ ‒ ‒ ‒
So glaube ich denn genugsam dargelegt zu
haben, was mich zu den Abhandlungen dieses
Buches bewog.
17 Okkulte Rätsel
Möge es vielen sichernde Wegmarken
zeigen, damit sie stets wieder zu ihrem Hoch
pfade finden, auch wenn sich ihnen auf irdi‐
schen Straßen schon wahrlich genug des
Wunderbaren bekunden wird. ‒
Capri, im Mai 1922.
Signatur
18 Okkulte Rätsel
GEHEIMES WISSEN
UND VERBORGENE
WISSENSCHAFT
.Wahrlich, es gibt ein geheimes Wis
sen, ‒ nur wenigen erfahrbar, und durch
allen Fleiß nicht zu erlangen für den, dem es
nicht selbst sich geben mag.
Nur was aus dieses Wissens Grund als Fol
gerung erblüht, ist mitteilbar, so daß auf
diese Art wohl mancher, zwar nicht wis
send, aber urgewisser Ahnung sicher, sei‐
nen Weg zum Geiste finden kann.
Hier angelangt an seinem höchsten Ziele,
mag ihm dann auch wahres Wissen wer‐
den!
Nur wenige sind dieses Wissens geborene Hü‐
ter und verpflichtete Diener, aber unzählige
aller Geschlechterfolgen der Menschheit wur‐
den durch diese wenigen zur sicheren Ah
nung, zum Wege und endlich zu schauen‐
dem Wissen geführt. ‒ ‒ ‒ ‒
Wer möchte so töricht sein, um erst der Be‐
lehrung zu bedürfen, daß dieses Wissen
anderer Artung ist als jede Gewißheit, die
aus Forschertrieb entsprießt, aus jener Dis‐
ziplin des Denkens, angewandt auf irdische
Erfahrung, die, allgemeinem Sprachgebrauch
21 Okkulte Rätsel
entsprechend, mit dem Namen «Wissen
schaft» bezeichnet wird?! ‒
Und dennoch gab es immer wieder wirre
Köpfe und eitle Faselhänse, die den Men‐
schen ihrer Zeit damit zu imponieren such‐
ten, sich also zu gebärden, als hätten sie ge‐
heimstes Geisteswissen selbst erlangt und
selbst zu einer «Wissenschaft» geformt,
um so es ihren Schülern, gleich den Wissen‐
schaften dieser Erde, geordnet nach System
und Regel, durch «Schulung» übertragen zu
können.
Es dürfte kaum zu hartes Urteil sein, hin‐
sichtlich solcher Mystagogen zu vermuten,
daß weder Ehrfurcht vor dem Wissen, das
der Geist der Ewigkeit allein zu geben
hat, in ihnen wohnt, noch daß sie vor der
Wissenschaft der Denker aller Zeiten
ehrerbietig lauschend zu verharren pflegen, ‒
denn wer eines dieser beiden Lichter mensch‐
lichen Erkennens jemals in die Tiefen seiner
Seele strahlen fühlte, der wird auch dem an
deren, selbst wenn es ihm noch fremd sein
sollte, ‒ gewißlich nur in schätzender Ver
22 Okkulte Rätsel
ehrung nahen und niemals die Strahlenfär‐
bung des einen mit der des anderen verwech‐
seln. ‒ ‒
Gar wohl unterscheidbar ist das Licht des
irdischen Verstandes, auch wenn es
hoher Intuition sein Leuchten dankt, von
jenem Lichte aus der Ewigkeit, das nicht
erschlossen, nicht ergrübelt, nicht bewiesen
werden kann und das sein Dasein dem nur
offenbart, der es im eigenen Sein erlangt. ‒
Ein anderes ist: «Geheimes Wissen» und
wieder ein anderes: «Verborgene Wissen
schaft».
Stets wieder und wieder suche ich den Men‐
schen meiner Zeit von jenem geheimen Wis‐
sen Kunde zu vermitteln, und wenn ich nun
heute auch, ‒ mehr von ferne deutend, als
nahe betastend, ‒ verborgene Wissen
schaft aufzuzeigen suche, so sei von vorn‐
herein bekannt, daß ich nur Klarheit
schaffen möchte und keineswegs hier etwa
Resultate wissenschaftlichen Erdenkens ge‐
ben will.
*
23 Okkulte Rätsel
Es gibt wahrlich, außer der allen offenba
ren, auch eine verborgene Wissenschaft, ‒
ja, ich könnte sagen: alle Wissenschaft, die
heute als offenbar betrachtet wird, war einst
zu irgendeiner Zeit verborgen! ‒
Wer nur die Resultate menschlichen Erfor‐
schens und Erdenkens im Laufe knapper hun‐
dert Jahre vor der Gegenwart an sich vorüber‐
ziehen lassen mag, der wird gewiß ersehen,
daß dem also ist...
So aber gibt es auch Wissenschaft, die ehedem
schon bis zu hohem Grade offenbar, wieder
zurück ins Verborgene flüchten mußte, da
toller Aberglaube sich ihrer zu bemächtigen
drohte, ja sie bereits derart in seinen Banden
hielt, daß man es fast als ein Wunder betrach‐
ten könnte, wie sie doch die Kraft noch fand,
sich ihm zu entwinden.
Eine solche Wissenschaft versucht heute wie‐
der offenbar zu werden in jener Wissensdis‐
ziplin, die als «Astrologie» in diesen Tagen so
manchen, der sie näher kennen lernt, gar
sehr zu beeindrucken vermag. ‒
Ich sehe hier eine Wissenschaft im Aufer‐
24 Okkulte Rätsel
stehen, die den erleuchtetsten Geistern der
Vorzeit Halt und Sicherheit in diesem Erden‐
leben gab, und obwohl ich selbst mich nicht
in der Lage sehe oder berufen fühle, diese
Wissenschaft als Jünger zu fördern, so kenne
ich dennoch ihre verborgensten Gesetze und
weiß aus geistigem Wissen heraus mich
ihrer zu bedienen; weiß wohl zu schätzen,
was hier zu schätzen ist...
Mancher aber, der diese Worte lesen mag,
wird hier schon mit dem Einwand kommen:
‒ man könne wohl doch nicht gut von der
«Sterndeutekunst» der Alten, die in unseren
Tagen sich neu belebt, als von einer «Wissen‐
schaft» reden.
Er wird hinweisen wollen auf die unzähligen
Charlatane, deren Anzeigen die Spalten der
Zeitungen füllen und wird es unter seiner
Würde finden, daß ich ihm hier gar von
«Wissenschaft» sprechen könne. ‒
*
‒ Ich sehe jedoch in den Spalten der Zeitun‐
gen nicht nur die Anzeigen der sogenannten
'Astrologen', sondern weit mehr noch finde
25 Okkulte Rätsel
ich da gar manche Anpreisung von sogenann‐
ten «Ärzten», von Menschen, die sich «Heil‐
kundige» nennen. ‒
Wäre es aber nicht äußerst töricht, nun des‐
halb aller ärztlichen Kunst die Wissenschaft‐
lichkeit abzusprechen?!
Hier wie dort gibt es ein mühsam erwor‐
benes, wirkliches Können auf Grund einer
wahren Wissenschaft!
Hier wie dort gibt es ein geordnetes System,
an dessen Aufstellung die erleuchtetsten Den‐
ker der Vorzeit gearbeitet haben!
Hier wie dort wird alles Verstandeswissen,
alle Erfahrung nichts vermögen, wenn nicht
eine hohe Intuition von Fall zu Fall bestimmt,
in welcher Weise die Wissenschaft der Praxis
dienen muß! ‒
Hier wie dort endlich gibt es außer den
Menschen des wissenschaftlichen Gewissens
auch gewissenlose Charlatane, die im besten
Falle glauben, selbst hoch über der Wissen‐
schaft zu stehen, meistens aber zu jener üblen
Zunft gehören, die von der Unbelehrbarkeit
gewisser Menschen lebt, ‒ besonders solcher,
26 Okkulte Rätsel
denen jegliches Denken auch dort, wo es
hingehört, an sich schon «verdächtig» ist,
weil sie selbst mit dergleichen Tun leider stets
Fiasko erlitten...
Der Vergleich zwischen der Wissenschaft
der Astrologie und der Wissenschaft
der Heilkunde ist jedoch tiefer begründet,
als daß er nur des Beispiels wegen herangeholt
wäre.
Auch die Heilkunde stand nicht seit aller Zeit
so vor uns, wie wir sie heute kennen, und
selbst heute ist sie doch wahrhaftig noch im
Werden begriffen, so daß auch ihre erfah‐
rensten Vertreter, an deren Wissenschaftlich‐
keit durchaus nicht zu zweifeln ist, viel öfter,
als ihnen lieb wäre, vor «Rätseln» stehen.
Auch die Heilkunde besitzt einen erlernbaren
Fond an Wissen und Können, ‒ und doch
macht all dieses Wissen und Können noch
lange nicht den guten Arzt. ‒
Sowohl bei der Astrologie, wie bei der ärzt‐
lichen Kunst entscheidet eben letzten Endes
die persönliche Eignung dessen, der sich
einer dieser beiden Wissenschaften widmet,
27 Okkulte Rätsel
und nie wird der Ungeeignete auf dem Gebiete
seiner Wissenschaft das derzeit Mögliche in
seiner ganzen Fülle erschöpfen. ‒
Ich kann es gut verstehen, wenn man heute
in bezug auf Astrologie als von einer «wer‐
denden» Wissenschaft reden will, ‒ jedoch
zwingt mich zu gleicher Zeit mein eigenes Er‐
kennen, alle jene zu einiger Vorsicht aufzuru‐
fen, die nur zu leicht und durch keinerlei
wirkliche Kenntnis der Materie, die hier be‐
handelt wird, beirrt, dem Streben echter
astrologischer Forschung kurzerhand über
haupt die Wissenschaftlichkeit absprechen
wollen.
Es mag zugestanden werden, daß manche der
auf diesem Gebiete Forschenden als wenig
umfassend in bezug auf die heute erreichbare
Allgemeinbildung anzusehen sind, und mehr
als sie selbst es ahnen, ihre Bildungslücken
gerade dort verraten, wo sie in naiver Weise
glauben, in ihren schriftlichen Darlegungen
sich eines sehr gelehrt klingenden Jargons
befleißigen zu müssen, statt in den Sprach‐
grenzen ihrer Sphäre zu bleiben.
28 Okkulte Rätsel
Es sei weiterhin zugestanden, daß der über‐
lieferte Sprachgebrauch der Astrologie in
heutigen Tagen oft sehr antiquiert, ja mit‐
unter abgeschmackt oder recht aber
gläubisch anmuten kann.
Was aber haben denn in aller Welt solche
Mängel mit dem wirklichen Kern der Sache,
mit der Erforschung jener Einflüsse zu tun,
die das Spezialgebiet der Astrologie aus‐
machen?!
Der Kranke, der von einem Arzt Heilung
seiner Gebresten erwartet, wird ihn doch auch
gewiß nicht von sich weisen, weil er bemerkt
hat, daß dieser des Heilens Kundige auf ande‐
ren Gebieten anderen Geschmacksrichtungen
huldigt, als er selbst.
Wer sich über Astrologie ein gesundes Urteil
schaffen will, der sehe ruhig über alles hinweg,
was mit der Sache selbst nichts zu tun hat und
achte allein auf die durch astrologische For‐
schung tatsächlich zu erreichenden und über‐
aus häufig auch wirklich erreichten Resultate!
Er wende sich nicht an Charlatane, sondern
suche die wirklich von Natur aus zu dieser
29 Okkulte Rätsel
Wissenschaft Berufenen zu erreichen, wenn
er will, daß sein «Horoskop» ihm zu einer
Richtschnur für dieses Erdenleben werden
soll! Ein solches «Horoskop» ist im Grunde
nichts anderes, als was die Wetterkarte für
den Luftschiffer darstellt.
Es zeigt mehr oder weniger getreu die Mög
lichkeiten auf, die für ein bestimmtes
Menschenleben zum Heil oder Unheil aus‐
schlagen können, lehrt Übles bekämpfen
und kann verhindern, daß der Mensch, dem
es gilt, seinem eigenen Glücke im Wege steht.
Es gibt eine getreue Diagnose der Kräfte, die
im Guten wie im Schlechten sich um ein
menschliches «Ich» gruppieren, und lehrt so
seinen Inhaber, den eigenen Seelenhaushalt
in Ordnung zu bringen.
Es zeigt deutlich drohende Gefahren auf,
denen der Mensch sich mit wachem Willen
noch entwinden kann, ebenso wie es ihn
die zeitlich begünstigten Stationen seines
Lebensweges erkennen lehrt.
Ein gutes «Horoskop» kann den mannig‐
fachsten Segen in ein Leben tragen, und nur
30 Okkulte Rätsel
der kann allenfalls durch seine Diagnose
beunruhigt werden, der lieber im Dunkeln
tappt, statt klar seine erdgegebenen Kräfte
und deren Auswirkungsart zu kennen.
Freilich muß richtige Aufklärung dafür sor‐
gen, daß man in seinem Horoskop nicht, fata‐
listisch gebunden, quasi ein Verhängnis
sieht, dem nicht zu entrinnen sei. ‒
Erst dann wird das Horoskop eine wert‐
volle Hilfe, wenn es den Willen anreizt,
gerade das zu vermeiden, was seiner
Aussage nach am meisten droht, falls nicht
durch Gegenwirkung die Kraft, die etwa
schädigen könnte, gebrochen wird. ‒
*
Ein großes Hemmnis für die Erkenntnis
astrologischer Gesetze ist bis auf den heutigen
Tag, und gerade in unserer naturwissen‐
schaftlich orientierten Zeit, die alte Theorie,
die zur Erklärung astrologischer Wirkun‐
gen dient.
Hier möchte ich aus meinem eigenen Erken‐
nen heraus einige Aufklärung geben, obwohl
ich mir bewußt bin, daß es einer gewißen
31 Okkulte Rätsel
Beweglichkeit der Einstellung seitens astro‐
logisch Forschender bedürfen wird, wenn
meine Ausführungen wirklich Klarheit brin‐
gen sollen.
Es handelt sich, wie ich ausdrücklich bemer‐
ken muß, hier keineswegs um eine neue
«Theorie», sondern um die entsprechende
reale Naturgegebenheit! ‒
*
Alle aus alter Zeit überkommenen astrologi‐
schen Lehren schienen stets den Nachgebore‐
nen auf der Annahme zu fußen, daß die ge‐
heimnisvollen Wirkungen der «Gestirne» auf
das Menschenschicksal hier enträtselt würden.
Nun wehrt sich aber, und das mit einigem
Recht, modernes, naturwissenschaftliches
Denken gegen eine Theorie, die solche enorm
starke Beeinflussung von unvorstellbar weit
entfernten Weltkörpern ausgehen läßt.
Man hat sich auch schon in alter Zeit gegen
solche Annahme gewehrt und half sich so gut
es gehen wollte, indem man jene Weltkörper
nur als physische Träger ungeheurer geistiger
Potenzen ansehen lehrte, so daß gleichsam
32 Okkulte Rätsel
von jeder physischen Wirkung abgesehen,
rein geistige Strahlen unsere Erde erreichen
sollten, denen man nun die Wirkung auf das
Menschenschicksal zuschrieb.
Die neuere Entwicklung der Astrologie läßt
es aber an der Zeit erscheinen, endlich die
wirklichen Ursachen der von ihr festge‐
stellten Wirkungen auch dort zu suchen, wo
sie tatsächlich zu finden sind, und den als ver‐
meintlichen Wirkungsfaktoren herangezoge‐
nen «Gestirnen» den einzigen Platz anzuwei‐
sen, der ihnen bei der astrologischen For‐
schung zukommt.
Es handelt sich um nichts Geringeres als die
Erkenntnis, daß die Stellung der Gestirne nur
deshalb für den Astrologen so wichtig ist, weil
sie die einzig mögliche Bestimmung ge‐
wisser Wirkungspunkte darstellt, die inner
halb der Erd-Aura zu suchen sind. ‒ ‒
Alle astrologische Forschung trägt daher,
streng genommen, einen irreführenden Na‐
men. ‒
Es handelt sich in Wahrheit gar nicht um
ein Erforschen der Natur der Gestirne, son‐
33 Okkulte Rätsel
dern um Forschungen innerhalb der Aura
der Erde, und die Stellung der Gestirne
muß allein beachtet werden, weil gewisse
Ablaufszeiten aurischer Energieströme nur
eben durch die jeweilig korrespondierende
Stellung der Gestirne feststellbar werden, da
ja dem Bewohner der Erde keine sonstigen
außerirdischen Meßpunkte zur Verfügung
stehen, als jene geometrisch geordneten Pro‐
jektionsbilder der anderen Weltkörper des
Kosmos.
Die unsichtbare Aura dieser Erde liegt nicht
nur in vielen Schichten um die Ober
fläche unseres Weltballs, sondern durch
dringt ihn bis zu seinem innersten Kern. ‒
Vom Erdinnersten aus nun entquellen in
rhythmischen Intervallen gleichzeitig ge‐
wisse Energieströme, die von innen nach
außen und sodann zurück ins Innerste
kehrend, alle Schichten der Erdaura durch‐
wandern, gleich den Meeresströmen der irdi‐
schen Ozeane. ‒ ‒
Der Rhythmus des Aussendens und Ein‐
ziehens dieser Ströme ist völlig abhängig von
34 Okkulte Rätsel
der Stellung der Erde zur Sonne, so daß in
Wahrheit die Sonne der einzige Himmels‐
körper ist, der wirklich auf irdisches Ge‐
schehen, auf Schicksale der Erdbewohner,
auch im Seelischen einwirkt, wenn auch der
Mond als ihr Reflektor dabei sehr bedeutsam
wird, denn die in Rede stehenden Ströme der
sonnenbestimmten Erdaura senden eben alle
jene Wirkungen auf das psychophysische
Leben der Menschen aus, mit denen sich die
Astrologie beschäftigt. ‒ ‒ ‒ ‒
Die Mannigfaltigkeit der genannten Ströme,
von parallelem Lauf bis zu schärfster Gegen‐
wirkung, sowie ihre vielfältige Art der Durch‐
dringung gleich jenen feinen Farbenfäden
Muraneser Gläser, läßt fast unzählig ver‐
schiedenartige Kombinationen zu, und jedes
Erdenwesen wird stets für Lebenszeit von je‐
ner Kombination die Grundstimmung
empfangen, die gerade tätig war zur Zeit und
am Orte seiner ersten Licht-Empfängnis,
obwohl es schon vom ersten Augenblick der
Zeugung an, auch im Mutterleibe solcher
Ströme Einfluß indirekt unterworfen war,
35 Okkulte Rätsel
die schließlich mitbestimmend wirkten bei
der endgültigen Formung. ‒ ‒
Je nach der Kombination der Kräfteströme
in der Erdaura, die diese Grundform gab,
werden alle nur möglichen Kombinationen
in jeder Sekunde des Erdenlebens eines so
beeindruckten Wesens durchaus besondere
Beziehungen zeigen und dadurch eben den
Lebenslauf sehr verschieden gestalten.
Der Sprachgebrauch kann solchen Einfluß an
«Gestirne» binden und deren Namen, ‒
der oft in ursächlichem Zusammenhang
mit gleichzeitig beobachteten aurischen Strö‐
men steht, ‒ zur Bezeichnung gewisser
Einflüsse verwenden, allein die Sterne sind
es wahrlich nicht, was hier auf Erden
Schicksal schafft, so sehr auch wohl bei man‐
chen astrologisch Forschenden die konsta‐
tierte Wirkung eines Kräftestromes dieser
Erd-Aura, als eng verbunden wahrgenom‐
men mit einer Konstellation der Sterne, nun
diesen selbst nach alter Lesart zugeschrie‐
ben werden mag. ‒
Auch allerälteste Weisheit wußte wohl um
36 Okkulte Rätsel
diesen wahren Zusammenhang, nur wurde
solche Erkenntnis schon in früher Vorzeit
völlig verwischt.
*
Es ist weder meine Aufgabe noch meine Ab‐
sicht, hier die letzte Begründung zu geben,
um die eherne Notwendigkeit des geschilder‐
ten Geschehens zu erweisen, aber ich ver‐
traue denen, die in der wissenschaftlichen
Erforschung astrologischer Zusammenhänge
ihre Lebensaufgabe sehen, daß sie wohl schnel‐
ler als ich es hier vermöchte, auch die äußeren
Bestätigungen geben können, durch die ihnen
besserer «Beweis» erbracht sein wird, als
durch die schönste kosmologische Beweis‐
führung. ‒
Vielleicht kann diese Erörterung bewirken,
daß sich auch endlich andere wissenschaft‐
liche Forscher, die nicht von Hause aus als
«Astrologen» gelten können, mit den so
augenfälligen Wirkungen jener Kräfte befas‐
sen, die Einzelne wie ganze Völker in ihren
Banden halten, solange, bis man endlich sie
erkennt und so zu nützen weiß? ‒
37 Okkulte Rätsel
Vielleicht wird auf diese Weise eine fast ver‐
borgene Wissenschaft wieder völlig offenbar,
und damit die Erkenntnis aufs neue gebo‐
ren, daß der Mensch der Erde nicht nur für
sein physisches Leben, sondern in gleicher
Weise auch für das Leben seiner Seele nur
insofern sorgen kann, als er der Erde Kräfte
meistern lernt, um in Freiheit aus den so
erreichbaren Kräften sich zu gestalten, zu
einer Formung, die seinen höchsten Zielen
wahrhaft entspricht. ‒ ‒ ‒
38 Okkulte Rätsel
PLANETARISCHE
HILFSKRÄFTE
.Immer mehr vertieft sich in unseren Tagen
die Erkenntnis, daß das Altertum denn
doch in sehr vielen Dingen, die einem nach‐
geborenen, allzusehr auf sein exaktes Wissen
stolzen Geschlecht als «finsterer Aberglaube»
erscheinen wollten, auf recht gesicherter,
wenn auch heute noch nicht in allen Stücken
wissenschaftlich beweisbarer Grundlage
baute. ‒
Es sind hier noch viele Schätze zu heben,
aber wer sie heben will, muß außer mancher
erlernbaren Kenntnis auch den Mut be‐
sitzen, die versinterten Petrefakte der Vor‐
zeit, allem Meinungsdünkel zum Trotz, als
das aufzuzeigen, was sie wirklich einst
waren, und auch dann wird er noch bedenk‐
liche Fehlgriffe tun, es sei denn, daß er einer
hohen Intuition die Begnadung danke,
stets richtige Deutung dort zu finden, wo
erster Augenschein den Fund als Zeugnis
wüsten Wahns bestätigt sehen möchte.
Wem wirklich daran gelegen ist, in solchen
Dingen der Wahrheit auf die Spur zu kom‐
men, der kann gar nicht Vorsicht genug
41 Okkulte Rätsel
gebrauchen, bei seinem Bemühen, Wert von
Unwert zu scheiden.
Schuttberge von Vor-Urteilen wird er sich
selbst aus dem Wege räumen müssen um nur
erst allmählich dahin zu gelangen, wo andere
vor ihm schon vor Jahrtausenden standen.
Wie sollte er Über-Sicht erlangen, bevor
er auf dem Punkte steht, der einst die Alten
anders und Anderes sehen lehrte, als
unsere Zeit mit ihrer völlig veränderten Ein‐
stellung zu sehen vermag?! ‒
Er muß in sich selbst quasi seine eigenen Vor
ahnen suchen, muß verstehen lernen, was
ihm das eigene Blut zuraunt, was dumpfes
verschollenes Sagewissen ihm noch etwa
zu sagen haben mag, und darf auch dort sich
nicht der Belehrung von vorn herein ver‐
schließen, wo neuere Wissenschaft bereits
für alle Zeiten entschieden zu haben glaubt,
um dann nach Ablauf gewisser Bindungszei‐
ten der Gehirne eben ‒ wieder anders zu
entscheiden...
So hoch wir Resultate ernster menschlicher
Denkerarbeit auch werten wollen, so zeigt
42 Okkulte Rätsel
doch Erfahrung Tag für Tag, daß selbst die
scheinbar gesichertsten Erkenntnisse noch
lange nicht fest genug verankert sind, um
nicht zu Zeiten besserer Erkenntnis weichen
zu müssen. ‒ ‒
Wer wollte hier wohl zu sagen wagen: «Wir
haben alles längst erforscht, und was dar
über reicht, das kann nur Irrtum bergen!»
‒ ? ‒
Es gibt wahrscheinlich in dem, was wir für
«sicheres Erfahrungswissen» halten, weit
mehr Irrtum, als sich die Gegenwart er‐
träumen läßt, und wer gar heute glaubt, er
dürfe, wissenssicher, alter Zeit und ihres
«Aberglaubens» spotten, der sieht nicht, wie
gerade dort, wo wir am meisten «aufgeklärt»
uns wähnen, der allerfolgenschwerste
Aberglaube nistet: ‒ der Aberglaube, daß die
Alten, mehr als wir, nur Opfer ihres Wahns
gewesen seien, daß ihrem Denken jene sim‐
plen Gegengründe sich nicht auch ergeben hät‐
ten, die heute jeder flache Kopf zu finden weiß,
wenn er Gebräuche alter Zeiten sich durch
eigenes Wissen nicht enträtseln kann. ‒ ‒ ‒
43 Okkulte Rätsel
Wir werden uns wahrlich besser nützen, wenn
wir auch ferner Vorwelt einige Logik zuge‐
stehen, zumal auch mancher Weise jener
Zeiten auf Dinge zu achten pflegte, die neue‐
res Wissen gerne «abergläubisch» nennt...
*
Zu dem, was neunmalkluger Wissensdünkel
heute längst als «überwunden» ansieht, ge‐
hört auch der Glaube aller Völker an gewisse,
Segen oder Unheil bringende Edelsteine,
wie nicht minder jener Glaube, der sich
Amulette und Talismane schuf, um Un‐
heil von dem Träger dieser Weihestücke abzu‐
halten, oder Segen auf sein Haupt herabzu‐
ziehen. ‒
Dem ersten Augenschein nach ist es wohl
verzeihlich, wenn man hier vor «törich‐
tem Aberglauben» zu stehen meint, und
gewiß ist ferner, daß der tatsächliche Aber‐
glaube aller Zonen und Zeiten auf diesem Ge‐
biete ein weites und wenig gestörtes Tummel‐
feld fand.
Die Alten waren aber nicht ganz so «leicht‐
gläubig» wie ihre fernen, übergescheiten
44 Okkulte Rätsel
Enkel vorschnell anzunehmen geneigt sind...
Die Alten wußten ebensogut wie wir ‒ wenn
nicht weit besser, zwischen berechtigtem,
wohlbegründetem Glauben und dem, was
mit Recht als Aber-Glaube gebrand‐
markt wird, zu unterscheiden.
Auch die alten Weisen pflegten nicht Dinge
gedankenlos hinzunehmen, die, aller Begrün‐
dung bar, nur im Wähnen und Vermuten
ihre Stütze finden konnten, und dennoch
wußten sie von Glück oder Unglück bringen‐
den Steinen, von Amuletten und schüt‐
zenden Talismanen. ‒
Wohl mochte die Theorie, die ihr Wissen
formte, um Wirkung wie Ursache zu erklä
ren, durch ein Weltbild bestimmt und gebun‐
den sein, das die heutige Menschheit lange
schon berichtigt findet, ‒ allein daß hier
Ursache durch Wirkung bestätigt wird, hatte
mannigfache Erfahrung ihnen hinlänglich
gezeigt, so daß sie jeden den Ignoranten und
hoffnungslosen Toren hätten zuzählen müs‐
sen, der an dieser Stelle blind geblieben wäre,
um etwa von «Aberglaube» zu reden.
45 Okkulte Rätsel
Daß sie nicht im Unrecht waren, kann jeder
ernsthafte, vorurteilsfreie Forscher bezeugen,
der sich die Mühe macht, an sich selbst und
anderen zu erproben, wie weit sich die Wir
kungen bewahrheiten wollen, von denen das
Altertum hinsichtlich solcher Dinge uns
Kunde hinterließ.
Wer so handelt, geht den einzig richtigen
Weg, und er wird auf diesem Wege, auch wenn
er jeglicher Theorie seinen Glauben versagt,
sehr merkwürdige und seltsame Erfahrungen
machen.
Er wird bald bekunden können, daß hier
wahrlich anderes vorliegt, als bloßer «Aber‐
glaube», ‒ und mehr als nur die Wirkung
eigener oder fremder «Suggestion».
Zwar können ähnliche Wirkungen durch Sug‐
gestion zustande kommen, und es mag ruhig
zugestanden werden, daß gar mancher Ein‐
fluß, den man Steinen, Talismanen und Amu‐
letten zuschrieb, sehr deutlich als Suggestions‐
einfluß nachweisbar ist; aber schließlich gibt
es ja auch «eingebildete» Kranke, und es
wird niemandem deshalb einfallen können,
46 Okkulte Rätsel
die Möglichkeit echter Krankheiten in Ab‐
rede zu stellen...
Das Auftreten einer Pseudo-Wirkung
schließt die echte Wirkung nicht aus.
Es wird vielmehr festzustellen sein, inwiefern
sich die echte Wirkung von dem bloßen
Schein unterscheidbar zeigt. ‒
Daß diese Unterscheidung sehr scharf zutage
tritt, wird jeder, der sich ein wenig mit der
Sache befaßt hat, mir bestätigen.
Auch heute sind es durchaus nicht etwa nur
phantastische Träumer, die sich mit solchen
Studien mühen.
Es gehört vielmehr sehr ernste, nüchterne
Beobachtung, zeitraubende und mühse‐
lige Arbeit sowie ein klares, kritisches Urteil
dazu, will man auf diesem der exakten Wis‐
senschaft heute noch so anrüchigen Gebiet zu
gesicherten Resultaten gelangen. Mancher
Irrtum ist zu berichtigen, aber auch manche
Wahrheit zu finden, die heute noch als Wahn
betrachtet wird.
*
47 Okkulte Rätsel
Wie sind nun aber die hier in Rede stehenden
und so geheimnisvoll anmutenden Wirkun‐
gen letzten Endes zu erklären? ‒
Darüber gab es zu allen Zeiten und je nach
den in Betracht kommenden Kulturkreisen
sehr verschiedene Theorien, und doch ist alle
Wirkung nur aus rein naturgesetzlichen Zu‐
sammenhängen ableitbar, auch wenn die wir‐
kenden Gesetze noch nicht in dem gleichen
Grade beweisbar wurden, wie etwa die Ge‐
setze der Physik. ‒
Jeder, der nur einigermaßen das Alltagsleben
zu beobachten pflegt, kann stets wieder be‐
merken, daß feiner empfindende Menschen,
für die nicht nur der reine Geldwert eines
Gegenstandes alle Wertschätzung bestimmt,
bei der Auswahl ihrer Schmuckstücke, und
seien sie noch so bescheiden, gewisse Edel‐
steinarten typisch bevorzugen.
Hier wirkt bereits, wenn auch den Wählenden
völlig unbewußt und nur durch persönliches
Gefühl sich äußernd, das planetarische
Gesetz. Uralter Weisheit waren einst alle
Zusammenhänge, um die es hier sich handelt,
48 Okkulte Rätsel
offenbar, und neueres Suchen bemüht sich
wieder, sie zu ergründen.
Es handelt sich um nichts anderes, als um
die tausendfältig verschiedenen Kräfte
ströme in der Erd-Aura, von denen be‐
reits in meiner Betrachtung über den Wert
der Astrologie die Rede war.
Dort zeigte ich, daß jedes Menschenwesen auf
diesem Erdball durch gewisse Kombina
tionen dieser Kräfteströme, ‒ so, wie sie
gerade zur Zeit seiner Geburt bestanden, ‒
für alles weitere Erleben gleichsam imprä
gniert wird, um nun in ganz bestimmter
Weise zu reagieren, so daß die fast unzähligen
Kombinationen jeder Sekunde seines Erden‐
lebens stets durch die ursprüngliche Be‐
eindruckung ihre Wirkungsform erlangen.
Zu diesen Kräfteströmen der Erdaura stehen
nun aber alle Dinge dieser Erde in Bezie‐
hung, und besonders prägnant zeigt sich
solche Beziehung in der Welt der Kristallge‐
bilde, insonderheit bei den von alter Zeit her
besonders gewürdigten ‒ Edel-Steinen...
Auch Pflanzen und Tiere sowie alle Metalle
49 Okkulte Rätsel
werden in gleicher Weise durch die genannten
Kräfteströme bestimmt. ‒
Auch hier sind die «Vorlieben» nichts
anderes, als gefühlsmäßiges Erfassen ge
setzlicher Zusammenhänge. ‒ ‒
Es ist auch nicht nur seine Seltenheit, die seit
ältesten Zeiten und bei allen Völkern der
Erde, die es kannten, dem Golde den Rang
eines grundlegenden Wertes verlieh...
Einseitige Theoretiker haben in wohlmeinend‐
ster Absicht allerlei Theorien ersonnen, um
das Gold, in dem sie die Quelle alles Unheils
auf der Erde gefunden zu haben glaubten,
endlich macht- und wertlos zu machen.
Ich zweifle wahrlich nicht an der Menschen‐
freundlichkeit solchen Bemühens, allein ich
habe allen Grund, daran zu zweifeln, daß diese
so wohlmeinenden Reformer wissen, was
sie tun? ‒ ‒ ‒
Zum Glück sind die hier erwähnten Gesetze
besser verankert, als alle solche Theorie,
und so wird denn das Gold seinen Wert auch
dann noch behaupten, wenn längst die letz‐
ten Spuren dieser Theoretiker in neuem
50 Okkulte Rätsel
Menschheitsgeschehen verlöscht sein werden.
Keine Theorie, wie «einleuchtend» sie auch
klingen mag, wird je die Tatsache aus der
Welt zu schaffen vermögen, daß jedes Volk
seinen wirklichen Wohlstand verliert,
bei dem die «Goldwährung» aufhört, de
facto zu bestehen ‒ selbst wenn es dabei
über unermeßliche Goldreichtümer in ver‐
schlossenen Kassen verfügen sollte. ‒ ‒ ‒
Es ist nötig, daß das Gold von Hand zu
Hand geht, daß auch die weniger begüterten
Kreise es noch als Schmuck tragen und an
seinem Umlauf teilnehmen, soll ein Volk
wirklich gedeihen und nicht nur gerade
noch «vegetieren». ‒
Es ist notwendig, daß sich dieser Umlauf in
materiellem Golde vollzieht, denn alle «Gut‐
schein»-Wirtschaft kann diesen materiel
len Umlauf nicht ersetzen, auch wenn die
«Deckung» überreichlich vorhanden wäre.
‒ ‒
Es ist ein Fehler, den Umlauf des materiellen
Goldes aufzuheben, und dieser Fehler muß
sich unter allen Umständen bitter
51 Okkulte Rätsel
rächen, mag man auch glauben, nur auf
solche Weise noch Schlimmeres verhüten zu
können. ‒
Wohlstand und Lebensenergie werden
in gleicher Weise schwer gefährdet durch die
aus guter Absicht erfolgte Einziehung des im
Umlauf befindlichen Goldes, sobald diese
Auslaugung des Goldes aus dem Alltagsleben
längere Zeit währt! ‒ ‒ ‒
Das sind eherne Gesetze, an denen auch der
Stärkste nicht zu rütteln wagen darf! ‒
Wer diese ganze Abhandlung versteht, der
wird auch verstehen, weshalb ich hier, mich
scheinbar von meinem Thema entfernend,
von der naturgesetzlich gegebenen Bedeutung
des Goldes rede...
*
Doch wir wollen hier nun weiter bei den
okkulten Wirkungen irdischer Dinge auf den
einzelnen bleiben, obwohl ein «Volk» letz‐
ten Endes nichts anderes ist, als eine Ge‐
samtheit vieler einzelner. ‒
In dem ersten der Bücher, die ich der Mensch‐
heit in meinen Erdentagen geben durfte, ist
52 Okkulte Rätsel
unter manchem anderen auch von «Talis
manen» die Rede.*
Dort sprach ich es deutlich aus, daß jeder
Gegenstand zu einem Talisman zu werden ver‐
möge, sobald er nur mit jenem Glauben, der
da Berge versetzt, einen Impuls des Willens
erhalte, seinem Eigner Gutes zu vermitteln.
Es ließe sich in gleichem Sinne auch von
«Talismanen des Bösen» sprechen, denn
nicht nur der ethisch Edle vermag es, in
solcher Weise einen Talisman zu schaffen,
und wenn ein Mensch einem andern Übles will,
so kann er mit gleicher Sicherheit und in glei‐
chem Glauben auch einen Gegenstand zum
Träger seines Vernichtungswillens wer‐
den lassen, kann ihn mit Willensimpulsen
«laden», die seinem Eigner alles «Übel»
bringen...
Hier aber möchte ich von einer anderen Art
der Talismane reden!
* «Das Buch vom lebendigen Gott», Verlag der Weißen Bücher, OO
Kurt Wolff-Verlag A.-G., München 1918. (Seither erschienen: OO
Neue erweiterte Fassung: Kober'sche Verlagsbuchhandlung, Basel, 1927, OO
Neuauflage Zürich 1957.)
53 Okkulte Rätsel
Es gibt auch Talismane, die nur ein Kun‐
diger der hier schon mehrfach angedeuteten
Gesetze allein zuwege bringt, ‒ Talismane,
zu deren Verfertigung sehr mühsame Arbeit
und mancherlei Studium nötig ist, so wie es
Amulette gibt, denen gleicherweise nicht
nur der Wille ihre schützende Kraft verleiht,
weil in ihnen selbst die Kräfteströme
der Erdenaura Äußerungsmöglichkeiten
finden, die nur nach streng bestimmten Ge
setzen herbeigeführt werden können.
Hier kann nur ein Kenner dieser Kräfte‐
ströme und ihrer Gezeiten als Verfertiger in
Betracht gezogen werden!
Es wird mancherlei Schwindel mit solchen
Dingen getrieben, aber das kann nicht hin‐
dern, daß aller Schwindel immer nur das
Echte für kritiklose Gemüter nachzu
ahmen sucht, daß folglich das Echte beste
hen muß, soll der Schwindel überhaupt An
laß finden, sich an des Echten Stelle zu
drängen...
Wer hier nicht unterscheiden kann, der
verdient, daß er betrogen werde!
54 Okkulte Rätsel
Wer aber noch völlig in Unkenntnis über
derlei Dinge ist, der lasse sich belehren dar‐
über, daß die Wirkungen jener aurischen
Kräfteströme, die zu allen Zeiten die Erde
durchfluten, zu gewissen Zeitpunkten und
unter gewissen Vorsichtsmaßregeln sich an
besondere Zeichen, auf besonderen Metal
len oder sonstigen Dingen, magnetisch knüp‐
fen lassen, so daß der Eigner eines solchen
Gegenstandes gleichsam in ihm einen Akku‐
mulator der Kräfte besitzt, die zu gewisser
Zeit durch eben jene aurischen Ströme in
Wirksamkeit treten. ‒ ‒
Wer hier nicht verstehend zu folgen vermag,
der möge sich vergegenwärtigen, was noch
vor hundert Jahren ein Physiker gesagt haben
würde, dem man etwa von der Möglichkeit ge‐
sprochen hätte, Lichtbilder des lebenden inne‐
ren Menschenkörpers herzustellen oder Mit‐
teilungen durch Ätherwellen um die Erde zu
senden ‒ obwohl diese Möglichkeiten für
einige wenige Menschen dieses Planeten kei‐
neswegs etwas Neues gewesen wären, weil
diese wenigen aus dem Geiste leben, dem alles
55 Okkulte Rätsel
irdisch Mögliche innewohnt, da es nur Spiege‐
lung seiner eigenen Möglichkeiten ist.
*
Man darf auch keineswegs glauben, daß der
Gebrauch der Amulette, Talismane oder
jener Edelsteine, die zur eigenen, erden‐
aurischen Schwingungszahl in harmonischem
Verhältnis stehen, von höherem geistigem Ge‐
sichtspunkt her gesehen, verwerflich wäre.
Ebenso könnte man vermuten, es sei unstatt‐
haft, zur Winterzeit einen wärmespendenden
Ofen zu besitzen. ‒
Es handelt sich bei wirklichen Amuletten,
Talismanen und wirklichen Edelsteinen
stets nur um die geeigneten und Jahrtausende
hindurch erprobten Mittel, gewisse plane
tarische Hilfskräfte für unser Erdenda‐
sein wirksam zu machen.
Wer sie für sich wirksam zu machen vermag,
sei es infolge eigener Kenntnis oder durch
Benutzung fremden Wissens, der wird stets
ebenso im Vorteil sein wie jeder, der sich die
physikalischen Hilfsmittel dieser Erde
dienstbar macht.
56 Okkulte Rätsel
Es handelt sich hier um keinerlei abenteuer‐
liche Zaubermacht und noch weniger um
rein geistige Kräfte!
Es sind lediglich unsichtbare, aber darum
keineswegs un-wahrnehmbare physische
Kräfte dieses Planeten, die sich auf solche
Weise nützen lassen.
Töricht ist nur der zu nennen, der sich sol‐
cher Hilfsmittel zur Erleichterung seines
Erdenlebens nicht bedient, ‒ sei es, daß er sie
nicht wahrhaben will, oder daß er das wenige,
was ihre Beherrschung von ihm verlangt, nicht
zu beachten vermag. ‒
Alles Irdische kann dem Geistigen, alles
Zeitliche kann dem Ewigen dienen, so‐
bald es nur in rechter Weise angewandt wird.
Wer aber in anmaßlicher Selbstgewißheit
achtlos an allem vorübergeht, was ihm Natur
an Hilfe bieten will, der darf sich wahrlich
nicht wundern, wenn ihm das Erdenleben
Hemmnis auf Hemmnis häuft, ‒ nur möge
er sich auch nicht in Klagen ergehen, da er
selbst es ist, der sich alle Erleichterung ver‐
scherzt!
57 Okkulte Rätsel
Weise wußten zu allen Zeiten auch für ihr
Geistiges zu nützen, was erdenhafter
Kräfte Wirkung ihnen gab.
Nur der Tor verlacht in eitler Selbstgefällig‐
keit, was er nicht kennt...
*
Wir gehen einer neuen Zeit entgegen, die in
unerbittlicher Gerechtigkeit die Spreu vom
Weizen sondern muß, und gar manches alte
Wissen, das heute noch entwürdigt und ver‐
achtet ist, wird in kommenden Tagen seine
Auferstehung feiern, während vieles, das uns
längst «erwiesen» schien, seine bisher unbe‐
zweifelte Geltung verlieren wird...
Aber noch immer war die Wissenschaft der
vielen vorher nur ein Wissen einzelner! ‒
Stets wurden «Naturgesetze» erst dann for
muliert, nachdem die Wirkungen, die
sie als gesetzlich begründet erweisen sollten,
längst anerkannt waren.
Wer warten will, bis alle Welt ihr «Ja und
Amen» sagt zu irgendeiner Sache, der wird
lange Zeit hindurch begnügsam sich beschei‐
den müssen, während andere, die selbst zu
58 Okkulte Rätsel
suchen und zu finden wußten, sich ihres Vor‐
teils freuen können...
Noch immer hatte man vorher die längste Zeit
hindurch als «Aberglaube» ausgeschrien, was
später sich gar wundersam und nach bester
wissenschaftlicher Weise begründet erwies. ‒
So liegt auch hier ein Feld vor uns gebreitet,
aus dem die mannigfachsten Ähren sprossen,
die alles Unkraut, das sich in der Zeiten Lauf
dazwischendrängte, nicht verkümmern kann.
Wer hier zu ernten weiß, den wird es zum
mindesten nicht gereuen!
Von Albrecht Dürer stammt das Wort:
«Die Kunst steckt in der Natur; wer sie
herausreißen kann, der hat sie!»
In gleicher Weise sind auch die mannigfach‐
sten subtilen Kräfte in der Natur ver‐
borgen und harren derer, die sie zu nützen
vermögen.
Der ärmste der Menschen besitzt hier auf
Erden einen Reichtum, von dem er sich nichts
träumen läßt!
Wollte jeder der auf Erden Lebenden sich
seiner verborgenen und von ihm selbst nicht
59 Okkulte Rätsel
gekannten Macht bedienen, dann würde
gar vieles materielle Elend des Erdenlebens
behoben sein! ‒ ‒ ‒
Aber bevor man sich einer Macht bedienen
kann, muß man sie kennen, und kennt man
sie nicht, zum mindesten an ihr Vorhanden‐
sein zu glauben fähig sein.
So ist auch hier der Glaube des Wissens Vor
läufer und findet seine Bestätigung erst in
der Erfahrung. ‒
Soweit ich also hier «Glauben» zu fordern
scheine, handelt es sich nur um die Vorbe
dingung, durch die allein solche Erfahrung
möglich wird. ‒ ‒
60 Okkulte Rätsel
DAS GEHEIMNIS
DER TRÄUME
.Unter den vielen Millionen Menschen die
auf dieser Erde leben, dürfte wohl nicht ein
einziger zu finden sein, der nicht zu irgend‐
einer Zeit, aus natürlichem Schlafe erwachend,
die Erinnerung an ein Erleben in sich emp‐
funden hätte, von dem er sich sagen mußte,
daß es unmöglich in seiner ihn umgebenden
Außenwelt sich abgespielt haben könne.
Zwar zeigte ihm seine Erinnerung, daß er
wachend und vollbewußt in solchem Erleben
sich betätigt hatte, daß die Welt, die ihn da‐
bei umgab, so real und greifbar sich erwies,
wie die altgewohnte Welt, die ihm eben beim
Erwachen wieder bewußt geworden war,
allein es fand sich keine Brücke, die den
Schauplatz des einen Erlebens mit dem des
andern verbunden hätte.
In der Welt seines Erwachens gewohnt, Orte
und Räumlichkeiten, die er vordem verlassen
hatte, wieder aufsuchen zu können, sah er
sich jenem, in der Erinnerung mit aller Deut‐
lichkeit vermerkten Erleben gegenüber außer‐
stande, aufs neue und willkürlich den gege‐
benen Erlebnisschauplatz zu betreten.
63 Okkulte Rätsel
Handlungen, die er dort vollzogen hatte,
fanden keine Folge in der Außenwelt des Er‐
wachens, Besitz, der ihm dort wohl zuge‐
hörte, hinterließ hier keinerlei Spuren, Men
schen, die dort vielleicht noch eben mit ihm
gesprochen hatten, wußte er jetzt, erwachend,
längst verstorben, Gefahren, die ihn dort
etwa in furchterregender Art bedrohen woll‐
ten, sah er jetzt durch keinerlei Gegebenhei‐
ten begründet.
Nur eines hatte jene Welt der Erinnerung
mit dieser Welt des Erwachens gemein: ‒ die
gleiche greifbare Dinglichkeit ‒ ‒ nur
eine Verbindung zwischen beiden Welten
war ihm noch geblieben: ‒ sein eigenes
Selbstempfinden, sein Bewußtsein um
das eigene «Ich». ‒ ‒ ‒
Man hat dieses seltsame Erleben, das unseres
äußeren Körpers Betätigung nicht bedarf und
Spuren nur im Inneren hinterläßt, mit
einem Namen bezeichnet und nennt es
«Traum», um so das körperlich wache
Erleben von ihm zu sondern.
Schon die ältesten Zeiten aber fanden sich
64 Okkulte Rätsel
durch solches Traum-Erleben derart beein‐
druckt, daß sie versuchten, hinter sein Ge‐
heimnis zu gelangen.
Mit ehrfurchtsvoller Scheu wurde das Traum‐
Erleben betrachtet, in dem man sich wa
chend, handelnd und genießend finden
konnte wie nur jemals in der gewohnten
Außenwelt, während der Körper dabei in
tiefem Schlafe ruhte.
Man suchte nach indirekten Zusammen‐
hängen mit der Außenwelt und erfand sich
so eine umfangreiche Symbolik, um die
Träume als Vorzeichen künftigen Geschehens
zu «deuten».
Auch neuere Wissenschaft betrat allen
Ernstes diesen Weg; nur suchte sie nicht mehr
die Zukunft durch Träume zu erhellen, son‐
dern des Träumenden eigenes Wollen und
Streben erschien ihr durch den Traum ent‐
rätselt, seine verhülltesten Wünsche er‐
schienen ihr aufgedeckt und in Traumform
offenbar geworden. ‒
*
65 Okkulte Rätsel
Im Grunde ist aber sowohl bei der alten, wie
der neuesten und streng wissenschaftlichen
Deutung der Träume nichts Wesentliches
über das Wunder des Träumens selbst
gefunden worden.
Auch alle auf physiologischer Forschung
beruhende Theorie vermag es nicht, das Ge‐
heimnis der Träume zu enthüllen, kann be‐
stenfalls nur den physischen Zustand erken‐
nen, in dem sich der äußere Erdenkörper
des Träumenden während des Traumes findet.
Und doch ist das Träumen ein höchst beach‐
tenswertes Geschehen, ‒ weit über alle psy‐
chologische und physiologische Forschung
hinaus, ‒ so daß es sich wohl verlohnen
dürfte, dieses Geschehen im Lichte reingei‐
stigen Erkennens zu betrachten.
*
Mehr als die meisten Menschen ahnen, wird
ihr sogenanntes «waches Tagesleben» durch
ihre Träume mitbestimmt. ‒
Es ist wahrlich nicht zu viel behauptet,
wenn ich hier sage, daß das Erleben der
Träume nicht weniger Anteil an der Cha‐
66 Okkulte Rätsel
raktergestaltung des Menschen hat, als sein
äußeres Erleben im Gebrauch des Erden
körpers. ‒ ‒
Auch wenn er seine Traumerinnerungen völlig
unbeachtet läßt, oder nur mit der vagen Er‐
innerung erwacht, irgend etwas geträumt
zu haben, ohne den Inhalt des Traumes in
den Lichtkegel seines Bewußtseins bringen
zu können, wird doch das Traumerlebnis
selbst seine Spuren im tiefsten, dunkelsten
Abgrund der Gedächtnisregionen: im Ge‐
dächtnis der Ganglien, in der Akkumulatoren‐
Batterie der Körperzellen, hinterlassen ha‐
ben, und ohne sich dessen irgendwie bewußt
zu sein, wird er in seinem Handeln des Ta
geslebens auf diese Weise durch Wirkungen
seiner Träume recht wesentlich beein
flußt...
Allerdings schließt sich hier ein Kreis, denn
wohl die meisten Träume die solche starken
Wirkungen üben, sind eben durch die Ge‐
danken, Strebungen, Neigungen, Wünsche
und Willensbetätigung des Menschen be
stimmt, so daß er selbst es ist, der sich im
67 Okkulte Rätsel
Träumen Verstärkungen seiner Gedan‐
ken- und Gefühlskräfte schafft, so daß ihm
der Traum gar manchen Aufschluß über sich
selber geben kann. ‒
In gleicher Weise kann jedoch auch der
Traum eine wohltätige Entlastung schaf‐
fen, indem der Träumende Erlebnismöglich‐
keiten die durch seine Veranlagung sehr wohl
auch für das äußere Tagesleben bestehen, die
er jedoch aus ethischen Gründen zu vermei
den strebt, nun im Traume aufsucht und aus‐
erlebt, so daß die Spannung in seinem Inne‐
ren aufgehoben wird. ‒ ‒
In solchen Fällen besteht dann die Rückwir‐
kung auf das Tagesleben ‒ außer der wohl‐
tätigen Entspannung ‒ meistens in einer
Empfindung, die nicht ganz unähnlich echtem
«Schuldbewußtsein» ist, und die so den Men‐
schen anspornt, nur noch entschiedener seinen
als ethisch gefordert erkannten Richtlinien
nachzustreben. Töricht aber wäre es, wollte
man sich in solchem Falle etwa moralisch
verantwortlich für seine Träume fühlen!
*
68 Okkulte Rätsel
So, wie die Wirkungen der Träume auf das
Tagesleben sehr verschieden sind, so aber
auch ihre Ursachen!
Nicht alles, was wir «Träume» nennen, er‐
schöpft sich im Bereich des Traumes.
Der echte Traum, im streng begrenzten
Sinn, besteht in den Wahrnehmungen die das
tierkörperliche Bewußtsein ‒ durch den
Schlaf, als rein physiologischen Vorgang, von
der vollen Wahrnehmung der Außenwelt ab‐
geschlossen ‒ nun im Innern des Körpers
macht und die ihm eben infolge seiner Ab‐
scheidung von der Außenwelt und ihrem
Maßstab nur in Gestalt gewisser, im Gehirn
erregter Vorstellungsbilder aufnahme‐
möglich werden.
Beeindruckungen des Körpers von Seiten
der Außenwelt, durch welche der «Sinne»
sie auch erfaßlich sein mögen, werden dabei
ausnahmslos nur in Bezug auf ihre innere
Wirkung im Körper, also gleichsam «von
innen gesehen», wahrgenommen.
Der Schläfer empfindet die Kälte der Luft um
seinen bloßgelegten Fuß, und im Inneren der
69 Okkulte Rätsel
Körperzellen wird die Erinnerung an einmal
durchwatetes kaltes Wasser wach, wodurch
im Gehirn das Vorstellungsbild sich gestaltet:
‒ «ich durchwate einen Bach», und wobei
dann durch dieses Bild eine große Anzahl mit
ihm assoziierter Bilder, je nach dem Grad der
Verknüpfung deutlicher oder verwischter,
miterweckt und so als Erleben mitempfunden
werden. ‒
Erkrankte Organe, mag auch die Erkrankung
im Wachsein des Tages noch nicht als Be‐
schwerde wahrgenommen worden sein, kön‐
nen so die Vorstellungsbilder einer Ver
letzung an der betreffenden Körperstelle
gestalten. Druck der aufgenommenen Speise
von Magen und Darm her auf gewisse Nerven‐
bahnen, die im Tagesleben durch Angst
empfindung alteriert werden, kann scheuß‐
liche Vorstellungsbilder drohender Art und
somit gräßliche Angstträume erzeugen...
Alles dies sind «echte» und unvermischte
Träume im Sinne meiner vorhin gegebenen
Definition.
*
70 Okkulte Rätsel
Nun kann aber diese Fähigkeit des Träu‐
mens, die auch das Tier besitzt, von einer Seite
her, die mit dem Traumbilden an sich gar
nichts zu tun hat, gleichsam «benutzt»
werden. ‒ ‒
Während der «echte» Traum nur innerkör‐
perliche Zellenempfindungen in ihren
Ausklängen als Vorstellungsbilder des Ge‐
hirns zu Bewußtsein bringt, können auch
Regungen der Seelenkräfte, die an sich ja
völlig außerkörperlicher Art sind, eben‐
sogut im Schlaf das Gehirn zu beeindrucken
suchen, wie sie es im Wachen zu beein‐
drucken gewohnt sind.
Die physiologische Veränderung jedoch, die
den Schlaf bewirkt, schafft gerade für jene
Kontaktstellen, von denen aus die Seelen‐
kräfte die Gehirnvorgänge zu disziplinie
ren vermögen, eine äußerst wirksame Isola‐
tion, so daß zwar das Gehirn zur Erzeugung
der in ihm latent ruhenden, durch die Seelen‐
kräfte gewollten Vorstellungsbilder erregt
werden kann, während die gleichen Seelen‐
kräfte völlig machtlos bleiben in Bezug auf
71 Okkulte Rätsel
die dadurch wachgerufenen Assoziations
bilder.
Der so von einer eigentlich traumfremden
Seite erregte Traum kann ein sehr logisch
gegliedertes Erleben zu Bewußtsein bringen,
kann aber ebensowohl, kaleidoskopartig, ein
Erlebnis noch während seines Ablaufs in ein
anderes verwandeln, oder schließlich alles
im wüsten Chaos vorbringen.
Zu dieser Art, nicht mehr rein nur im kör
perlichen Traumbereich wurzelnder
Träume, gehört alles Traumerleben, das
neuerdings von wissenschaftlicher Seite her
erforscht wird, um dadurch tiefere Einblicke
in die Psyche des Träumers zu gewinnen als
sie jemals durch seine bewußten Aussagen im
Wachzustand des äußeren Lebens zu erlangen
wären.
Hierher gehören auch die Träume des Gelehr‐
ten, der im Traume seine Forschungsaufgabe
weiter verfolgt, des Erfinders, der an seinem
Werke arbeitet, des Künstlers, dem so oft im
Traume gelingen mag, was ihm das Schaffen
im Tagesleben versagt.
72 Okkulte Rätsel
Hierher gehören aber auch die Träume, die,
beim Erwachen rückerinnernd betrachtet,
tatsächlich mitunter die Lösung schwierig‐
ster Aufgaben darstellen. ‒
Aber auch alle diese Träume bringen letzten
Endes nichts anderes zum Bewußtsein, als
was schon in irgend einer Weise Eigentum
der Psyche war und sich mit Hilfe der ins
Gehirn eingelagerten Vorstellungsbilder
zum «Erlebnis» gestalten ließ. ‒
*
Es gibt jedoch noch eine, von allem was bis‐
her hier angedeutet wurde, recht verschiedene
Art des Träumens, und vielleicht hat gerade
sie dazu beigetragen, daß der Traum den
Alten stets etwas Geheimnisvolles blieb.
Genau so, wie die Kräfte der Seele, sowohl
im Wachen, wie im Schlaf, wenn auch in recht
verschiedener Weise, die Gehirnzellen zu
beeindrucken vermögen, können auch Vor‐
stellungsbilder anderer Wesen, ‒ seien es
erdenkörperlich lebende Menschen,
seien es die Lemurenwesen des unsicht‐
baren physischen Zwischenreiches, oder
73 Okkulte Rätsel
aber hohe Geisteswesenheiten, ‒ das Ge‐
hirn des Schlafenden wie des Wachenden er‐
reichen, wobei hier jedoch die Aufnahme‐
fähigkeit des Gehirns eines Schlafenden, vor‐
ausgesetzt, daß er nicht bereits zu intensiv
durch anderweitiges Traumerleben bean‐
sprucht wird, dem Wachzustand gegenüber
erheblich gesteigert sein kann. ‒ ‒ ‒
Waren in den vorher geschilderten Fällen des
Schlafenden eigene Körperzellen oder
seine Seelenkräfte Auslöser des Traumer‐
lebens, so treten hier an diese Stelle nun
bewußte, vom Schläfer selbst individuell
verschiedene Wesen, die aus eigenem
Willen und in bewußter Absicht auf ihn
einzuwirken suchen.
Es kommt so, durch das Gehirn vermittelt,
ein Vorstellungskontakt zustande, der sehr
verschiedenen Wertes sein kann, ‒ von der
bloßen «neutralen» Übertragung gewisser
Vorstellungsinhalte bis zu fast hypnotisch
wirkendem Befehl, oder aber hohem geisti‐
gem Rat, hoher geistiger Erkenntnisver
mittelung. ‒ ‒
74 Okkulte Rätsel
Auch die dieser Erde Gestorbenen kön‐
nen, durch die Hilfe hoher Geisteswesen‐
heiten, auf diese Weise vorübergehend das
Bewußtsein der noch im Erdenkörper Leben‐
den erreichen. ‒ ‒
Alle «Wahrträume» gehören hierher, ‒
alle Warnungsträume und hohen geistigen
Traumerlebnisse, die in irgend einer Weise als
gewährte Hilfe zu deuten sind, ‒ ‒ aber
ebenso können auch in gleicher Art sehr
üble Einflüsse sich Gehör und Beachtung
verschaffen...
Hier muß der Wachende, der sich solchen Trau‐
mes erinnert, selbst zu urteilen vermögen,
und das Urteil wird ihm nicht schwer fallen. ‒
Je mehr er gewohnt ist, nach streng ethi
scher Richtschnur zu handeln, desto klarer
wird er erkennen, welcher Art der Einfluß
war, der ihn im Traum erreichte.
Auch hier handelt es sich, wie aus allem, was
ich sagte, ersichtlich ist, um keinen «echten»,
d.h. nur im eigenen Körperempfinden
beschlossenen «Traum», sondern die Fähig‐
keit des Träumenkönnens wird benutzt,
75 Okkulte Rätsel
um auf diese Weise fremde Vorstellungs‐
bilder dem Bewußtsein des Schläfers, durch
dessen eigenes Vermögen, sie zu reflektie
ren, vorzuführen. ‒
Die meisten Träume dieser Art hinterlassen
bei dem Erwachenden das Gefühl, daß es sich
hier um mehr als nur um einen «Traum»
gehandelt habe.
Man fühlt instinktiv das ordnende Be
wußtsein des fremden Traum-Senders. ‒
Aber auch hier kann Verwischung eintreten,
sei es, daß während der Vorstellungsübertra‐
gung die eigenen unberuhigten Seelenkräfte
sich geltend zu machen suchen, oder daß
physische Empfindungen des eigenen Körpers
einen 'echten Traum' dazwischenschieben.
Trotzdem läßt sich oft die eigentliche Mittei‐
lung noch in der Verwirrung erkennen, denn
die aus eigenem Lebensbereich dazwischen‐
geratenen Vorstellungsbilder werden stets
mehr oder weniger verändert, falls solche
Vorstellungsübertragung zur Zeit ihrer Gestal‐
tung am Werke war.
Es tritt dann eine Art «Übersetzung» der
76 Okkulte Rätsel
fremden Vorstellungsinhalte in symbolische
Traumerlebnisse ein, die zwar oft sehr schwer
deutbar, aber doch meistens irgendwie als
solche erkennbar ist. ‒ ‒
Wohl das berühmteste Beispiel solcher
Traumsymbolik findet sich in jenem Traum
des Pharao, den ihm, nach der biblischen
Erzählung, der junge hebräische Sklave so gut
zu deuten wußte.
Will man diese Erzählung, wenn auch nur des
Beispiels halber, als «historisch» gelten lassen,
dann dürfte auch anzunehmen sein, daß jener
Pharao der Fähigkeit zu überlegendem Den‐
ken nicht gänzlich entriet und daß unter
seinen Weisen doch wohl einige waren, die von
der Deutung traumgeborener Symbole, wie sie
in alter Zeit sehr eifrig gepflegt wurde, einiges
verstanden! ‒
Wenn ihm trotzdem seine Zeichendeuter
keine Auskunft geben konnten, während der
hebräische Jüngling sie in so klarer Weise
fand, so geht hier denn die Lehre hervor, daß
alle Deutung der Symbolik der Träume nur
durch Intuition zu erlangen ist. ‒
77 Okkulte Rätsel
‒ Der Aberglaube des Volkes hat sich seit
alter Zeit mit besonderer Neigung der Traum‐
deutung angenommen, wobei gewiß nicht be‐
stritten werden soll, daß vereinzelte Regeln
dieser vulgären Traumdeutekunst einer ge‐
wissen Beachtung typisch wiederkehrender
Traumsymbole entstammen. Es wäre gewiß
auch möglich, durch die Lebensarbeit vieler
einzelner eine gewisse Gesetzmäßigkeit
in bezug auf die Einkleidung mancher
Traumerkenntnisse in eine entsprechende
Reihe von Vorstellungsbildern aufzu‐
weisen. Vorerst aber betritt jeder, der hier Zu‐
sammenhänge erkunden möchte, sehr schwan‐
kenden Boden, so daß ich nur raten kann,
alle Träume, die sich nicht ohne Schwierigkeit
klar und eindeutig erklärbar finden, auf sich
beruhen zu lassen.
Es werden auch immer nur sehr seltene
Träume sich in die zuletzt besprochene Kate‐
gorie mit Sicherheit einfügen mögen. ‒
Immerhin kann es für den einzelnen, voraus‐
gesetzt, daß er sich genügend gefestigt weiß,
um sein Leben nicht unvermerkt unter den
78 Okkulte Rätsel
Druck eines törichten Aberglaubens zu
stellen, von mancherlei Interesse sein, wenn
er seine Träume zu analysieren und gegebenen‐
falls auch die bei ihm auftretende Traum‐
symbolik zu enträtseln suchen will.
Es gibt schlichthin nichts in unserem irdi
schen Leben, das wir nicht in einer oder der
anderen Weise dem geistigen Leben dienst‐
bar machen könnten. ‒
Das Geheimnis der Träume ist im letzten
Sinne nur so lange Geheimnis, als uns selbst
die auch hier, wie überall im Leben, streng
gesetzmäßigen Zusammenhänge nicht
offenbar sind. ‒
Wer freilich sein Traumerleben als das «Be‐
treten geistiger Welten» auffaßt, ‒ und es
gibt selbst noch in unseren Tagen Menschen,
die gar sehr zu solcher Auffassung neigen, ‒
der tauscht den Weg zur Wahrheit mit dem
Weg zum Trug. ‒
Wohl kann der geistige Organismus eines
Menschen, während sein Erdenhaftes in
tiefem Schlafe ruht, auf geistigen Planen wei‐
len und dort Erfahrungen machen, von denen
79 Okkulte Rätsel
nur ein schwacher Abglanz in der «Überset‐
zung» in Traumsymbolik sein irdisches
Bewußtsein erreicht, weil dann sein eigenes
Geistiges, das er im wachen Tageserleben
selbst noch nicht kennt, es ist, das durch
die Vorstellungsbilder seines Gehirns ihm
seine hohen geistigen Einsichten mitteilen
will.
Aber das bewußte Betreten geistiger Reiche
im geistigen Organismus, das nur den Weni‐
gen auf dieser Erde möglich ist, die schon in
diesen Reichen wirkten, ehe sie das Kleid des
Erdenleibes trugen, ist wahrlich anderer
Art, als jegliches, noch so hohes Traum‐
Erleben! ‒ ‒
Es läßt sich durch keine «Übung», keine
Anstrengung erreichen, außer von jenen We‐
nigen, die das Urlicht selbst dazu be
stimmte, damit sie die «Brückenbauer»
werden konnten für ihre im Dunkel erden‐
haften Erkennens gebundenen Brüder. ‒
Wohl aber kann jedem Menschen der Traum
ein Abbild, ein Gleichnis eines Erlebens
bedeuten, das des irdischen Körpers Be‐
80 Okkulte Rätsel
tätigung nicht bedarf und dennoch sich in
realer Gestaltung innerhalb realer Wel
ten findet...
Alles Irdische, und dazu gehört auch der
Traum, ist stets nur ein schattenhaftes Spie‐
gelbild geistigen Seins. ‒
Wer so das Geheimnis der Träume zu ergrün‐
den sucht, dem kann es zu hoher heiliger
Lehre dienen. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
81 Okkulte Rätsel
MANTISCHE KÜNSTE
.Das Wort «Mantik» bezeichnet seit den
ältesten Zeiten jegliche Art der sogenannten
«Wahrsagerei», speziell der Vorhersagung
zukünftiger Dinge.
Das Altertum kannte eine Unzahl Methoden,
durch deren Anwendung man künftiges Ge‐
schehen im voraus erkennen zu können glaub‐
te, und wenn es sich dabei auch fast aus‐
nahmslos um rein abergläubische Annahmen
handelte, so wurden doch auch zuweilen in
solcher Sucht die Zukunft zu enthüllen, Ge‐
biete berührt, die über allen Aberglauben
hinaus ihre Bedeutung haben.
Gewisse mantische Künste haben sich bis auf
die heutige Zeit erhalten, ja sie werden gerade
in der Gegenwart wieder sehr gepflegt.
Vielfach ist es nicht so sehr der Wunsch nach
Enthüllung der Zukunft, der zu ihrer Aus‐
übung führt, als vielmehr das der Zeit eigene
Streben nach Analysierung des eigenen
Seelenkomplexes.
Um dies zu verdeutlichen sei es mir verstattet,
hier das Forschungsgebiet der Graphologie
heranzuziehen, obwohl Graphologie gewiß
85 Okkulte Rätsel
nicht zu den «mantischen Künsten» zählt,
sondern als eine mit wissenschaftlicher Ge‐
nauigkeit arbeitende Forschungsmethode sich
sogar schon das Vertrauen unserer staatlichen
Rechtspflege in so hohem Maße erworben hat,
daß man sich ihrer Hilfe bereits mit Selbst‐
verständlichkeit bedient.
Eine graphologische Feststellung ist wahr‐
haftig alles andere als eine Zukunftsent‐
schleierung.
Die Graphologie oder Handschriftbeurtei‐
lungskunde zeigt vielmehr lediglich die Cha
rakterveranlagung eines Menschen aus
den unwillkürlichen Besonderheiten seiner
Handschrift auf.
Trotzdem aber ist das Interesse an der Gra‐
phologie in allen Kreisen derart groß, daß ein
auch nur halbwegs mit den Grundgesetzen
dieser psychologischen Forschungsmethode
vertrauter Mensch sich sehr hüten muß, sein
Wissen darum zu bekennen, will er nicht mit
unzähligen Bitten um Analysierung der
Handschrift überhäuft werden.
Ähnlich dürfte es auch, nach meinen eigenen
86 Okkulte Rätsel
Beobachtungen und denen anderer, um das
Interesse an den heute noch betriebenen man‐
tischen Künsten stehen. ‒
Es sind meist recht naive Gemüter, die ent‐
weder selbst diese Künste üben oder zu einem
ihrer Kundigen kommen, um etwas über ihre
Zukunft zu erfahren. Dagegen interessiert
sich zuweilen, und oft weit mehr als zuge‐
standen wird, selbst hohe Intelligenz für
solche Dinge, soweit eine Art Seelen
oder Charakteranalyse dabei in Betracht
kommt. ‒
Daß eine solche Analyse des Charakters wie
der ganzen seelischen Eigenart eines Men‐
schen auch bei den mantischen Künsten sehr
wohl möglich ist, zeigt wohl am deutlichsten
die Chiromantie, die man, ganz abgesehen
von historischem Überkommen, schon des‐
halb zu den «mantischen Künsten» zählen
muß, weil sie den Anspruch erhebt, auch die
Zukunft, ‒ und zwar nicht etwa wie die
Astrologie durch Berechnung, ‒ sondern
durch Deutung gewisser Zeichen zu er‐
hellen.
87 Okkulte Rätsel
Es läßt sich heute nicht mehr leugnen, daß die
Linien und feinen Runen der Hand eines
Menschen in sehr engem Zusammenhang mit
seiner ganzen Charakterveranlagung
stehen und es bedarf kaum einer weitläufigen
Erklärung, wieso dies möglich sein könne,
wenn man sich vor Augen hält, daß die seeli‐
schen Regungen des Menschen überhaupt nie‐
mals zum Ausdruck kommen könnten, wenn
sie nicht feinste Nerven- und Muskelfasern zu
beeindrucken vermöchten.
Gewiß ließe sich hier sagen, daß dann das
menschliche Antlitz die seelische Art eines
Menschen noch weit leichter deutbar spiegeln
müsse, und tatsächlich dürften recht viele
Menschen aus einem Gesicht weit mehr
herauszulesen fähig sein, als aus einer Hand,
aber dennoch verdient hier die Hand ent‐
schieden den Vorzug, da sie weit weniger als
der Gesichtsausdruck «gefälscht» werden
kann. ‒ ‒
Wie mancher notorische Gauner wußte sich
schon unverdientes Vertrauen durch seine
«ehrlichen Augen» zu erschleichen, während
88 Okkulte Rätsel
die Linien seiner Hände ihn dem Kundigen
unfehlbar verraten hätten! ‒
Die Handlinien sind eben auch durch die
gewiegteste Verstellungskunst nicht zu ver
ändern, und anderseits ist wieder die Hand
unstreitig der Körperteil, der nächst dem
Antlitz am stärksten durch seelische Ein‐
drücke berührt wird.
Wie man aber jegliche Sache dilettan
tisch betreiben, oder aber auch ernsthaft
erforschen kann, so lassen sich denn auch
die Runen der Hand sowohl einem sehr ein‐
dringlichen Studium unterziehen, oder nur
nach oberflächlichen Regeln schematisch
und schablonenhaft betrachten.
Es gehört selbstverständlich eine jahrelange
intensive Beobachtung vieler Hände dazu,
um auf diesem Gebiete zu einiger Erfahrung
und Sicherheit der Diagnose zu kommen.
Daß dann auch gewisse Erlebnisse der Ver‐
gangenheit eines Menschen in seinen Händen
an den hinterlassenen seelischen Spuren «ab‐
gelesen» werden können, wird man leicht ver‐
stehen. Verwickelter liegen die Dinge hin‐
89 Okkulte Rätsel
sichtlich der Ambitionen der Chiromantie,
auch zukünftige Geschehnisse voraussagen
zu wollen.
Gewiß werden einem wirklich geübten Hand‐
leser auch Anlagen und Neigungen sich ent‐
schleiern, die mit einiger Sicherheit, und wenn
kein Eingreifen rein geistiger Mächte es ver‐
hindert, ‒ zu bestimmten Resultaten hinsicht‐
lich zukünftigen Erlebens führen können.
Weiterhin lassen sich aus den Handlinien
auch die rein physische Veranlagung, wie die
mutmaßlichen Abläufe der durch den physi‐
schen Habitus der Person gegebenen Erleb‐
nisperioden im allgemeinen erkennen.
Beide Beobachtungen kombiniert können
also auch dazu führen, daß sich der ungefähre
Zeitpunkt gewißer Geschehnisse der Zukunft
angeben läßt.
Dieses Vorausbestimmen beschränkt sich
jedoch immer nur auf einen engumgrenzten
Bezirk psychophysisch bestimmter Möglich‐
keiten.
Der Chiromant, der darüber hinaus zu
sicheren und später bestätigten Angaben ge‐
90 Okkulte Rätsel
langt, verläßt bereits bewußt oder unbewußt
das Gebiet der Chiromantie, auch wenn er
von ihm ausgegangen ist, denn seine Aus‐
sagen gründen in Wirklichkeit nur zum
Teil auf Beobachtungen der Handlinien,
während ihm das Wichtigste durch den
seelischen Kontakt vermittelt wird, der
sich während der Handuntersuchung spontan
einstellt und bei dazu geeigneten Naturen zu
einer Art «Hellfühlen» führen kann.
Bei wirklich guten Handlesern, seien es nun
ausgesprochene Forscher auf ihrem Gebiete,
oder vielleicht ihres Tuns nur halbbewußte
Natur-Begabungen, werden immer alle ge‐
nannten Faktoren zusammenwirken,
ohne daß es möglich wäre, exakte Trennungs‐
linien zu ziehen.
Kombinationsgabe und Menschenkenntnis
mögen dann das Resultat noch verbessern,
und wenn es sich um höchste Leistungen
handelt, wird man stets sicher sein können,
daß eine stark intuitiv erfassende Bega‐
bung mit allen erdenklichen Fähigkeiten zu
gleich gearbeitet hat, wobei zu beachten ist,
91 Okkulte Rätsel
daß die Befähigung zu solchem intuitiven
Erkennen nicht etwa gar als Beweis einer
höheren Geistigkeit gewertet werden darf und
sich sowohl bei ethisch hochstehenden, wie bei
völlig demoralisierten Naturen finden kann.
*
Hier sind wir nun bei einer wirkenden Kraft
angelangt, die bei allen mantischen Künsten
vielleicht die bedeutendste Rolle spielt!
Ich meine die Kraft der Intuition, die nur
eine starke Anregung verlangt, um oft dem
allereinfachsten Menschen Einsichten zu ver‐
mitteln, die bislang noch durch keine exakt
wissenschaftliche Forschungsmethode will‐
kürlich zu erhalten sind.
Aber auch der gelehrte Forscher wird auf den
hier behandelten Gebieten erst dann Befriedi‐
gendes zu erreichen vermögen, wenn er es ver‐
steht, seine in ihm schlafenden intuitiven
Kräfte zu wecken, und, trotz aller bewußt
kritischen Einstellung, auf die Stimme der
Intuition zu hören.
‒ Die Erfahrungen unzähliger Menschen aus
allen Bildungsschichten wissen immer wieder
92 Okkulte Rätsel
Gelegenheiten aufzuzeigen, bei denen durch
irgend eine mantische Kunst verblüffend
richtige Resultate erhalten wurden.
Äußerlich fühlt man sich scheinbar sehr erha‐
ben über allen «Aberglauben», aber insge‐
heim wird jede obskure Pythia in den Hin‐
terhäusern der Vorstädte aufgesucht, von der
dieser oder jener zu erzählen weiß, daß sie
ihm «alles richtig gesagt» habe.
Es geht nicht an, hier wie der Vogel Strauß
die Augen in den Sand zu bergen, um nicht
zu sehen, was man nicht sehen möchte. ‒
Es ist vielmehr nötig, in allen solchen Fällen
der wirkenden Kraft auf die Spur zu
kommen, die bald da bald dort, und oft unter
sehr albern anmutenden Nebenumständen,
doch immerhin beachtenswerte Resultate
schafft. ‒
‒ Asiatische Wahrsager bedienen sich noch
heute gewisser kleiner, mit sogenannten ma‐
gischen Zeichen versehener Tafeln oder
Stäbchen, die sie in einem halbsomnam‐
bulen Zustand durcheinanderwerfen, um aus
der so erhaltenen, scheinbar «zufälligen»
93 Okkulte Rätsel
Kombination der Zeichen, dem Fragestellen‐
den Antwort zu erteilen.
In den Tempelheiligtümern tibetanischer
Klöster werden auf den Altären gleichfalls
Tafeln verwahrt, die in ihrer Gesamtheit als
«heilige Bücher» gelten, die auf alle Fragen
Antwort geben, deren Text aber nur von
Kundigen gelesen werden kann, da sie nach
bestimmten Regeln gelegt und kombiniert
werden müssen, um ihr Geheimnis zu offen‐
baren.
Im sogenannten «Tarot» der Zigeuner, dem
Urahn sämtlicher Kartenspiele, haben wir
sehr Ähnliches vor uns.
Auch hier müssen die Karten, die symbolische
Zeichen, Buchstaben und Bilder tragen, unter
bestimmten Vorbereitungen und nach be‐
stimmter Methode «gelegt» werden, um aus
der so entstandenen Kombination die Ant‐
wort auf gestellte Fragen ablesen zu können.
Die «Kartenschlägerin» oben im Dachstock
irgend einer Hinterhaus-Mietskaserne, die
dort eine Klientel empfängt, von der man
wohl sagen darf, daß sie niemals sonst solche
94 Okkulte Rätsel
Stätten der Armut zu betreten pflegt ‒ hat
in den allermeisten Fällen von der erlauchten
Ahnenschaft ihres magischen Requisits, wie
ich sie oben aufzeigte, kaum eine Ahnung.
Ihr Tun aber entspricht durchaus, ‒ von
einigen begleitenden Äußerlichkeiten abge‐
sehen, ‒ dem des chinesischen Wahrsagers,
des tibetanischen Lamapriesters, oder dem des
Okkultisten vom Schlage Eliphas Lévis,
der den Tarot befragt...
Es leuchtet ein, daß hier gleiche Verursa‐
chung zu gleichen Resultaten führt, und so
schwören denn auch die Gläubigen der euro‐
päischen Großstädte genau so auf die Orakel
ihrer mehr oder minder bedenklichen Sibyl‐
len, wie das Volk des Dalai Lama auf die
Bekundungen seiner Priesterschaft...
Trotz allem Humbug aber, der sowohl in den
östlichen wie den westlichen Gefilden dieser
Erde niemals um Gläubige verlegen zu sein
braucht, treten hier wie dort auch Resultate
zutage, die nicht durch Humbug zu erlangen
sind und zuweilen selbst recht kritiklüsterne
Seelen in ihren Bann ziehen.
95 Okkulte Rätsel
Es bleibt nicht verwunderlich, daß dem so
ist, denn aller Hokuspokus, der die ehrfürch‐
tige, abergläubische Scheu der Gläubigen er‐
weckt, ist für den Wahrsager aller dieser
Gattungen nur ein Mittel, sich selbst in
einen Konzentrationszustand zu ver‐
setzen, der ihm den seelischen Kontakt
mit seinem Anfrager möglich macht. ‒
Infolge dieses Kontakts erst vermag er es, je
nach dem Grad seiner Intuition, die Dinge
zu verkünden, die dann so maßloses Staunen
erregen. ‒
Man ahnt ja nicht, daß wir Menschen dieser
Erde alle voneinander viel mehr wissen
könnten, wenn wir es verstehen würden,
in seelischen Kontakt zu kommen und
dann die Stimme der Intuition zu erlau‐
schen. ‒
Wer immer aber eine der mantischen Künste
sozusagen «berufsmäßig» ausübt, erlangt da‐
bei auf ganz natürlichem Wege eine große
Sicherheit in der Herstellung solchen seeli‐
schen Kontaktes, erlangt mit wachsender
Erfahrung wachsende Einsichten bezüglich
96 Okkulte Rätsel
der Herbeiführung des nötigen Konzentra
tionszustandes, so daß es, in des Wortes
wörtlichster Bedeutung, wahrhaftig kein
«Wunder» ist, wenn er seinem staunenden
Gegenüber Dinge zu verkünden weiß, die der
Anfrager, gewohnt, stets in wüster Zer-streu‐
ung seiner Blickrichtung einherzustolzieren,
längst selbst nicht mehr in sich wahrzu‐
nehmen fähig ist.
Das große Staunen ist also hier nur insofern
am Platz, als es wahrlich staunenswert er‐
scheint, mit welcher Gleichgültigkeit der
Mensch des Alltags seine wundersamsten
Fähigkeiten verloren-gehen läßt, um dann
in arger Torheit vor anscheinend dunklen
Rätseln zu stehen, wenn irgend eine frühere
Abwaschfrau oder irgend ein halbzivilisierter
Asiate noch zu benützen weiß, was jeder
Sterbliche benützen könnte, wenn er nicht
völlig stumpf für alles subtilere Fühlen ge‐
worden wäre, so viel er sich auch auf sein
«sicheres Gefühl» in dieser oder jener Hin‐
sicht, einbilden mag. ‒ ‒
*
97 Okkulte Rätsel
Es wird nun oft die Frage gestellt, ob es mit
dem Streben nach höherer geistiger Entwick‐
lung vereinbar sei, sich der mantischen
Künste zu bedienen?
Ich kann darauf nur antworten, daß «denen,
die Gott lieben, alle Dinge zum Besten ge‐
reichen» müssen! ‒ ‒
Es ist lediglich eine Geschmacksfrage, die
jeder sich selbst beantworten muß, ob er seine
Lebensgestaltung durch die Orakel irgend
einer wahrsagenden Zigeunerin bestimmen
lassen will oder es mit der Achtung vor sich
selbst zu vereinbaren weiß, wenn er heimlich
«Hellseher» und Kartenschlägerinnen konsul‐
tiert, ‒ aber an sich ist solche Neugier nichts
anderes als eine törichte Schwäche, die frei‐
lich anzeigt, daß der also Handelnde noch nicht
gar weit auf dem Wege zum Geist gekommen
sein kann. ‒ Würde er diesen Weg mit einiger
Ausdauer konsequent verfolgt haben, dann
sähe er sich selbst imstande, in sich selbst
alle Antworten auf seine Fragen zu erhalten
und könnte gar nicht mehr auf den Gedanken
kommen, sich bei anderen Rat zu holen. ‒ ‒
98 Okkulte Rätsel
Es ist angesichts der tausendfachen, bei allen
Völkern der Erde vorliegenden Erfahrungs‐
beweisen schlichthin lächerlich, etwa
daran zweifeln zu wollen, daß durch Aus‐
übung mantischer Künste eine sehr erheb‐
liche, spontane Steigerung der Empfin
dungsfähigkeit für subtile Einflüsse
erreicht wird, aber es wäre ebenso lächerlich,
wollte man den magischen Requisiten der
Wahrsager eine geheimnisvolle Bedeutung
beilegen, ‒ außer der einzigen, die ihnen zu‐
kommt: ‒ Hilfsmittel zur Erreichung
des Konzentrationszustandes, Anre
gungsmittel der Intuition zu sein. ‒ ‒
Zweifellos dürfte es denn doch erheblich wün‐
schenswerter und der Würde des Menschen
entsprechender sein, wenn man solche Kon
zentration auch ohne den Firlefanz zu er‐
reichen vermag, der von der Ausübung man‐
tischer Künste fast untrennbar ist, und wenn
man seine Intuition nicht erst durch äus
sere, mitunter keineswegs unbedenk
liche Mittel erwecken muß, ‒ abgesehen da‐
von, daß die Beschäftigung mit irgendwelchen
99 Okkulte Rätsel
mantischen Künsten, auch wenn sie lediglich
als forschendes Suchen aufgefaßt wird, alle
Seelenkräfte derart in Anspruch nimmt, daß
daneben kaum noch die Möglichkeit geisti
ger Entfaltung bestehen bleiben kann. ‒ ‒
Wer den Weg zum Geiste einmal in Wahr‐
heit betreten hat, dem werden alle mantischen
Künste, ungeachtet ihrer zuweilen sehr rich‐
tigen Resultate, völlig entbehrlich sein,
denn ihm wird von alledem, was er durch
mantische Kunst erfahren könnte, stets auf
geistige Weise gerade soviel zuteil werden,
wie er braucht, um seinen Höhenweg siche‐
ren Fußes weiterschreiten zu können.
Er wird aus allem das Beste zu gestalten
suchen, mag ihm die Zukunft dunkel bleiben
oder irgendwelche Erhellung erfahren...
Stets wird er wissen, daß alle mantische Kunst
‒ ja alle Zukunftsberechnung ernsterer Art ‒
nur den gesetzlichen Ablauf physischen Ge‐
schehens zur Voraussetzung hat. Wer aber im
Geiste «neu geboren» ist, dem dienen auch
des Geistes hohe Kräfte, die gar manches
irdische Geschehen umzulenken wissen! ‒ ‒
100 Okkulte Rätsel
HYPNOSE
.Ich glaube es mir ersparen zu dürfen, hier
ausführlich zu erklären, was man unter
«Hypnose» versteht, und wie dieser abnorme
Zustand der Willens- und Bewußtseinsbin‐
dung herbeigeführt werden kann.
Es wird heute leider viel zu viel auf diesem
Gebiete experimentiert und die Erscheinun‐
gen der Hypnose werden sowohl in gelehrten
Werken, wie in den fragwürdigsten Traktät‐
chen, weitläufig und breit erörtert.
Meines Erachtens sollte man mit den Anwei‐
sungen zur Herbeiführung der Hypnose weit
vorsichtiger sein, und selbst die Beschrei
bung des hypnotischen Zustands ist nicht
ohne Gefahr. ‒
In segensreichem Sinne wirken solche Erörte‐
rungen ganz gewiß nicht, wohl aber reizen sie
die Neugierde, erwecken je nach der aktiven
oder passiven Artung des Lesers in so man‐
chem den Wunsch, entweder selbst «hypno‐
tisieren» zu können oder den hypnotischen
Zustand am eigenen Leibe zu erfahren.
Hinsichtlich des «Könnens» herrscht noch in
weiten Kreisen die Annahme, als sei der er‐
103 Okkulte Rätsel
folgreiche Hypnotiseur mit einer mysteriösen
Kraft begabt, trotzdem immer wieder ver‐
sichert wird, daß «jedermann» hypnotisieren
könne, und daß nur die Willenskraft des
Hypnotiseurs die entscheidende Rolle spiele.
In Wirklichkeit verhält sich die Sache erheb‐
lich anders!
Erstens kann nicht jeder Mensch, und mag
er die Technik der Hypnose noch so genau
kennen, den hypnotischen Zustand herbei‐
führen, selbst wenn er seinen Willen in muster‐
gültiger Weise auf sein Vorhaben zu konzen‐
trieren vermag ‒ und zweitens ist es nun
einmal keineswegs der Wille des Einen, der
hier des Anderen Willen bindet. ‒ ‒
Es gibt sehr gute Hypnotiseure, die recht
«willensschwache», zur Konzentrierung ihrer
Wünsche auf einen einzigen Willens-Impuls
fast unfähige Menschen sind, während sehr
willensfeste Menschen oft leichter in Hypnose
verfallen als andere, bei denen von «Willens‐
kraft» wirklich nicht die Rede sein kann. ‒
Hier sind vielmehr Kräfte am Werke, die mit
dem Willen recht wenig zu tun haben, und
104 Okkulte Rätsel
wenn ich oben von «Willensbindung» sprach,
so ist auch das nicht so zu verstehen, als sei
etwa der Wille selbst in irgend einer
Weise zu schwächen. ‒
Es handelt sich in Wahrheit nur darum, daß
die körperlichen Organe des Menschen,
die im Normalzustand fast ausschließlich auf
die Regungen des eigenen Willens reagie‐
ren, während sie «fremdem» Willen nur sehr
unvollkommen und nur bei Ablenkung des
eigenen Willens zugänglich sind, im Zustand
der Hypnose unfähig gemacht werden, den
eigenen Willen zu vernehmen, oder, in
leichteren Fällen nur noch sehr unvollkom‐
men auf ihn reagieren. ‒
Jegliches Hypnotisieren ist also nur eine suk‐
zessiv gesteigerte Ablösung des Gehirn- Appa‐
rats vom Willen des Gehirn- Eigners.
Da aber der Wille dem Gehirn nur durch
die dem unsichtbaren Teil der physischen
Welt zugehörigen, feinen, fluidischen
Kräfte des Körpers Eindrücke zu vermit‐
teln vermag, so bedeutet die Herbeiführung
des hypnotischen Zustandes nichts anderes
105 Okkulte Rätsel
als eine Betäubung dieser feinen, flui
dischen Kräfte. ‒
Wohl ist es ein Willensimpuls des Hypno‐
tiseurs, der als erste Ursache dieser Betäubung
in Betracht kommt, aber die Stärke dieses
Impulses ist für das weitere Geschehen eben‐
so bedeutungslos wie die Theorie, nach der
sich der Hypnotiseur die auftretenden Er‐
scheinungen zu erklären versucht. ‒
Er selbst ist es wahrlich nicht, der jene
Zustände herbeiführt, die seinem kontinuier‐
lich beibehaltenen, aber deshalb durchaus
nicht etwa mit übernormaler Kraft erfolgtem
Willensimpuls folgen! ‒
*
Die Erscheinungen der Hypnose beruhen
‒ so seltsam dies auch allen herrschenden
Theorien gegenüber klingen mag ‒ auf einer
Art «Ansteckung», nur daß hier nicht durch
Bazillen und Mikroben Krankheiten über‐
tragen werden, sondern durch Energiezentren,
die auch dem besten Mikroskop unsichtbar
bleiben, eine Lähmung der feinen flui
dischen Körperkräfte erfolgt, wodurch
106 Okkulte Rätsel
eben diese Energiezentren direkt auf das
Gehirn einzuwirken vermögen unter Aus‐
schaltung des Willens seines Eigners.
Der Hypnotiseur aber ist ein Mensch, dessen
psychophysische Konstitution besondere
Eignung besitzt, um jene Energiezentren sei‐
nen Wünschen entsprechend anzuregen, so
daß sie automatisch in der Richtung des
erhaltenen Anstoßes weiterwirken.
Es kann deshalb auch durchaus nicht «jeder‐
mann» hypnotisieren, so wenig wie jeder
Mensch etwa als spiritistisches «Medium»
erfolgreich sein wird, obwohl in beiden Fällen
Kräfte zur Auswirkung kommen, die bis zu
gewissem Grade in jedem Menschen‐
wesen sind. ‒
Die unsichtbaren Energiezentren, um die es
sich hier handelt, sind an jedem Punkte der
unsichtbaren physischen Welt zu Myriaden
vorhanden, erfüllen als homogene Masse allen
Raum, und bedürfen nur des Anstoßes durch
einen Willensimpuls, um gleichsam mit die‐
sem Impuls «geladen», dessen auswirkende
Diener zu werden, so daß es fast den An‐
107 Okkulte Rätsel
schein hat, als habe man es hier mit kleinsten
unsichtbaren halbbewußten Lebewesen zu
tun.
Sie werden auch durchaus nicht etwa nur
durch den Willensimpuls eines Hypnoti
seurs zur Tätigkeit gezwungen, sondern stets
und ständig durch jeden, noch so verborgenen
Wunsch bewegt, sobald solches Wünschen
den Willen einmal in Hörigkeit zu zwingen
vermochte. ‒
Während aber bei der Mehrzahl der Menschen
die feinen fluidischen Körperkräfte individuell
isoliert sind, so daß die Beeindruckung die‐
ser Energiezentren nur durch verhältnis‐
mäßig spärliche Infiltration erfolgt, findet man
auch anderseits ziemlich zahlreich eine psy‐
chophysische Konstitution, die fast ein In‐
einanderfließen der eigenen, feinen fluidi‐
schen Kräfte des Körpers mit besagten
Energiezentren aufweist, und dies sind dann,
‒ je nach ihrer mehr aktiven oder mehr
passiven Veranlagung, ‒ entweder die
geborenen spiritistischen «Medien» oder aber:
die geborenen Hypnotiseure. ‒ ‒
108 Okkulte Rätsel
Auch die spiritistische «Medialität» bedarf
dieser unsichtbaren Energiezentren, ‒ nur ist
dabei der «Hypnotiseur» im unsichtbaren
Teile der physischen Welt zu suchen:
das «Medium» liefert sich passiv seinen
Wünschen aus, ohne ihn zu kennen, während
bei der durch einen Menschen vorgenom‐
menen hypnotischen Betäubung eines An‐
dern, ein Sichtbarer aktiv eingreift und
sich vorübergehend aus Menschen, die an sich
durchaus nicht im spiritistischen Sinne «me‐
dial» veranlagt sind, künstlich spiritisti‐
sche Medien schafft...
Der ganze Vorgang der Hypnose ist im
Grunde nichts anderes als das, was man
«Spiritismus» nennt, ‒ nur insofern vom
landläufigen Spiritismus unterschieden, als
bei der Hypnose Menschen untereinander
sich beeinflussen, während bei der spiritisti‐
schen Sitzung der menschliche Hypnotiseur
durch eine Wesenheit des unsichtbaren Teiles
der physischen Welt vertreten wird. ‒ ‒
Spiritistischer «Trance»-Zustand und hypno‐
tische Betäubung sind zwar ihrer Erschei
109 Okkulte Rätsel
nung nach oft sehr verschieden, im Wesen
aber fast identisch, ‒ mit Hilfe der gleichen
Kräfte hervorgebracht, wenn auch die aus‐
lösenden Faktoren: ‒ hier der Impuls eines
Menschen, dort der quasi «tierhafte» Be‐
tätigungstrieb eines Lemurenwesens des
unsichtbaren Teiles der physischen Welt, ‒
sehr verschiedener Art sind. ‒ ‒
Wären dem menschlichen Hypnotiseur alle
verborgenen Zusammenhänge der Natur
ebenso entschleiert wie jenen Lemurenwesen,
so würde er gar manche «Wunder» des Spiri‐
tismus mit Hilfe der von ihm hypnotisierten
Person experimentell hervorzurufen fähig
sein, und nur jene spiritistischen Phänomene
würden sich ihm versagen, zu deren Hervor‐
bringung unter allen Umständen ein echtes
Medium nötig ist, das seinerseits, wie oben
gesagt, nur die passive Artung der gleichen
psychophysischen Konstitution darstellt, de‐
ren aktive Artung wir in jedem Hypnoti‐
seur vor uns haben. ‒
Nun ist aber der Mensch, der einen anderen
Menschen in den Zustand hypnotischer Be‐
110 Okkulte Rätsel
täubung versetzt, lediglich auf seine durch
die Erdensinne vermittelte Erkenntnis der
Natur beschränkt und vermag es weder zu
verhindern, noch auch nur zu erkennen,
daß die unsichtbaren Wesen der physischen
Welt temporär von seiner künstlich zum
«Medium» gewordenen Versuchsperson Be‐
sitz ergreifen.
So ist es möglich geworden, daß man allen
Ernstes glaubte, in den tieferen Betäubungs‐
zuständen der Hypnose der eigentlichen
Geistigkeit des Menschen zu begegnen, ‒
daß man sich gutgläubig von einem vermeint‐
lichen «überpersönlichen Unterbewußtsein»
belehren ließ und dabei nicht ahnte, daß man
im Grunde nichts anderes als spiritistische
Seancen abhielt und ehrfürchtig sich Offen‐
barungen beugte, die aus der gleichen Sphäre
stammten wie alles, was die «lieben Geister»
irgendeiner spiritistischen Gemeinde ihren
andachtsvollen Freunden zu erzählen haben,
‒ nur geschmacksgerecht gemacht für den,
dem solche Bekundung galt, wie denn jede
Manifestation dieser Zwischenwesen stets mit
111 Okkulte Rätsel
einem unerhörten Raffinement gerade den
Ton zu treffen weiß, der in einem gegebenen
Kreise verlangt wird, soll die Botschaft Glau‐
ben finden.
*
Zuerst als «Schwindel» und «Aberglaube»
bekämpft, ist die Hypnose heute ein Requisit
der ärztlichen Wissenschaft geworden, und
man glaubt allerhand Heilerfolge ihrer An‐
wendung zuschreiben zu dürfen.
Es ist nicht meine Sache, darüber zu befinden,
inwieweit diese Heilerfolge vor strenger Kri‐
tik dauernd zu bestehen vermögen.
Ich muß jedoch unumwunden aussprechen,
daß alles Heilen mit Hilfe der Hypnose unge‐
fähr dem Austreiben des Teufels durch Beelze‐
bub gleichzusetzen ist und für den praktizie‐
renden Arzt wie für den Patienten die gleichen
Gefahren in sich bergen kann. ‒ ‒
Es fragt sich denn doch noch sehr, ob das,
was man vielleicht an wirklichen, vielleicht
aber nur an scheinbaren Heilerfolgen er‐
zielt, der Heraufbeschwörung dieser Gefah‐
ren wert erscheint?!?
112 Okkulte Rätsel
Die Entscheidung darüber wird der Erfah‐
rung des Arztes anheimgestellt bleiben müs‐
sen, während ich hier nur die Gefahr kon
statieren und ihre Art bezeichnen möchte.
*
‒ Wenn nicht aus eigener Beobachtung, so
doch aus der diesbezüglichen Literatur dürfte
jedem, der sich mit den Erscheinungen des
Spiritismus näher beschäftigte, sehr wohl be‐
kannt sein, daß ein «Medium» desto leichter
in «Trance» verfällt, je öfter es experimen‐
tiert.
Die gleiche Erfahrung macht jeder Hypnoti‐
seur bei seiner Versuchsperson hinsichtlich
des hypnotischen Betäubungszustandes.
Die Energiezentren, die hier wie dort den ab‐
normalen Zustand bewirken, sind gleichsam
permanent auf Erreichung dieses Zustandes
bei der in Frage kommenden Person «ein‐
gestellt»; sie bilden eine Art magischer
Kette, die den aktiven mit dem passiven
Pol dauernd verbindet.
Die «Ebene» der Verbindung ist der un‐
sichtbare Teil der physischen Welt, zu dem
113 Okkulte Rätsel
auch jene feinen fluidischen Kräfte des Kör‐
pers gehören, durch deren Wirksamkeit reine
Willensimpulse im Gehirn zur Auslösung
kommen, ‒ durch deren Betäubung aber das
eigene «Ich» aus seiner Herrscherstellung
verdrängt wird und irgendeiner anderen
Herrschaft die Macht überlassen muß, mit
dem Gehirn zu schalten wie es ihr beliebt. ‒
Je öfter der Hypnotiseur mit seiner Versuchs‐
person, der hypnotisierende Arzt mit seinem
Patienten experimentiert, desto unzerreiß‐
barer wird die magische Kette aus unsicht‐
baren Energiezentren, die beide Pole ver‐
bindet, mag auch der eine sich vom anderen
Tausende von Meilen entfernen.
Diese magische Kette ist fast ins Unendliche
dehnbar und zerreißt um so weniger, je fester
sie durch zahlreiche vorangegangene hypno‐
tische Experimente gehärtet wurde. ‒ ‒ ‒
Es liegt ohne weiteres auf der Hand, daß so‐
wohl der Arzt bzw. der Hypnotiseur im all‐
gemeinen, wie auch der Patient oder die Ver‐
suchsperson, durch diese stete Verbindung
sehr unliebsame Einflüsse erfahren können,
114 Okkulte Rätsel
denn das Verhältnis der Pole zueinander ist
keineswegs unter allen Umständen so kate‐
gorisch gegeben, daß nicht auch zu Zeiten der
aktive Pol passiv und der passive aktiv
werden könnte...
Nur die allerwenigsten solcher Fälle von un‐
gewollter gegenseitiger Beeinflussung werden
als solche erkannt werden, obwohl bereits
deutliche Beobachtungen gelegentlich ge‐
macht wurden, die nur aus solchem Einfluß
bei permanenter fluidischer Verbindung er‐
klärbar sind.
Bewußt wird diese Beeinflussungsmöglichkeit
von seiten gewisser okkultistischer «Geheim‐
schulen» benutzt, indem der betreffende
«Lehrer» durch eine «Schulung», die in
nichts anderem besteht, als in einer konti‐
nuierlich gesteigerten Reihe mehr oder weni‐
ger verschleierter, hypnotischer Betäubungen
seines Opfers, dieses allmählich so fest an sich
bindet, daß von einer eigenen Willensbe‐
tätigung bei ihm kaum mehr die Rede sein
kann.
Ein derartiger okkultistischer Abenteurer,
115 Okkulte Rätsel
der sehr genau weiß, daß seine ganze Macht
auf dem Spiele stehen würde, wollte er auch
nur für kürzeste Zeitspannen seine krampf‐
haft beibehaltene Aktivität aufgeben, wird
allerdings auch kaum in die Gefahr kommen,
von seiten seiner so wirksam gefesselten
«Schüler» Unliebsames zu erfahren.
Der Arzt jedoch, der seine aktive Haltung
nur auf die Zeitdauer des Experimentes
beschränkt, ist niemals sicher vor unvermu‐
teten Einbrüchen des Willens seines Patienten,
‒ selbst wenn er ihn längst vergessen hat, ‒
in seinen eigenen psychophysischen Haushalt,
in sein eigenes Fühlen und Denken.
Daß dies bei den Patienten in noch weit er
höhtem Maße der Fall ist, liegt in der Natur
der gewollten gegenseitigen Beziehung.
*
Viel wichtiger jedoch als alle sozusagen «tech‐
nischen» Gefahren der Hypnose bleibt die
unumstößliche Tatsache, daß jede hypno‐
tische Betäubung, werde sie nun des Experi‐
ments oder der Heilung wegen vorgenommen,
eine Isolation zwischen Willen und
116 Okkulte Rätsel
Gehirn des Hypnotisierten schafft und daß
diese Isolation bei vielfach hypnotisierten
Personen allmählich auch ihre Nachwirkun‐
gen weit über die Zeitdauer der Hypnose
hinaus erstreckt.
Ich meine hier nicht etwa den «posthypno‐
tischen» Befehl, dessen Befolgung nur des‐
halb eintritt, weil ein Vorstellungsbild des
Hypnotiseurs, zusammen mit einer in ihm
latent vorhandenen bestimmten Zeitemp‐
findung, die fluidischen feinen Körperkräfte,
die dem Willen den Einfluß auf das Gehirn
ermöglichen, während der Hypnose seiner
Versuchsperson derart beeindruckt hat, daß
sie nach Ablauf der geforderten Zeit automa‐
tisch in Betäubung fallen und so das während
der vorangegangenen Hypnose zwar Befoh
lene, aber nicht Ausgeführte, auf Grund
des Willensimpulses des Hypnotiseurs nun
genau so geschieht als wäre es während
der hypnotischen Sitzung erfolgt.
Ich meine auch nicht jene etwa zu Heil‐
zwecken erfolgte Hemmung der Willensein‐
wirkung, durch die sich der vorher Hypnoti‐
117 Okkulte Rätsel
sierte dann im Wachzustand noch auf ge‐
raume Zeit hin zurückgehalten findet, etwa
gewissen Neigungen nachzugeben, gewisse
Befürchtungen zu hegen oder Ähnliches mehr.
Dies alles sind noch vom Hypnotiseur ge
wollte Nachwirkungen, die streng genommen
zu den Phänomenen der eigentlichen Sitzung
gehören, wenn sie auch erst später in Erschei‐
nung treten.
Die weitaus bedenklicheren Nachwir‐
kungen treten bei oftmals Hypnotisierten da‐
gegen als von keiner Seite gewollte Schädi‐
gungen auf und bestehen darin, daß es der an
ein absolut passives Mit-sich-schalten
lassen gewöhnten Person mehr und mehr
unmöglich wird, fremdem Willen, fremden sug‐
gestiven Einflüssen, nennenswerten Wider
stand entgegenzusetzen. ‒ ‒
Dagegen hilft selbst der in bester Absicht
während der Hypnose ausgesprochene Be‐
fehl des Hypnotiseurs, die Versuchsperson
dürfe sich von keinem anderen Menschen als
ihm selbst beeinflussen lassen, nicht das
mindeste. ‒
118 Okkulte Rätsel
Sie wird wohl dadurch nur sehr schwer von
anderer Seite her in hypnotische Betäu
bung zu versetzen sein, aber im Alltagsleben
wird ihr stets gehemmter Wille es nicht ver‐
mögen, das Gehirn in seiner ausschließlichen
Gewalt zu behalten.
Es wird ein Tummelplatz für alle erdenklichen
fremden Willensimpulse.
Daß ein solcher Zustand aber für die höhere
seelische Entfaltung wünschenswert wäre,
wird gewiß kein Mensch von einiger Einsicht
jemals behaupten wollen.
Überdies handelt es sich bei der Anwendung
der Hypnose zu Heilzwecken auch noch vor‐
wiegend um die Abstellung gewisser Defekte,
die eigentlich in das moralische Gebiet
gehören.
Erfolgt solche Abstellung durch den eigenen
Willen, wenn auch nach vielen Fehlschlägen
und erst in langen Zeiträumen, so ist für den
ganzen Seelenkomplex des Menschen dabei
ein hoher, positiver Gewinn zu buchen.
Der Wille erlangt auf solche Weise mehr und
mehr unumschränkte Macht über das Gehirn,
119 Okkulte Rätsel
und immer weniger werden fremde, nicht
gewollte, ja selbst in der eigenen Konsti‐
tution gegebene unerwünschte Einflüsse
dieses zu überwältigen vermögen.
Wird aber die Beseitigung solcher mehr oder
weniger in das moralische Gebiet gehöriger
Defekte durch hypnotische Einwirkung
erstrebt, so kann wohl die unerwünschte Er
scheinung schwinden, aber keineswegs ist
auf solche Weise eine seelische Förderung
erzielt, und die Macht des Willens über das Ge‐
hirn, ohne die keine wahrhafte seelische Voll‐
endung auf dieser Erde jemals möglich ist, wird
dabei sukzessive immer mehr vernichtet. ‒
*
Es erhellt aus allem, was ich hier vorbringen
konnte, und obwohl ich das Wesentliche stets
nur streifte, daß die Beschäftigung mit der
Hypnose in allen Fällen ein sehr bedenk
liches Spiel ist und wahrlich nicht weniger
Gefahren bergend, als die Ausübung spiritisti‐
scher Mediumschaft oder die Bemühung um
die Fähigkeit zur Ausübung gewisser Fakir‐
künste. ‒
120 Okkulte Rätsel
Das, was die tatsächlichen Erscheinungen der
Hypnose beweisen, genügt, um auch selbst
oberflächlichere Gemüter nachdenklich wer‐
den zu lassen, hinsichtlich der geheimnisvollen
Regionen, in denen das Innenleben des Men‐
schen sich abspielt.
Das Wissen um diese Erscheinungen kann
zu einem Hilfsfaktor bei der Gestaltung
unseres Weltbildes werden und so außer‐
ordentlich wertvoll für jeden einzelnen sein.
Niemals aber werden diese Erscheinungen
an sich der Menschheit Segen bringen und
noch weniger können sie dazu führen, dem
Erdenmenschen das Geheimnis seines
Daseins zu enthüllen! ‒
121 Okkulte Rätsel
DIE RÄTSEL DER ZUKUNFT
.Alt wie die Menschheit ist der Trieb des
Menschen, vor seinem inneren Auge kommen‐
des Geschehen im Voraus enthüllt zu erblicken,
aber noch keiner, den diese Erde trug, ver‐
mochte es, den dichten, dunklen Vorhang zu
zerreißen, hinter dem für ihn die Zukunft lag.
Hier erwarte ich sofort den Widerspruch,
denn ‒ hatten nicht alle Völker ihre Pro
pheten? ‒ Hat man nicht tausendfach
alte Kunde von Sehern, die der Zukunft
Geheimnis wußten? ‒ Sind nicht selbst in
neuester Zeit des Nostradamus Centurien
wieder hoch zu Ehren gelangt? ‒ ‒
Es ist aber nichts von alledem mir unbekannt,
und dennoch muß ich leider sagen, daß sich der
Mensch mit wenig anderen Dingen in ähnlich
unbelehrbarer Weise stets wieder selbst betro‐
gen hat, als mit dem Glauben an seine Macht,
die Zukunft restlos zu durchschauen. ‒ ‒ ‒
Es hat wohl zu jeder Zeit Menschen gegeben,
und man wird sie auch heute und in kom‐
menden Zeiten finden, denen dann und wann
Zukünftiges entschleiert wurde.
Alle Zukunft liegt ja in aller Gegenwart be‐
125 Okkulte Rätsel
schlossen, wie alle Gegenwart nur Folge aller
Vergangenheit ist.
Durch mancherlei Mittel kann solche Ent‐
schleierung dem Menschen werden.
Mantische Künste können nicht minder
auf Augenblicke intuitive Zukunftserkenntnis
wecken, wie die strahlenden Kräfte aus
der Welt des reinen Geistes, aber immer
werden es nur Fragmente künftigen Gesche‐
hens sein, die so, meist in nächtig-symboli‐
schen Bildern, sich dem Schauenden zeigen. ‒
Nie wird der Seher der Zukunft Herr über
seine Gesichte sein!
Sie werden ihm zeigen, was er nicht sehen
wollte, und was er sehnlichst zu schauen be‐
gehrt, werden sie verborgen halten. ‒
Er muß nehmen, was ihm seine Gesichte brin‐
gen und kann die Form nicht ändern, in der
sie zu ihm kommen: bald in nüchterner Klar‐
heit und Eindeutigkeit, bald in phantastisch
verschlungener Arabeskenfolge...
Er ist nur Empfänger einer fernen Kunde,
nicht der Entdecker unerforschten Landes. ‒
126 Okkulte Rätsel
Es dürfte ersichtlich sein, daß ich hier von
prophetischem Schauen rede, nicht aber
von gesetzlicher Errechnung kommender Ge‐
zeiten, wie sie verborgener Wissenschaft aller‐
dings möglich, ‒ wenn auch noch nicht rest
los möglich ist...
Es wird wenig ändern, ob man bei solcher Er‐
rechnung kommende Gezeiten durch die
Stellung der Erde im Weltenraume zu bestim‐
men suchen mag, oder ob man aus den be‐
kannten Daten irdischen Geschehens sich ein
Rechnungsnetz zu wirken weiß, um es dann
aufzuspannen und in seinen Maschen künfti‐
ges Geschehen einzuknüpfen. ‒ ‒
So unvollkommen die Methode uns heute auch
noch erscheint, so wird sie doch des Menschen
einziges, halbwegs sicheres Mittel werden, Zu‐
künftiges im Voraus zu erkennen, so wie etwa
die Wetterkundigen heutiger Tage aus der
Luftdruckmessung an verschiedenen Stellen
der Erde schon gar manches atmosphärische
Geschehen im Voraus zu bestimmen wissen,
obwohl gewiß auch hier noch Fehler unver‐
meidbar bleiben, bis Erfahrung den verschie‐
127 Okkulte Rätsel
denen Verlauf gesetzmäßig bedingter Erschei‐
nungen in seiner Folgerichtigkeit erkennt.
Auch solcher Zukunfts-Berechnung werden
zwar Grenzen gezogen sein, aber wie eng
diese Grenzen auch bemessen sein mögen, so
wird das durch sie umhegte Gebiet doch mit
relativer Gewißheit erforschbar blei‐
ben und so der Menschheit immer noch mehr
Nutzen bringen, als jedes orakelmäßige und
völlig dem Willen des Sehers entzogene Zu‐
kunftsschauen, obwohl auch dieser «Nutzen»
für höhere Einsicht entbehrlich ist. ‒ ‒
*
Irrige Spekulation hat sich zu der Anschau‐
ung verstiegen, als sei alle irdische Zeit vor
einem ewigen Auge stete Gegenwart.
So konnte das monströse Gedanken-Gebilde
entstehen, das alle Zeit wie einen aufgerollten
Film betrachten lehrte, den man nur abzu‐
kurbeln brauche, um jeweils den gewünschten
Zukunftsbildern zu begegnen.
Hochweiser Wissensdünkel hat in selbstge‐
fälliger Breite solche Pseudoerkenntnis aus‐
gesponnen und das Heer der Eintagsfliegen
128 Okkulte Rätsel
vor der Nachtlampe intellektuellen Wahns
verfing sich so in diesem Spinnennetz, daß
jeder, der es verschmäht an ihm seinen Halt
zu suchen, voll hochmütigen Mitleids ver‐
achtet wird.
Aber die unerbittliche Wirklichkeit fragt eben‐
sowenig nach den Resultaten gedanklicher
Spekulation, wie nach den wüsten Phanta‐
stereien des Aberglaubens.
Sie ist in sich selbst begründet und spottet
jeglicher Theoreme, die sie erklärbar machen
möchten.
Wer sich von dem Blendwerk eitler Lehrsätze
täuschen läßt und nicht den Mut gewinnt,
der Wirklichkeit selbst ins Auge zu
blicken, wird stets mit seinen Gedanken am
Gängelbande des Irrtums hängen.
*
Wohl ist auch die fernste Zukunft in der Ge‐
genwart enthalten, aber auch ewigem
Auge noch nicht gegenwärtig, sondern
nur erschaute Folge gegenwärtigen Ge‐
schehens. ‒ ‒
Da alle Erscheinung nur Ausdruck wirken
129 Okkulte Rätsel
der Kräfte ist, so kann auch zukünf
tiges Kräftewirken stets nur als Erschei
nung dem Bewußtsein nahekommen, woher
es sich erklärt, daß Zukunftsschau die Bilder
künftigen Geschehens sieht, als wären sie be‐
reits in irgend einer Region vorhanden. ‒
Dadurch konnte dann der Irrtum entstehen
als sei alle Zukunft «ewige Gegenwart», und
blutleeres Denken suchte solchem Irrtum
Fundament zu unterbauen...
*
Es ist schwer für menschliche Gehirne, sich
anthropomorphem Denken zu entwinden,
und so fand die Meinung Raum, als müsse es
irgend eine Weltlenkung geben, der jegliches
Geschehen bis zu den fernsten Ewigkeiten
in jedem Augenblick entschleiert sei.
Man konnte sich nicht zu den freien Firnen‐
höhen der Wirklichkeit erheben, um von
dort aus zu erspähen, was Wahn und was
Wahrheit ist. ‒ ‒
Die Weltlenkung, die man gedanklich er‐
schlossen hatte, ist wahrlich gegebene Wirk‐
lichkeit, aber sehr wesentlich von dem Wahn‐
130 Okkulte Rätsel
bild verschieden, das in sich selbst leerlaufen‐
des Denken sich entwarf. ‒
Das, was man «Allbewußtsein» nennen
könnte, ist stets nur ein bewußtes Sein des
Augenblicks, der Folge aller Myriaden
Augenblicke vorher, ‒ der Zeugender für
alle Myriaden Augenblicke nachher ist. ‒ ‒
«Der Geist aber ergründet alles; auch die Tie‐
fen der Gottheit», und so ist es dem Geiste
zwar möglich, durch Errechnung, durch
Erschließung und in tiefster Selbstver
senkung durch das Innewerden seines eige‐
nen Gesetzes sich das künftige Geschehen vor‐
her zu entschleiern, allein die Sehnsucht sol‐
chen Wissensdranges ist nur gottes-fernem
Geiste vorbehalten, und jene höchste Wirk‐
lichkeit, die sich als Urlicht in sich selbst
erkennt, als Ursprung alles Seins und alles
Daseins Krone, ‒ erfaßt sich selbst von Ewig‐
keit zu Ewigkeit nur stets als vollbewußtes
Sein des Augenblicks, ‒ kennt keinen
Drang, in sich Vergangenes zu suchen,
noch durch das Wissen um Zukünftiges
die absolute Harmonie des All-Erfassens,
131 Okkulte Rätsel
die der Augenblick ihr bietet, zu zerstö‐
ren. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Hier merke auf, wer zu hören ver
steht! Es sind viele falsche Folgerungen aus
den irrigen Grundprämissen über «Gott» und
«Göttliches» gezogen worden, weil man vor
die Wirklichkeit ein Gedankenbild
schob, um es als Götze zu verehren, und dann
hinwieder, wenn es sich als machtlos zeigte,
mit ihm zu hadern oder gar es seiner Götzen‐
herrlichkeit verlustig zu erklären.
Erst wenn dieses Bild, das man sich schuf,
es anzubeten, für alle Zeit vernichtet ist,
kann wieder «Gott» in seiner Wirklichkeit
zur Menschheit reden! ‒ ‒ ‒
Dann aber wird auch der Mensch zu lernen
wissen, dem Augenblick in voller Kraft zu
leben und jeder Drang nach Erforschung der
Zukunft wird ihn verlassen.
*
Die Nützung des Augenblicks erhebt den
Menschen in Göttliche Lebensform!
Die Myriaden Augenblicke, die schon sein
irdisches Leben bilden, werden sich dann,
132 Okkulte Rätsel
einer Schnur kostbarer Perlen gleich, anein‐
anderreihen, bis er dereinst im Leben der
Ewigkeit sich in dem steten gleichen Au‐
genblick findet, der ewiges Erleben in sich
schließt, ‒ dem Kleinod in der tausend
blättrigen Lotosblüte. ‒ ‒ ‒
«OM MANI PADME HUM!»
133 Okkulte Rätsel
ENDE