PSALMEN
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Verlag der Weißen Bücher München
1.-5. Tausend
Gedruckt im Jahre 1924 bei Emil Herrmann sen., Leipzig
Copyright 1924 by Verlag der Weißen Bücher, München
Printed in Germany
INHALT Seite
Inferno 9
Erlösung 19
Erkenntnis 29
Verheißung 41
Befreiung 51
Erfüllung 57
Originalscan
NICHT VON SEINEM EIGENEN WEGE
KÜNDET DER SCHREIBENDE!
ER GAB NUR FORM DEN WORTEN DES
SUCHENDEN, DEN ER AUS DER FIN‐
STERNIS ZUM LICHTE IN DER LIEBE
FÜHRTE.
HIER SOLL DER SCHÜLER DURCH DEN
MUND DES LEHRERS SPRECHEN.
OO
DER SCHÜLER, SOWIE ER TAUSEND
FACH BEREITS IN DER WELT ZU FINDEN
IST IN DIESEN TAGEN!
8 Psalmen
Die Stimme des Suchenden
ist es, die allhier vernommen wird:
9 Psalmen
INFERNO
DUNKEL ist um mich her und grauenvolle
Finsternis!
Wo finde ich Licht?!?
Wo finde ich auch nur einen Strahl des Lichtes?!?
Wo zeigt sich mir auch nur das fernste Leuchten?!?
Ach, ich bin eingeschlossen in Dunkelheit und
es ist kein Weg zu finden der mich aus der Düster‐
nis zum Lichte führen könnte!
*
Gibt es denn „Licht”??!
*
Höllische Antwort nur wird mir auf meine
Frage und weiß mir zu sagen:
Du eitler Tor!”
Der Finsternis entsprossen und dazu geboren,
eine kurze Spanne Zeit in Finsternis dein Spiel zu
treiben: ‒ bemerkst du noch nicht, daß auch dein
Traum vom Lichte nur ein Gaukelspiel deiner
Wünsche ist!? ‒
Spreize und strecke dich soviel du magst, aber
wähne nicht, daß es dir vorbehalten sei das Licht
zu finden!”
*
Ach, so ist denn Lüge das Licht??...
11 Psalmen
So ist denn Lüge alle Hoffnung einst das Licht
zu finden??...
So ist denn Lüge in mir selbst was mich zum Lichte
zog???...
Fluch dieser Lüge die mich höhnisch narrte!!
Fluch diesem Wahn der Torheit, der mich er
reichbar wähnen ließ, was niemals zu erreichen
ist!!!
Lange genug war ich nun meines Wähnens gequälter
Sklave!
Mögen mir alle ferne bleiben hinfort die mir noch
vom „Lichte” reden wollen!
Ich will weiser sein als sie, die noch den Traum von
der Erfüllung ihres Wunsches träumen! ‒ ‒
Erwacht bin ich endlich aus solchem Träumen und
weiß mich als Geburt der Finsternis in kurzem
Dasein, bis mich die Finsternis verschlingt!...
Erstorben sei mir die Klage über mein Los!
Nicht mehr will ich der Finsternis mich zu ent
winden suchen!
Ich will mich hinfort in alle dunkelwarme Wollust
stürzen die mir die Finsternis gewähren mag!
Gepriesen seiest du, düstere Nacht der Nicht
erkenntnis, die du meinem Auge gütig zu
12 Psalmen
verbergen weißt, was mich fürder schrecken
könnte!...
In der Finsternis aus der ich stamme, will ich mir
mein wohlumhegtes Dunkeldasein schaffen, das
mir kein Traum vom Lichte stören soll!...
*
Aber noch während ich fluche allem Lichte und
mich selbst der Finsternis gelobe, irrt meine Worte
eine andere Stimme die in mir reden will...
Mich aber soll sie nicht äffen können!
Ich fühle: ‒ sie will mich mit irgendeiner Torheit
dazu verleiten, daß ich, der ich endlich völlig finster
wurde, mein Gelöbnis breche, das ich der Finster
nis schwur.
Ich will sie dennoch hören, diese Stimme, um sie
am Ende ihrer Rede zu verlachen!
Ich will mich selbst an ihr erproben und mir selbst
vor ihr beweisen, daß ich nun nicht mehr zu be‐
tören bin!...
So möge sie denn reden!
Ich höre!...
*
Ach, was ich höre ist mir nur zu sehr vertraut!
13 Psalmen
Schon zum Voraus muß ich diese Stimme verlachen!
Sie redet mir von frühen Tagen: ‒ von der holden
Zeit der frommen Jugendgaukelbilder, da man mir
einst von einem sprach, der selbst „die Liebe” sei...
Ihn, den kein Name würdig nennen könne, will sie
mir wieder ins Gedächtnis rufen, das ihn gern ver‐
gessen hat...
O Torheit über Torheit!
*
Und dennoch fesselt mich hier eines das ich nicht
enträtseln kann. ‒
Ein unerfaßliches Fühlen will mich wieder in mir
selbst erregen, ‒ das ich einst fühlte, als ich ihm,
von dem sie sagten, daß er selbst die Liebe sei, zu
nahen suchte in der Liebe...
Wie soll ich mir dieses Fühlen deuten, das so mir
wiederkehren will, nachdem ich längst ihm ent
sagte um der Erkenntnis willen?! ‒
Ach, bin ich verdammt ein Tor zu bleiben, der sich,
in seinen Schlüssen eingeschlossen, stets im Kreise
drehen muß!!? ‒ ‒
Eben noch habe ich meiner Erkenntnis reifste
Frucht gepflückt, und nun schon faßt mich dieses
Unerfaßliche und will die Frucht, bevor ich sie
genießen konnte, mir entwinden...
14 Psalmen
Soll ich von neuem zweifeln, der ich eben noch
Gewißheit mir errungen glaubte?!?
Es ist nur schaurige Gewißheit, und dennoch
dünkte sie mir besser als der Zweifel. ‒ ‒
Was aber kann mir dieses Fühlen bringen??
Als der Erkenntnis reife Frucht ward mir Gewiß‐
heit, daß mir allein die Finsternis gegeben bleibt,
und daß nichts anderes mir werden kann, da ich
ja selbst der Finsternis entstamme...
Doch dieses Fühlen, dem ich lange mich ent
wunden glaubte, macht mich nun an mir selber
irre. ‒
Es ist von anderer Art als die Finsternis, der ich
mich eben noch verschworen habe...
O, daß ich zu erkennen wüßte, was aus ihm zu
erkennen ist, auch wenn es Ammenmärchen nur
entstammt von alters her! ‒
So sehr ich aber es auch lästern mag: ‒ es läßt sich
nicht verscheuchen. ‒
So sehr ich auch mit meiner Erkenntnis Waffen
ihm zuleibe gehe: ‒ es läßt sich nicht ertöten. ‒
Wenn die Finsternis alles wäre, was mir gegeben
ist, ‒ wie könnte sich dieses Fühlen in mir fin‐
den?? ‒
15 Psalmen
Dieses Fühlen, wie ich es zu fühlen wußte, einst‐
mals, wenn ich an ihn dachte, den ich glaubte, ‒
von dem man einst mir zu sagen wußte, daß erdie
Liebe” sei...
Ach, hätte ich doch dieser Stimme, die nun mich
aufs neue in Zweifel stürzt, kein Gehör gegeben!!
Allzufrühe habe ich sie verlacht!
Allzufrühe habe ich ihrer gespottet!
*
Oder ‒ ‒ sollte sie mir denn wirklich etwas zu
sagen haben, das all mein Erkennen mir nicht
sagen konnte?? ‒ ‒ ‒
Um der Gewißheit in der Finsternis willen habe
ich dem Suchen nach Licht entsagt...
Ist dieses Fühlen denn etwa Besseres als solche
Gewißheit?!...
Es ist nicht Finsternis und gleichwohl kann ich es
als Licht nicht gelten lassen. ‒
Licht müßte mir in der Erkenntnis werden, wenn
Licht für mich zu finden wäre! ‒ ‒ ‒
Dennoch erschüttert mich schon der Gedanke,
daß dies erneute Fühlen vielleicht zum Lichte leiten
könnte...
*
16 Psalmen
Ich fühle bereits: ‒ ich ahne, daß ich der Wahr‐
heit nahe bin...
*
Wahrhaftig!...
Aller Lichterkenntnis Mutter ist die Liebe!”
‒ ‒ ‒
So spricht es in mir...
*
Ich bin verloren!!
Taumelnd stürze ich zu Boden.
Verflucht bin ich, der ich dem Lichte fluchte!...
Ich selber habe mich gerichtet!...
*
Verruchte Stunde, die mich eben noch in läster‐
lichem Wort dem Lichte entsagen ließ!?
*
Noch eben ein Lästerer, fühle ich nun, ‒ noch eben
Frevler, ahne ich jetzt, daß nur in der Liebe das
Licht errungen werden kann!!
*
O törichtstolze Gewißheit, mit der ich vordem zu
erkennen glaubte!!!
*
Wahrlich: ‒ gewiß wird mir nun, obwohl ich es
nur ahnend erfühle, daß alle Scheingewißheit des
17 Psalmen
Erkennens recht eitler Schlüsse klüglich verbrämte
Torheit ist, so das Erkennen nicht in der Liebe
gründet, die allein Gewißheit geben kann!!
*
Dir fluchte ich, du ewiges Licht, weil du dich jeg‐
licher Erkenntnis zu verhüllen weißt die nicht
aus der Liebe geboren wurde!...
Wirst du den Frevel mir vergeben können??
*
Siehe ich liege am Boden wie ein Baum den der
Sturmwind fällte!
Wer wird mich wieder erheben und aufrecht
wurzeln lassen, außer dir, der du die Liebe bist!?
Befreie mich, du Ewiger, wenn meine Zunge mir
nicht selbst mein Urteil sprach, aus dieser Höllen
finsternis, die mich umgibt!
Du, den ich nun ahne, den ich nun fühle, ‒ der
selbst die Liebe ist, ‒ wie könntest du mich ver‐
stoßen, den du nun in der Liebe findest!!
All-Liebender errette den, der mit Frevel seinen
Mund besudelte, aus dieser Finsternis!!!
*
18 Psalmen
ERLÖSUNG
DA ich am Boden lag, bewußt des argen Frevels,
hast du mich alsbald erhoben, ‒ du, der du selbst
die Liebe bist!
Du sandtest Hilfe mir in meine Not: ‒ Hilfe, die
mir helfen konnte! ‒
Alsbald verlor die Finsternis ihre Schrecken und
ihre dunklen Lüste ließen ab von mir...
Noch ist mir nicht das Licht geworden, aber ich
weiß, daß ich ihm nahen werde...
Noch ist alles ringsum in Dunkelheit; doch ich
weiß, daß mir dein Leuchten wird...
Es fanden mich jene, die in deinem Lichte leuch
tend wurden und die Stimmen Liebender erhörte
ich in meinem Innersten...
Von ihnen kam mir hohe Führung: ‒ wahrlich
den Führer aus der Finsternis fand ich unter deinen
Leuchtenden!
Noch bin ich zu Anfang des Weges, der zu dir, ‒
der zum Lichte führt.
Noch weiß ich wenig um des Weges Weise; doch
weiß ich, daß er mich zu dir, zu meinem höchsten
Ziele führen wird...
Siehe ich vertraue dir in dem, den du mir zur Füh
rung sandtest!
21 Psalmen
Ihm folgen meine Schritte, so wie er mich die Füße
setzen heißt...
Ich habe aufgehört die Wege zu gehen, die ich vor‐
dem meine eigenen Wege nannte...
Ich weiß, daß mein Führer allein mich auf meinem
einzigen, wirklich eigenen Wege zu leiten weiß! ‒ ‒
Noch muß ich ja im Dunkel schreiten und habe
selbst kein Licht.
Er nur, der mich führt, vermag in seinem Leuchten
meines Weges Fährte zu erkennen. ‒
Wie sollte ich ihm, den ich im Lichte weiß das aus
ihm leuchtet, nicht willig Folge leisten wollen!?
Du, den ich ahne, den ich fühle, den ich aber noch
nicht kenne: ‒ wie sage ich dir täglich Dank, da
du mir Hilfe sandtest aus deinem Heiligtum!
O, hätte man früher mir gesagt, daß Lichterkennt
nis nur die Liebe geben kann! ‒
O, hätte man früher mir vertraut, daß du, der selbst
die Liebe ist, inmitten dieser Finsternis dir selbst ein
Heiligtum der Liebe zu begründen wußtest! ‒ ‒ ‒
So aber führte man mich zu manchem Tempel, und
in jedem fand ich Opferpriester die da bekundeten,
er sei dein einzig wahres Heiligtum...
Wie konnte ich glauben dich noch zu finden, da
22 Psalmen
allerorten ich nur Menschenmeinung fand, die sich
in deinem Namen selbst die Weihe gab mit hohen
Worten!...
Wie konnte ich ahnen ‒ du, der du die Liebe bist
‒ daß dennoch in Verborgenheit dein wahres
Heiligtum inmitten dieser Finsternis zu finden
ist! ‒ ‒ ‒
Du hast es gut geborgen vor der Neugier frechen
Blicken und vor dem selbstgewissen Hochmut,
den ich in den Tempelhallen fand, da man der Men
schen Satzung stolz als deine heilighehre Offen‐
barung kündet! ‒
Erbarmen faßt mich, denke ich der Lehren jener
Eitlen, die der Weisheit hohe Worte ihrer Tor
heit einen und in deinem Namen Ehrfurcht für
sich selbst verlangen, die einstens mit der Macht der
Finsternis zu Ende ist...
Erbarmen faßt mich, denke ich an alle, die hier
in dieser Finsternis vor jenen sich in Ehrfurcht
beugen...
Es mögen Beherrschende und Beherrschte guten
Glaubens sein, doch muß des Irrtums Saat, dem
treue Pflüger immer neue Furchen ziehen, auf solche
Art der Finsternis stets neue Nahrung geben...
Möchten die Redlichen unter denen die da pflügen,
23 Psalmen
säen und ernten, doch noch in ihren Tagen erken
nen, wie wahrlich trotz aller Finsternis das Licht
zu finden ist, und alte Weisheit scheiden lernen
von der Menschenmeinung, die ihnen selbst
zur Stunde noch der Weisheit hehrsten Sinn ver‐
birgt!...
*
Erbarmen aber faßt mich so in gleicher Weise, denke
ich an alle, die im Denken das Licht zu finden
glauben, durch Erkenntnis der die Liebe fehlt! ‒
Möchten auch sie, gleich mir, zur Liebe geleitet
werden, und in der Liebe dann die Führung fin‐
den, die allein hier führen kann! ‒ ‒ ‒
O wie viele weiß ich in der Finsternis, für die ich
um Erlösung bitte?!
Sie erstreben das Licht und erstreben es dort, wo
es nie zu finden ist...
Sie suchen auf irrigen Wegen und da sie so nicht
finden, lästern sie...
Der mir zum Führer wurde aber sagte mir, daß auch
sie einst gefunden werden, wenn ihre Zeit gekom‐
men ist.
So bitte ich darum, daß ihre Zeit bald vollendet
sei!...
*
24 Psalmen
Noch weiß ich selbst ja nichts aus eigenem Er‐
kennen. ‒
Noch ward ich selbst erst erkannt, als einer, der
nach dem Erkennen in der Liebe strebt. ‒
Noch weiß ich nicht zu sagen, ob mir Vieles, ob
mir Weniges, ‒ ob mir Großes, ob mir Geringes
werden mag. ‒
Doch ich vertraue dem, den du mir sandtest, da
ich im Innersten erfühle, daß du in ihm dich meiner
Seele offenbarst, und er dich meiner Seele offen‐
baren will...
Schon sehe ich in seinem Leuchten vieles, das sich
meiner eigenen Erkenntnis noch auf andere Weise
nicht enthüllt...
Siehe, es steht mein Verlangen nicht nach anderem
als nach dem, was er meiner Seele durch sein Leuch‐
ten erhellt!
Ich verlernte alles Wissenwollen, und alle Qual
des Willens zur Erkenntnis hat mich nun ver
lassen...
Meine Sorge ist einzig: ‒ in der Liebe zu bleiben,
und ich weiß gewißlich, daß mir einst Erkenntnis
wird nach meiner Kraft, so ich nur stetig in der
Liebe bin. ‒ ‒ ‒
Zu tief war ehedem meine Not, als daß ich erneut
25 Psalmen
dem Drange nach liebeleerem Erkennen folgen
würde!...
Erahnend hatte ich zuerst gefühlt, daß nur das
innere Erleben in der Liebe zu gesicherter Er
kenntnis führen könne, daß das Licht sich nur der
Liebe offenbare. ‒ ‒
Nun folgte Belehrung meinem Ahnen, und ich
weiß, daß er, der mich lehrt, die Worte deines
Mundes spricht. ‒
Zu klar schon hat er mir sich offenbart, als daß ich
noch an seiner Wahrheit zweifeln könnte!
*
Du hast, o Ewiger, der du die Liebe selber bist,
mit ganz untrüglicher Vollmacht jene ausgerüstet,
die du als Helfer sendest, wo da ein Mensch der in
die Liebe fand, nach Hilfe verlangt!
Sie sind nicht zu verkennen, auch wenn gar man‐
che die nach Ehrfurcht für sich selber gieren, in
dieser Finsternis sich selbst in ihrem Namen dar
zubieten suchen...
Die du dir selbst bereitet hast, damit sie deine Hilfe
bringen können wie sie der Irdische empfangen
kann, wird man vergeblich suchen unter denen,
die gleich Königen in Prunkgewändern schreiten
und sich Weihrauch opfern lassen!
26 Psalmen
Man wird sie auch nicht unter denen finden, die
aus alter Schriften buntvermengten Worten eine
Lehre formen, die da lehrt was Vorbedingung
ist, um einen der des Menschentieres Antlitz trägt,
erst vor sich selbst und anderen als einen Menschen
zu bekunden. ‒ ‒
Wohl sind es Könige, die deiner Weisheit dienen! ‒
Wohl lehren sie die Lehre, die zu sagen weiß, wie
aus dem Menschentiere du dir Ewigkeitsgezeugte
zeugst! ‒ ‒
Allein den Purpur können wahrlich sie entbehren,
und Gold und Hermelin ist nicht vonnöten um
ihre Königswürde allen darzutun, die würdig sind,
sich ihrer Führung zu vertrauen...
Ihr „Reich” ist nicht von dieser Welt, obwohl sie
alle hier in dieser Welt ein Königtum als Erbe in
sich tragen, das allen königlichen Schein der Erde
nur zum Maskenspiele werden läßt. ‒ ‒ ‒
Was sie zu lehren haben wird nicht durch die
alten Schriften erst bestätigt; dagegen aber sind
die alten Schriften jeweils totes Gut, solange einer
derer die du „in der Zeiten Fülle” sendest, den
Sinn der alten Worte, nicht erweckt zu neuem
Leben...
*
27 Psalmen
Ewig will ich danken dir o Ewiger, daß du meines
Frevels nicht geachtet hast und mir den hohen
Helfer sandtest aus deiner Leuchtenden Schar!
In ihm wird mir die Liebe kund, die allein mich
zum Lichte führen kann...
Zu dir, der du selbst das Licht: ‒ der du selbst
die Liebe bist! ‒ ‒ ‒
*
28 Psalmen
ERKENNTNIS
ANBETUNG dir, den ich nun weiß, da ich doch
vordem dich nur ahnen, dich nur fühlen konnte!...
Anbetung dir, den ich nun in mir selbst erkenne,
da ich doch vordem dich nur glauben konnte!...
Anbetung dir, den ich nun fand in meinem Aller
innersten, da ich doch vordem dich im Äußeren
suchte!....
Nun habe ich dich selbst als deines Lichtes Funken‐
strahl in mir erlangt: ‒ dich, meinen lebendigen
Gott! ‒ ‒ ‒
Nun ist mir alle Finsternis erhellt in deinem
Lichte! ‒
Nun sehe ich den Weg vor mir, den ich durch‐
wandeln muß, um einst durch dich in deinem Reiche
neu gezeugt zu werden: ‒ in deinem Lichte neu
geboren! ‒ ‒ ‒
Du, der sich selbst in mir geboren hat, wirst
mein Erzeuger: ‒ ewiglich in mir dich selbst
gebärend, und aus dir erzeugend mich in dir, zu
ewiger Neugeburt in deinem Lichte! ‒ ‒ ‒
Erkenntnis ward mir aus der Liebe, die du selber
bist, den ich in meinem Allerinnersten mir nun
vereinigt weiß! ‒ ‒ ‒
Liebe hat das Wunder vollbracht!
31 Psalmen
Der Liebende ward der Liebe geeint!
In der Liebe ward mir das Licht!
*
Nun ist die Finsternis, die alles Irdische umgibt,
mir hell geworden, und ich vermag es, denen die
im Dunkel sitzen Licht zu zeigen!
Ich will künden dich, du Ewiger, allen die dich
suchen, und allen die zum Lichte streben will ich
von dem Wege sagen, so sie in der Liebe sind!
*
In der Liebe allein wird euch Heil!
In der Liebe allein wird euch Erlösung!
In der Liebe allein kann euch gesichertes Erkennen
werden!
*
Bereitet euch alle, die ihr nach dem Lichte strebt,
euch in der Liebe zu finden!
Nur wenn ihr selber in der Liebe seid, kann ewige
Liebe euch zu neuem Dasein wecken! ‒ ‒
Nur wenn ihr in der Liebe seid, können die Lie
benden euch erreichen die in dieser Finsternis des
Lichtes Leuchten in sich tragen! ‒ ‒ ‒
Sie selbst sind wahrlich in der Liebe, und nur in
der Liebe vermögen sie zu wirken! ‒
32 Psalmen
Nur in der Liebe gründet alle Geistesmacht die
ihnen übertragen ist! ‒ ‒
Wahrlich: ‒ sie wissen jeden zu finden der in der
Liebe ist und es bedarf des Rufens nicht um von
ihnen gefunden zu werden! ‒ ‒ ‒
Im Urlicht, das die Liebe selber ist und nur aus
Liebe: Leben zeugt in allem was da lebt, wird ihnen
kund, wer in der Liebe ist, und keinen können je‐
mals sie vergessen...
Wer aber nicht in der Liebe ist, dem nützt kein
Rufen, Bitten und Flehen, denn noch ist sein Stern
im Urlicht nicht entzündet, noch ist er nicht reif,
auf den Weg geleitet zu werden...
*
Gar viele haben gerufen und wurden nicht ge‐
funden, obwohl sie glaubten, längst bereitet zu
sein! ‒ ‒
Andere aber verharrten in der Stille, und da man
sie in der Liebe fand, kam unvermerkt der Füh
rende und leitete sie auf den Weg...
Der Weg ist zwar steil, doch kann ihn jeder erstei‐
gen, der alles selbstgewisse Wissen von sich wirft
und nur des Führers Stimme lauscht, der ihn mit
Sicherheit emporzuführen weiß, ist er gefunden
worden in der Liebe...
33 Psalmen
Laßt aber alle Hoffnung fahren, etwa selbst zu fin
den, solange man euch selbst noch nicht gefun
den hat!
Man wird euch finden, so ihr unablässig in der
Liebe bleibet!
*
Dank sagt dir all mein Inneres, du Ewiger, daß
du den Menschen nicht verlassen hast in seiner
Finsternis!...
Allen die in der Liebe sind, sendest du deine Hilfe!
Alle die in der Liebe sind, finden Führung zum
Licht!
*
Du bist die Liebe, ‒ du das Licht, das aus der
Liebe lebt!
Nun trage wissend ich dich in mir, ‒ ich weiß
dich wie ich mich selber weiß!
In mir selber bin ich dir vereinigt, ‒ meiner Seele
bist du in mir geboren...
In deinem Lichte darf ich deine Herrlichkeit
schauen, ‒ das Auge des Geistes hast du mir ge‐
öffnet...
Ich sehe dich, du ewiges Urlicht, unerfaßbar für
dich selbst im Sein, ‒ ich sehe wie du selbst dich
ewiglich als Urwort fassest...
34 Psalmen
Du zeigst mir wie das Urwort ewiglich den „Ewi
gen Menschen” spricht: ‒ den Geistgeborenen,
der ewiglich in ihm verharrt...
Du zeigst mir, wie der Menschengeist in dieser
Finsternis nur Zeugnis jenes „Ewigen Menschen
ist, ‒ des „Alten der Tage”, ‒ des „Vaters” aller
deiner Leuchtenden...
Aus ihm nur kannst du in dir selbst dem Menschen
geiste dieser Erde fassbar werden...
Aus ihm hast du mir Erlösung bereitet...
Aus ihm ward mir der Führer gesandt...
*
Du allein bist der Seiende!
Als Urwort offenbarst du dich für dich selbst!
Im „Ewigen Menschen” schaffst du dir des
Urworts Offenbarung, die weiterzeugend alle
Hierarchien hoher Geister bis herab zum Men
schengeiste dieser Erde aus sich selber offen
bart...
Ruhe und Schaffen sind in dir...
Ruhe bist du in deinem Sein, ‒ als Schaffenden
spricht dich das Urwort aus...
Mann” und „Weib” bist du in deinem Sein, du
ewiges Urlicht, ‒ du ewiger Geist der Wahr
heit, ‒ du, der du selbst die Liebe bist...
35 Psalmen
Mann” und „Weib” spricht das Urwort aus...
Mann” und „Weib” ist der Ewige Mensch...
*
In einem Funkenstrahl deines Lichtes nur vermag
ich dich zu ertragen...
So bist du mir vereint, als mein lebendiger Gott! ‒
In dir erkenne ich, daß diese Liebe, die du selber
bist, stets Tat und Wirken aus weiser Ruhe will...
Alles Erkennen sehe ich fruchtlos und ohne Wert,
wenn es nicht gründet in dir, der du die Liebe
bist!
In der Liebe aber ist nur der Wirkende der in der
Tat der Liebe sich bewährt! ‒
Du willst nicht wohlige Träumer die nur in Ge
fühlen schwelgen denen keine Folge werden kann;
‒ in zeugender Kraft muß weiterzeugend wirken,
was der Menschengeist aus dir empfängt...
Wer da an andere verlieren will was er empfangen
hat, der wird mehr empfangen, ‒ wer es aber sich
allein erhalten will, der wird es verlieren...
Weise wirken deine hohen Kräfte: ‒ gegründet
sind sie in deinem Willen...
Wie die Sonne ihre Strahlen sendet, so sendest du
deine Kräfte aus: ‒ sie sind nicht mehr in dir, und
doch bist du in ihnen...
36 Psalmen
In allen Welten wirken sie auf gleiche Weise: ‒
auch diese Finsternis ist ihres Wirkens voll...
Liebe ist ihr innerstes Gesetz; ‒ nur wer in der
Liebe ist, dem können sie dienen...
*
Wahrlich, der Menschengeist kann sich nicht son
dern aus dem All des Geistes: ‒ was immer Geistes
zeugung ist, wird durchlebt von dem gleichen Le
ben. ‒
richt ist jeder der da handelt als ob ihm Tren
nung vom Ganzen möglich sei? ‒
Töricht ist jedes Streben das der Gemeinsamkeit
entraten will? ‒
Töricht ist jede Tat, wie hoch man sie auch an sich
selber werten möge, fügt sie sich nicht dem alles
Geistige vereinenden Gesetz der Liebe! ‒
Zahlreich ist solche törichte Tat in der Finsternis!
Die im Dunkel Träumenden erträumen sich eine
gesonderte Welt: ‒ jeder nach seinen Wünschen
und Begierden...
So ist all ihr Tun ein totes Mühen: ‒ die Kräfte
des Lebens sind ihrer Tat nicht verbunden!...
*
O ihr Menschengeister, die ihr in die Finsternis
geboren seid und nach dem Lichte verlangt, wisset,
37 Psalmen
daß ewige Geisteskräfte euch zu Dienern werden,
so all euer Tun in der Liebe bleibt! ‒ ‒ ‒
Letzter Antrieb zu allem Tun muß in der Liebe
gründen, soll eurer Tat die hohe Hilfe werden! ‒
Auf hohen Planen wirken die Kräfte des Gei
stes die euch dienstbar werden können: ‒ Ur
sache schaffen sie aller Wirkung in der irdischen
Welt...
Dort wo sie wirken, dort reicht euer Ruf nicht hin;
‒ nur eurer Tat Impuls kann sich zu jenen hohen
Reichen heben, so er aus der Liebe stammt! ‒ ‒ ‒
*
Die hohen geistigen Kräfte werden euch allezeit
dienstbar sein, wenn all euer Tun in Harmonie
bestehen kann mit dem Gesetz des Geistes das in
der Liebe gründet! ‒ ‒
Was nicht in Liebe sich dem Ganzen einen will,
läuft seinen leeren Lauf; ‒ im Reiche des Geistes
wird seine Spur nicht gefunden! ‒ ‒ ‒
Ach, es sind viele Taten in der Menschen Mund, die
als „groß” und „weise” gelten: ‒ im Reiche des
Geistes aber sind sie nie geschehen!...
Schein und Schatten nur vermochten sie zu be‐
wegen und in Schein und Schatten wirken ihre
Impulse fort!...
38 Psalmen
Sie waren nicht geboren aus der Liebe, und nur
was aus der Liebe stammt geht in die Liebe ein...
*
Nicht großer Taten Ruhm ebnet den Weg zum
Lichte: ‒ die Tat der Liebe allein besiegt die Fin‐
sternis!
Aus dunkler Todesnacht schafft sie Erlösung; ‒ die
Schrecken der Unterwelt überwindet sie!
Wo immer Liebe sich in Tat bekundet, dort finden
die Führer einen den sie führen können...
Zum ewigen Lichte werden sie ihn leiten, und zu
jener Erkenntnis die allein Gewißheit gibt!
Aus der Liebe wird ihm solche Erkenntnis geboren,
‒ ihm, den man in der Liebe fand! ‒ ‒ ‒
*
39 Psalmen
VERHEISSUNG
ALLEN die nach dem Lichte streben darf ich nun
verkünden, daß ihnen Erlösung werden wird!
Allen die in der Liebe sind darf ich sagen, daß sie
die Erkenntnis finden werden die allein Gewiß
heit gibt!
Eine Zeit der Erfüllung ist angebrochen und eine
Zeit des leichteren Erlangens!
Jeweils vor dem Nahen einer solchen Zeit, haben
die Drachen der Finsternis doppelte Macht...
Sie bäumen sich auf in ihrer Herrschaft: ‒ alle Sche‐
men des Grauens weckt ihr Brüllen...
Aus seinen Gräbern und Gruben scharren sie den
Unrat: ‒ die Luft verpesten sie mit giftigen Dün‐
sten...
Angst und Schrecken verbreiten sie über den Erd‐
kreis: ‒ mit dröhnenden Tritten treten sie nieder
alle Hoffnung...
Aber die Tage ihrer Macht sind wahrlich gezählt: ‒
an ihrem eigenen Greuel gehen sie zugrunde! ‒ ‒
Noch sind sie nicht erstickt an ihrem Fraße: ‒ noch
gieren ihre triefenden Lefzen nach neuem dampfen‐
den Blute...
Ihr Schnauben bläht noch ihre Nüstern: ‒ man
wird noch ihr Gebrüll vernehmen in der argen Fin‐
sternis...
43 Psalmen
Dennoch sind ihre Tage dahin und ihre Macht ge‐
brochen: ‒ mit eigenen Tatzen vernichten sie sich
selbst im letzten Krampfe...
Die Zeit der Erfüllung ist endlich angebrochen; ‒
nicht gibt sie neue Nahrung den Ungeheuern der
Finsternis...
Die Stimme der Liebe wird nicht mehr überwäl
tigt werden können, so sehr auch die Drachen der
Tiefe noch immer die Seelen schrecken...
Endlich werden sie verenden und Liebe wird neues
Leben schaffen!...
*
Dann aber wird man allerorten in sich selbst die
Führung finden, nach der man schrie in vergange‐
ner Not, da man sie außen suchte in der Finster
nis! ‒
Dann wird man nach bangen Schrecken wieder zu
sich selber kommen; ‒ in der Liebe wird man den
Weg zum Lichte finden! ‒ ‒ ‒
Noch konnte die Finsternis das Licht nicht ver
schlingen, und niemals wird sie es verschlingen
können...
Es war nur verborgen eine lange Zeit, da man die
Finsternis mehr liebte als das Licht...
Man wollte Erkennen ohne Liebe, und wußte
44 Psalmen
nicht, daß alles gewisse Erkennen nur aus der Liebe
kommt...
Man war gar hoch gestiegen im steten Dunkel,
und alles was sich nur im Dunkeln finden läßt,
hatte man abgetastet...
Mit allen Künsten wußte man im Dunkel sich
zurechtzufinden; ‒ des Lichtes glaubte man nicht
mehr zu bedürfen...
Wohlig wühlte man sich ein in das Staubmeer der
Dunkelheit, und suchte Nahrung die nur im Fin
stern nährt...
So glaubte man sich geborgen und aller Schrecken
Herr; ‒ die Tiere der Finsternis glaubte man be
zwungen...
*
Ach, trüglich war solche Täuschung, und die sich
selbst in solcher Weise trogen, wurden ihres Truges
nicht inne! ‒
Auf den Leibern der Drachen tanzten sie tolle Tänze:
‒ sie hielten für sicheren Boden der schlafenden
Ungeheuer Rücken...
In jähem Entsetzen erst erkannten sie was sie ge‐
tragen hatte; ‒ die Tiere, die zum Fraß erwachten,
schüttelten die Tänzer ab...
So kamen sie zum Erwachen, zum Erwachen in der
45 Psalmen
Finsternis: ‒ mit Weheklagen sahen sie einander
an: ‒ ihr Jammer drang, wie Windesbrausen in den
Bergen, durch dichte Mauern ein...
Wo sollten sie noch stehen, da der Boden der ihr
Tanzplan war, sich unter ihren Füßen bäumte?
Wo sollten sie noch ihren Standpunkt finden, da
alles was sie unverrückbar sicher wähnten, nun ins
Wanken geriet?! ‒ ‒
Ach, es war grause Not und man wußte nicht, wie
man noch festen Fußes sich halten sollte...
*
Das Licht aber war auch in jenen Tagen allen nahe
die sich in der Liebe fanden; ‒ der anderen Un‐
heil konnte sie nicht treffen...
Der Modergeruch verwesender Leiber ätzte sich allen
Sinnen ein; ‒ nur die in der Liebe waren, konnte
er nicht erreichen...
Ihr Mitleid kannte wahrlich keine Grenzen,
allein der Strom der Bosheit verebbte vor ihren
Füßen...
Unsagbares Entsetzen sahen sie vor sich aufge‐
türmt: ‒ die Schrecken der Hölle sahen sie wie
ein Schauspiel prunken...
Was sollte ihre Seele sagen, die der Menschheit
höchste Würde wie ein Dirnenspiel dem Zufall
46 Psalmen
preisgegeben sah: ‒ wie sollte Macht ihnen wer‐
den, solche Torheit zu verhindern?!?
Schwer lastete auf ihnen, was den anderen frohes,
frivoles Spielen war: ‒ der anderen Siegesfroh
locken roch ihnen nach dem Moder der Grüfte!...
*
Es waren Allzuwenige zu jener Zeit, die das Licht
zu suchen strebten in der Liebe...
Es waren Allzuwenige zu jener Zeit, die noch die
Macht erkannten, die nur die Liebe gibt...
Es waren Allzuwenige, die noch erkennen woll
ten, daß das Licht nur aus der Liebe lebt!
*
In geiler Wollust aber suchten alle anderen ihrer
frevlen Wünsche törichte Erfüllung: ‒ der „Gott”
von dem sie selber sagten, daß er die Liebe sei, ward
ihnen zum Makler ihres blöden Hasses...
Wo waren jene aus ihnen, die da in früheren Tagen
wohl auch in Worten die Liebe besungen hatten?!
Wo waren jene, die in anderen Tagen einst allen
Haß begraben wähnten?!
Ach, der gefallene Mensch der Erde in seinen
dumpfen Trieben, war zu jeder Zeit der Tierheit
Sklave: ‒ in seiner tiefen Umnachtung pocht er
47 Psalmen
auf seine „Menschenwürde” und wütet schlimmer
als jedes andere Tier!...
*
Zwar waren viele vordem ausgezogen, nach der
Wahrheit” zu suchen.
In liebeleerem Erkennen glaubten sie zu finden.
Ach, keiner wußte, daß es ein Erkennen gibt, das
anderer Artung ist, und das allein Gewißheit geben
kann; ‒ es wußte keiner, daß er sich erst selbst
bewähren müsse, um jener Erkenntnis einst zu
nahen, deren Mutter die Liebe ist!...
*
Nun aber ist angebrochen die Zeit der Erfüllung: ‒
die Tage der Finsternis, sie sind wahrlich gezählt!...
Blicke zurück soweit du blicken kannst, und ver
geblich wirst du den Beginn der Tage der Fin
sternis suchen!
Zu lange währte die Zeit der Verdunkelung!
Nun aber ist sie im Entschwinden, und so sie erst
beendet ist, wird keiner Hölle Macht sie wieder zu
rufen vermögen!...
*
Wisse, die Zeit der Erfüllung wird weitaus länger
währen als alle Zeit der Nacht der Nichterkennt
nis!..
*
48 Psalmen
Unsagbar lange währte diese Nacht!
Unendlich” schien sie denen, die das Licht auf
seinem Weg zum Siege glaubten!...
Und dennoch wird die Zeit der Erfüllung die nun
angebrochen ist, alle frühere Zeit der Umnach
tung unbeschreiblich überdauern!...
*
In dieser neuen Zeit aber werden endlich die Her
zen geöffnet werden!
In dieser kommenden Zeit wird die Liebe endlich
offene Herzen bereitet finden!
Schon schreiten viele die vor einer kurzen Zeit das
Licht kaum glauben konnten, nun liebenden Her‐
zens ihren Weg zur Lichterkenntnis; ‒ die Liebe
wußte sie zu erfassen: ‒ es verlor alle Macht über
sie die Finsternis!...
Mit jedem Tage wird man mehr und mehr der Lie
benden auf ihrem Wege finden!...
*
Sicher, wahrhaftig, wird man sie an der Hand des
Führers den Weg betreten sehen: ‒ leuchtenden
Auges werden sie ihre Bahn zum Lichte wandeln!...
*
An ihnen werden auch die anderen alsbald er‐
kennen, daß das Licht nicht über Wolkenhöhen
thront!...
49 Psalmen
Die da dem Dunkel noch verhaftet sind, und sich
im tiefen Dunkel tappend der Erkenntnis Früchte
noch ertasten die der Finsternis entstammen, sie
werden bald entdecken, daß auch dieses Erdenlebens
Dunkel sich für jeden hellt, der in der Liebe ist
und in der Liebe Lichterkenntnis fand...
*
Auch sie werden dann, des Dunkels müde, in die
Liebe gelangen!
Auch sie werden einst, in dieser Zeit der Erfüllung
in der Liebe gefunden werden!...
Wahrlich auch sie werden dann in der Liebe ver
harren: ‒ in sich selber werden sie die Führung
finden die sie zum Lichte leitet! ‒ ‒
Ewige Liebe wird sie zu neuem Leben wecken!
‒ ‒ ‒
Ewiges Licht wird sie erleuchten, da sie in der
Liebe sind! ‒ ‒ ‒
*
50 Psalmen
BEFREIUNG
IRRIG sind alle beraten und keine guten Zeichen‐
deuter, die da auf dieser Erde alle Finsternis be
siegbar wähnen!...
Vergeblich ist ihr Kampf: ‒ die Nacht des Grauens
bleibt immer an ihrem Ort!...
Solange Menschen auf der Erde wohnen, werden
auch Menschen sein, die mehr der Nacht vertrauen,
als dem lichten Tag! ‒ ‒ ‒
Aber ein jeder, der in die Liebe und in ihr zum
Lichte fand, mehrt wahrlich die Kraft des Lichtes,
mehrt die Kraft der Liebe in den Reichen der Fin‐
sternis!...
Ein jeder, der in die Liebe und in ihr zum Lichte
fand, ist gut geborgen und die Liebe wird durch
ihn auch andere zum Lichte leiten!...
Er selber schafft Gewähr, daß sicherlich durch
ihn zugleich ein anderer zum Lichte kommen
wird!...
So wird der Finsternis Macht immer mehr gebrochen;
‒ die Tiere des Dunkels finden keine neue Nah‐
rung mehr...
Was sie am Leben erhält, auch wenn sie schlafen:
‒ die Dünste dampfenden Blutes, sie werden von
der Erde verschwinden; ‒ der Haß wird sich in
Liebe wandeln!...
53 Psalmen
Gewiß wird der giftgeschwängerte Schlamm der
Finsternis stets wieder seine giftigen Tiere ge‐
bären, allein sie werden nicht mehr diesen Basilisken
gleich die nun verenden, mit Blut den Erdkreis
überschwemmen können...
Des Menschen Liebesmacht wird leichthin sie be
zwingen!
*
Ich sehe eine neue Menschheit, die sich erst ge
stalten will und deren Spuren dennoch schon zu
finden sind!...
Törichte Stumpfheit nur erkennt dieser neuen
Menschheit Zeichen noch nicht!!
Mählich wird sich wandeln der Erde Angesicht: ‒
die kommenden Geschlechter werden sich erst die‐
ser Wandlung wahrhaft freuen können!...
Wer heute Ehre sucht, der ehre sich selbst in der
Ehre der Zukunft: ‒ der fernsten Tage Finsternis
kann er erhellen, so er heute in der Liebe leben
will!...
*
In aller Kraft der Liebe wird die neue Mensch
heit dennoch stets bewußt sein der Grenzen ihrer
Macht! ‒
Sie wird nicht wähnen, daß sie alles was da Men
54 Psalmen
schenantlitz trägt, hinfort zu einen fähig sei in
hoher Liebe! ‒ ‒
Allein die neue Menschheit wird die Werte die
ihr überkommen sind, gar weislich zu prüfen wis‐
sen! ‒
Alles, was da in der Liebe seine Geltung nicht
erweist, wird dieser neuen Menschheit: Unwert
heißen! ‒ ‒
In siegreicher Arbeit um der Arbeit willen wird sie
ohne Schwertstreich zu besiegen wissen, was der
Liebe sich entgegenstellen möchte!...
Die „Ehre”, durch Mord sich Recht zu schaffen,
wird ihr verwerfliche Torheit sein!...
*
Nur denen, die ihr mordend nahen und in Mordlust
ihren Frieden stören, wird sie mit dem Schwerte
wehren, so sie anders sich nicht mehr schützen
kann. ‒ ‒
Sie wird das Schwert jedoch nicht länger führen,
als es zur Abwehr vonnöten ist! ‒
Nie wird sie Macht erstreben unter den Völkern, die
nur durch Menschenmord zu begründen wäre! ‒ ‒
Nie wird sie anderen das Ihre neiden und es durch
Mord in ihre Macht zu bringen suchen! ‒ ‒ ‒
Der Tierheit niedrige Gelüste werden der Freude
55 Psalmen
weichen; ‒ die Gier der Leidenschaft wird schwin‐
den in der Ruhe einer stillen Kraft!...
*
So wird die neue Menschheit wissend sich auf
neuen Wegen finden...
Der Mensch der neuen Menschheit wird den Füh
rer in sich finden: ‒ die Wege die er schreiten wird,
werden des Führers Wege sein!...
*
Die neuen Menschen unter allen Völkern dieser
Erde werden geführt sein von denen, die allein sie
führen können: ‒ der eitlen Willkür klüglichen
Errechnens und der schlauen Ränke Spiel sind sie
gar weit entrückt!...
Der Mensch wird wieder dem Menschen vertrauen
können: ‒ die Lüge wird des neuen Menschen
Lippen nicht entweihen!...
So werden sich diese neuen Menschen stetig in der
Liebe finden...
So werden jene Lichterkenntnis sie erlangen, die
nur in der Liebe zu erlangen ist!...
*
Durch sie wird der Geist des Menschen endlich Be
freiung finden!...
*
56 Psalmen
ERFÜLLUNG
IN dir, du Ewiger, habe ich Licht erlangt!...       
In dir, du Ewiger, sah ich am Werke die ewigen
Kräfte!...
Du hast mich erlöst aus den Schrecken der Hölle:
‒ in dir ward mir die Lichterkenntnis aus der
Liebe!...
*
Erschauernd denke ich des düsteren Tages da ich
einst dem Lichte fluchen konnte, da es dort nicht
war wo ich es suchte; ‒ erbebend sehe ich zurück
und sehe, wie die Finsternis mich Törichten einst
in Banden hielt!
*
Die Hand des Führers hast du mich finden lassen;
‒ es ward mir die Gewißheit, die nur Erkenntnis
in der Liebe geben kann! ‒
Erfüllung meines Sehnens bist du mir geworden: ‒
du mein lebendiger Gott, der da selbst die Liebe
ist! ‒ ‒ ‒
In dir bin ich erwacht zum Leben; ‒ in dir ward
mir die Finsternis erhellt! ‒ ‒
Mich selbst erkannte ich in dir, du Ewiger, und
in mir selber fand ich dich!...
Wo ist noch die Stimme der Hölle die vordem mich
ängsten wollte? ‒
59 Psalmen
Wo ist der Schlamm der Tiefe in dem ich einst
wühlte?...
*
Doch ‒ ich sehe viele noch im Finstern wandeln,
und was mir selbst die Finsternis erhellt: ‒ siehe,
ihnen ist es noch fremd!
Sie tappen noch im Dunkel und suchen tastend
nur ihren Weg; ‒ vom Lichte hören sie mich reden
und solche Rede ist ihnen trügliche Mär!...
Ach, daß auch ihnen alsbald Erfüllung werde!
Ach, daß auch sie alsbald zum Lichte in der Liebe
fänden!
*
Der Führer aber spricht zu mir:
„Sorge dich nicht um jene die noch im Finstern
träumen!
Auch ihre Zeit wird ihnen kommen und sie werden
in die Liebe finden!
Gib ihnen was du nun geben kannst, auch wenn
sie deine Gabe etwa nicht zu ehren wissen!
Du selbst aber sorge, daß das Licht in dir nicht mehr
verlösche!
Schaffe Zuwachs dem Lichte in der Finsternis!
Vermehre seine Kraft durch Tat und Wirken aus
der Liebe!
60 Psalmen
So wirst du am besten denen helfen, die noch im
Finstern sind!
So wirst du die Stunde ihres Erwachens ihnen näher
bringen können!”
*
Vertrauend danke ich ihm, der so mich belehrt...
In mir selbst erfühle ich seiner Worte Wahrheit...
Ja: ‒ es ist wahrlich Torheit, andere ihren Träu
men entreißen zu wollen, solange sie zum Erwachen
noch nicht bereitet sind!
Sie selber müssen erst erwachen wollen! ‒
Dann aber wird auch ihnen Hilfe nahe sein! ‒ ‒
Höher als alle höchsten Wünsche sich erheben, ist
die Erfüllung, die dem Suchenden wird der in die
Liebe gelangt!
Was er sich ferne glaubte über allen Sonnen, wird
er nahe finden in sich selbst! ‒
In seinem Allerinnersten wird ihm die Erlösung
werden! ‒
In seinem Allerinnersten wird ihm Erfüllung ge‐
geben! ‒
*
Im Lichte erlebt er sich selbst als des Lichtes Zeu
gung; ‒ das Innerste des Geistes wird seinem
Geiste erschlossen!
61 Psalmen
Gewißheit wird ihm seines ewigen Bestehens: ‒
das Ende dieser Erdentage ist ihm kein Ende seines
Lebens mehr!...
Ein neues Leben hat er in sich selbst gefunden, das
ewig währt, da es der Ewigkeit entstammt!...
Dort wo ihn ehedem, da er im Finstern war, die
bangen Fragen irren wollten, dort findet Antwort
er nun in sich selbst!...
Bleibt er nur in der Liebe allezeit, so kann ihm keiner
die Krone des Siegers rauben!...
*
An seines Erdenlebens letztem Tage weiß er sich in
guter Hut...
Emporgeleitet aus der Erde Niederung wird er die
hohen Reiche finden, da des Geistes Fülle sich in
Geisterhierarchien offenbart, und ewig weiter‐
schreitend einst in jenem Geistgewande, das der
Vater” ihm verleihen wird, sieht er von Lichter
kenntnis sich zu neuer Lichterkenntnis wandeln.
Ihm ist die Ewigkeit nicht mehr verhüllt durch
dichte Schleier: ‒ die Wahrheit offenbart sich ihm
schon während seines Erdendaseins!...
*
Wie hätte das liebeleere Erkennen, das die Fin
62 Psalmen
sternis den Ihren gibt, mir je des Lichtes Farben
reichtum offenbaren sollen! ‒ ‒
Wahrlich: ‒ töricht und arm sind alle, die da an
jener Scheinerkenntnis noch Genüge finden!
*
Mein Tun und Wirken will nun zum Preislied
werden, dir zu danken, dem ich mich selber
danke! ‒
Mit Worten dir, du Ewiger, zu danken, wäre ein
gar geringer Dank! ‒ ‒
Wie sollten Worte wohl die Weihe in sich tragen,
würdig dir zum Danke zu erklingen!
*
Vereint mit allen Geisterchören die sich meinem
Geiste in der Liebe zeigen, will ich mich selbst
nun in der Liebe erfüllen!
Erstorben bin ich allem was ich einst für mein Leben
hielt; ‒ das Leben des Lichtes fand ich in der
Liebe!...
Du hast mich gewandelt als ich zutiefst in der Dun
kelheit war; ‒ als ich wie ein Baum entwurzelt am
Boden lag, hast du mich aufgerichtet! ‒
In dir ward meinen Wurzeln neue Nahrung: ‒ in
dir ward meinen Zweigen Blüte und Frucht! ‒
Was ich vergeblich in den bangen Nächten meines
63 Psalmen
Irrens suchte, das hat in überreicher Fülle nun der
Suchende gefunden! ‒
All sein Sehnen ist ihm gestillt; ‒ all sein Verlangen
ist erfüllt! ‒ ‒ ‒
Dich selber hast du ihm gegeben: ‒ du selber bist
ihm Erfüllung geworden! ‒ ‒ ‒
Urgründiges Geschehen wird ihm offenbar in
dir; ‒ urewige Weisheit lichtet seine Seele! ‒ ‒ ‒
In dir, du ewiges Licht, ward ihm Erleuchtung! ‒
In dir, du ewige Liebe, ist der Suchende erstanden
als ein Liebender! ‒ ‒ ‒
In dir wird er ewig im Lichte, ‒ ewig in der Liebe
sein! ‒ ‒ ‒
Ich liebe dich, du Licht der Ewigkeit!...
*           *
*
64 Psalmen
ENDE