DAS BUCH
DER
KÖNIGLICHEN
KUNST
ENDGÜLTIGE GESTALTUNG NACH DEN
UNVOLLENDETEN AUSGABEN VON 1913 BIS 1920
BÔ YIN RÂ
IST DER DICHTER, PHILOSOPH UND MALER
JOSEPH SCHNEIDERFRANKEN
COPYRIGHT BY
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASLE 1932
BUCHDRUCKEREI WERNER-RIEHM IN BASEL
.Es ist Torheit, zu glauben, das Zeugnis
höchster Erfahrung der Erfahrensten einer
Rasse sei
in dem Schrifttum eines Volkes
dieser Rasse zu finden.
.Es ist noch größere Torheit, unbedenklich
anzunehmen, man brauche nur alle Texte
eines solchen Schrifttums säuberlich zu über‐
setzen, um dadurch die Lichtsplitter, die sich
in ihm verfangen haben, der eigenen Rasse,
‒ dem eigenen Volke, ‒ zu retten.
.Gewiss: ‒ solange die Erde sich um die
Sonne dreht, kam Lichtesaufgang allem Irdi‐
schen
aus dem Osten, ‒ und vom aller‐
ersten Anfang menschlicher Selbstfindungs‐
versuche an waren die erfahrensten Finder
im Osten zu finden.
.Unsäglich Weniges aber nur von ihren
Funden ging in das Werk der Völker ihrer
Rasse ein. ‒
.Geheimgut blieb, ‒ selbst für die „hei‐
ligen Schriften”, ‒ das, was jederzeit Ge‐
heimnis bleiben wird Allen, die es nicht
selbst
in sich erfahren!
.Solche
Erfahrung in der ihm gemäßen
Weise zu erlangen, soll dieses Buch den Er‐
lebenden lehren.
.Die hier gegebenen Lehren gründen in
den Felsgründen ewiger Wirklichkeit.
.Aber diese Lehren sind nicht Selbstzweck
und wollen keine „Dogmen” schaffen, son‐
dern nur nötige Erklärung.
.Erst wenn sie zu
innerer Erfahrung
führten, hat sie der Suchende sich zu eigen
gemacht. ‒
SUCHST DU DAS LICHT,
SO WISSE:
DASS DEIN WEG BEHÜTET IST
DURCH DIE LEUCHTENDEN
IM EWIGEN TAG!
.Ich will dir vom Wege sagen, den ich
selbst gegangen bin!
.Ich will den Weg dir zeigen, zu dem
ich selbst
geworden bin!
.Ich war der Sonne so nahe gekommen,
daß sie den ganzen Himmel bedeckte.
.Alles stand in Flammen, über und unter
mir.
.Ich war
Wanderer auf dem Wege ins
Licht, und ehe ich es versah, war ich
Weg
geworden ohne Wahl...
.Zum Wege geworden aber, schoß ich wie
ein Pfeil ins Ziel: ‒ verbrannte mich selbst
in der glühenden Sonne.
.So ward ich selber Glut und Leuchten.
.Mich selbst verzehre ich in meinem
Feuerlicht: ‒ wie könnte ich anderes wollen,
als daß Alles zu Licht und Feuer werde!
.Alle Sonnen brennen im selben Licht!
.Wer zur Sonne verbrannte, ist mit
allen
Sonnen vereinigt. ‒
.Du weißt nicht,
welcher Sonnen Licht
in meinem Lichte dir leuchtet!
.Ziehe nicht Grenzen der Willkür!
.Im Lichte
verschwinden alle willkür‐
lichen Grenzen. ‒
.Suche das
Licht in den
Sonnen und
die Sonnen in ihrem
Licht!
.Liebe ein wenig das
Licht in allem
Leuchten, ‒ du Suchender!
.Willst du dem Lichte
nahen, so gib
den Widerstand auf!
.Alles in dir ist noch
Widerstand!
.Alles in dir ist noch
Rede: ‒ darum
hörst du nicht...
.Alles in dir ist noch
Blick: ‒ darum
kannst du nicht
sehen....
.Gebiete dir selber Schweigen und halte
die Blicke gesammelt, damit
die Stille
Einkehr bei dir halte!
.Nur in der lautlosen
Stille vernimmst
du das ewige Wort! ‒
.Noch aber sind tausend Widerstände in
dir, die gegen ein anderes Tausend streiten.
.Noch bist du nicht frei in dir selbst!
.Noch bist du nicht wunschlos willig, mit
mir deinen Pfad zum Lichte zu wandeln.
.Der „
Anfang”: ‒
das
Ursein, ‒ zeugt
aus sich das
Urlicht, und das Urlicht zeugt
das
Wort.
.Das Wort aber hat das
Licht des Le‐
bens, und das Licht
leuchtet im Wort,
das den „
Vater” zeugt: ‒ den Urgeist‐
Menschen, ‒ in der tiefen Stille der Ewig‐
keit, die heute ist, wie sie allzeit war und
immerdar bleibt.
.Was wir dir aus dem
Wort verkünden,
ward nicht von Menschenhirnen ersonnen...
.Es ist Aufschluss der
Ewigkeit und hat
nichts mit
erdachter Erdenweisheit zu
schaffen.
.Was du hier empfängst,
ist Licht
aus dem Wort!
.Im Wort sind wir alle, denen du diese
Worte dankst,
vereint in Erkenntnis
und Bewußtsein.
.Wir schaffen geistgesetzte
Ordnung
durch das
Wort: ‒ im Chaos der Spie‐
gelbilder, die sich bedrängen und verdrän‐
gen auf der Oberfläche stetig bewegter, in
Alleräußerstes strebender Kräftewellen.
.Wenn wir
lehren, lehren wir
uns selbst
erkennen.
.Nur in
vorgelebter Lehre kann man
dir
lebendiges Licht vor Augen stellen,
ohne dich durch seinen Urglanz zu blenden.
.Willst du zum Lichte, so mußt du
glau‐
ben lernen!
.Glauben heißt:
Kraft entfalten, um
höhere Kraft zu
erwecken.
.Gläubige
Worte allein schon
können
Kraftentfaltung sein, aber in Worten
allein
sollst du nicht glauben lernen.
.Glaube ist Wille!
.Nach deinem
Glauben wird dir
ge‐
schehen wie du
gewollt!
.Wie dein Glaube, so sind deine Kräfte!
.Nur deine
eigene Kraft löst alle
hö‐
heren helfenden Kräfte für dich aus!
.Wenn du zum Lichte willst, lerne
beten!
.Wenn du betest, so bitte vor allem um
Flügel! ‒
.Siehe: es gibt Flügel, die
höher tragen
als Adlerschwingen...
.Es gibt Flügel, die dich über alle Sterne
tragen.
.Um
solche Flügel bitte, wenn du beten
willst!
.Ein jedes andere Gebet wird Lästerung,
wenn du in dir nicht auch zugleich um
diese Flügel bittest. ‒ ‒
.Wer um Flügel
bittet, dem werden
wahrlich auch Flügel
gegeben...
.Indem du fliegen
willst, werden dir
Schwingen
wachsen!
.Noch während du betest, wirst du
er‐
hoben sein!
.Und nun, du Suchender, zerstö
re die
falschen Götter, willst du dem
Einzigen,
Ewigen nahen: ‒ deinem
lebendigen
Gott!
.Dein Gott ist
in dir selbst, und
nur
in
dir selber kannst du seiner innewerden!
.Nur
in dir selber kann er sich dir ge‐
bären...
.Nur
in dir selber sich dir vernehmbar
machen!
.Du sollst keinen „Gott” suchen
außer
dem Gotte in dir!
.Du sollst keinem
anderen „Gotte”
die‐
nen wollen!
.Höre die uralten,
irrig gedeuteten
Worte!
.Höre sie
neu im Verstehen!
.Höre mit bebendem Herzen: ‒
.„
ICH” ‒ „bin der Herr!” ‒ spricht
dein Gott...
.„Du sollst keine
anderen Götter su‐
chen!” ‒
.„Du sollst dir keine
Vorstellung ge‐
stalten, um dir selber einen „Gott” zu
schaffen, der als monströses Zerrbild deiner
selbst in
nur durch dich bedingtem Da‐
sein wäre, bis du selbst dem Irdischen ent‐
schwunden bist! ‒ ‒ ”
.Hier,
o Suchender,
stehst du vor
aller Wahrheit Anfang und niemals
endendem Ende!
.Wohl dir, wenn du erkennst, was dir
die Worte dessen, dem sein Gott einst also
sprach, ‒ zu sagen haben. ‒
.Mit Absicht gab ich dir hier dieser Worte
ewigkeitsgezeugten
Sinn!
.Wir wollen einen bedeckenden Schleier
über alle Worte werfen, die in den letzten
Menschenaltern wechselnd als unsere Äuße‐
rung galten.
.Es wird so besser sein, denn Vieles braucht
zarte Schonung, was wir rücksichtslos durch‐
jäten müßten, wollten wir in aller Lehre
das, was wir zu säen wußten, von allem Un‐
kraut säubern.
.Unsere geistig „jüngeren” Menschen‐
brüder ‒ und Schwestern ‒ rechnen mit weit‐
aus
kürzeren Zeitenfolgen als wir.
.So fühlten sich manche dazu berufen,
dem Werke nachzuhelfen, das wir zu wirken
haben.
.Wie würde das Tempo unseres Wirkens
diesen „Ungestümen ohne böse Absicht” erst
mißfallen, wüßten sie, daß wir heute noch
am Anfang unseres Werkes stehen, und
kaum begonnen sehen, was ihnen längst
schon als abgetan erscheint...
.Wir streuen Samen auf gepflügtes Land.
.Es kommt auf
euch an, ob der Samen
keimen kann! ‒
.Sehet zu, daß ihr naschhaften Vögeln
wehrt die Körner zu verzehren, bevor sich
Wurzeln und Halme bilden können!
.Hütet, was man euch anvertraut!
.Es müssen viele
im Dunkel sitzen und
viele müssen
im Schatten wohnen, denn
die Tage sind
finster: ‒ sie fressen das
Licht.
.Denen aber, die auch
des Nachts wa‐
chen, wird die Sonne am mitternächtigen
Himmel aufgehen!
.Zu diesen werden Arbeiter in die Ernte
kommen um die Ähren zu Garben zu binden!
.Danach werden weißgekleidete Hirten
kommen und mit Flötenspiel ihre Herden
sammeln!
.Dann wird jeder, der Führung sucht, den
Führenden finden!
.Der Führer aber wird ihn leiten, durch die
ehernen Tore und den Wüstenweg, zu
den Höhen von Himavat!
.Dort ist die Sonne
im Lichte ertrunken
und die Erde hat ihre Schwere verloren.
.Dort ist der Himmel ewiger Feuerbrand und
alle Sterne glühen hell in seinem Licht.
.Alles, was brennreif ist, wird dort zu
Feuer
und ewigem
Leuchten...
.Vieles aber ist grün noch und wasser‐
geschwängert.
.So
widersteht es dem Brande, ‒
wächst,
verwelkt und
verfault. ‒ ‒
.Sicher ersehen die ewigen Väter des Licht‐
feuers Nahrung.
.Sterne um Sterne entzünden sie in der
leuchtenden Glut...
.Höre! ‒
Entbrennen,
Glühen,
Leuch‐
ten, oder: ‒
Verfaulen, ‒ ‒
eines da‐
von ist dein Los!
.Suchst du dem zu entrinnen, so betrügt
dich nur eigene Torheit!
.Du hast nur
die Wahl in der Hand!
.Wer seine eigene Meinung
ewiger Got‐
tesweisheit gleich zu achten wagt, der steht
dem
Werk im Wege, das wir hier auf Erden
wirken müssen.
.Er lästert das
Licht, das die Erde durch‐
leuchtet, und sündigt gegen den
Geist aus
dem er selber lebt.
.Wehe dem Menschen, der seine
Ge‐
danken solcherart frevelnd an Stelle des
Wortes setzt!
.Ehe die Welten wurden, war das
Wort
und in ihm das
Licht als des Wortes
Er‐
kennen.
.Nicht im
Denken wird dieses Erkennen
dem Menschen erfahrbar, denn das Denken
ist nur des Wortes
Diener.
.Wer immer die leuchtende Gabe des
Herrn empfangen will, der gebiete dem
Diener
Schweigen!
.Wir wirken das Werk des innersten
Ostens: ‒ das Werk des lichten Tages der
Ewigkeit.
.Wir sollen die Seelen
dem lebendigen
Lichte öffnen.
.Wer Führung sucht, die Keinen in die
Irre führt, der möge unsere Worte bei sich
im Herzen verwahren!
.Wir aber werden ihm nahe sein, auch
wenn er auf der anderen Seite der Erde lebt.
.Wir sind in dieses Erdenleben geboren
als Abgesandte der Söhne des Urlichts: ‒
der Väter des
Lichtes im Wort...
.Durch uns ward, seit Jahrtausenden im‐
mer erneut, das Licht im
Wort den Men‐
schen
menschlich erkennbar, ohne die
Augen der Sterblichen zu blenden.
.Wir leben im Fleische das Leben der
Ewigkeit.
.Wer durch uns auf den engen Pfad geleitet
wird, der zu unserem Reiche im Geiste führt,
der geht seinem eigenen
Sein im Ewigen
entgegen.
.Wir führen zu den Sternen ewigen Lebens,
die eins sind mit uns ‒ aus
wesenhaftem
Lichte
geboren ‒ im Lichte
lebend, das
von Urbeginn
war, das allzeit
ist und
nie‐
mals verlöschen kann.
.Wir sind
sehr Wenige, die wir diese
uralte
Einheit des Willens auf Erden
ver‐
körpern.
.Viele aber sind wir
mit denen, die
vor uns die gleiche Bürde trugen, ‒ mit
denen, die sie
nach uns tragen werden.
.Wir sind weder durch Volkstum und
Nation, weder durch Landessprache, noch
durch räumliche und zeitliche Entfernung
getrennt, oder jemals zu trennen, auch wenn
in jedem aus uns die irdischen Eigenschaften
seiner Rasse erhalten bleiben.
.In uns selbst beten wir an, was
durch
uns sich offenbaren will...
.Wir haben darauf
verzichtet, noch
Anderes zu sein, als
Seine Offenbarung in
der Welt der Sichtbarkeit.
.Wir sind
absolute Einheit in uns selbst,
und unser erdenhaft Verwesliches ist uns
nur
Werkzeug in der Welt des Werdens
und Vergehens.
.Wir haben uns alle nicht dazu
gedrängt,
zu werden, was wir ohne davon zu wissen,
waren, und bewußt nun
sind.
.Vor Urzeiten wurden wir erwählt, durch
die Einzigen, die erwählen
können, und
nahmen die Pflicht des Erwählten auf uns
wie eine schwere, heilige
Last.
.Jeder aus uns denkt mit Entsetzen an
den Tag zurück, der ihm das irdische Wissen
brachte um die Pflichten und Verant‐
wortungen, denen er im Geistigen schon seit
Jahrtausenden dargeboten war...
.Wo immer einer der Unseren lebt, dort
ist einer unserer geistigen Tempel.
.Keiner aus uns gibt durch sein Wort
etwa nur auf subjektivem Erkennen
allein
gegründete Lehre.
.In dem Worte des
Lehrenden sprechen
alle Wirkenden aus dem ewigen Urlicht
in Ver-
einung.
.Vergeblich würde man
einen aus uns,
von seinen geistgeeinten Brüdern je zu
sondern suchen!
.Man kann auch keinen aus uns lösen
von den Anderen durch den Tod, denn alle
leben wir
ineinander, einer den Anderen
durchdringend, ‒ ob wir nun noch im
Erdenleib sind, oder ob wir ihn abgelegt
haben.
.Wir haben Denken und Schauen über‐
stiegen und fanden das Reich der einfach‐
sten Zeichen: ‒ das Land der
Wirklichkeit.
.Dort leben, und von
dort aus
wirken
wir,
im Innersten vereint, auch wenn
Tausende von Meilen überwunden werden
müßten, wollten wir in unseren Erden‐
körpern zueinander kommen.
.Wer zu
einem aus unserem Kreise geistig
Zutritt fand, der hat einen
Tempel des
Geistes auf dieser Erde betreten...
.Wir wollen die
Herzen der Menschen
erreichen, damit die Herzen den Pfad zum
Geiste finden, der allem Denken der Gehirne
unauffindbar bleibt, solange ihn das
Gei‐
stige des Menschen nicht zu finden wußte.
.Die Auswahl leitet
geisterwachsenes
Gesetz, das nicht zu beugen, nicht zu
brechen ist.
.Keinem aus uns steht es frei, einen Je‐
den, der da kommen mag, auch in den
geistigen Bezirken sich zu vereinen.
.Der Strom muß dem Meere nahe
sein,
soll er des Meeres Schiffe schon
tragen können. ‒ So auch muß der Such‐
ende bereits
bereitet sein, zu
über‐
nehmen, was wir ihm zu geben haben.
.Einem Jeden der geistig zu uns kommt,
kann zwar auf die ihm gemäße Weise
Hilfe,
und in bestimmter Art auch
Führung wer‐
den, soweit ihm Hilfe wirklich von Nutzen
sein wird, und soweit er Führung schon
zu entdecken weiß, wenn sie auch nur seinen
Alltag lenkt. ‒
.Die Führung auf den
höchsten Höhen‐
wegen aber dürfen wir
dem nur bieten,
den wir
am Ende des Pfades durch die
Wüsten dürren Denkens finden, aus seiner
eigenen Kraft.
.Ihn allein hat das Gesetz dazu
bestimmt
die höchsten Höhen geistiger Erkenntnis
zu erreichen.
.Jeder Andere würde nur
tief zu Falle
kommen, wollten wir ihn in geistiger Füh‐
rung auf die Hochpfade geleiten, die nur
den allerwenigsten aus allen gleichzeitig
Lebenden auf dieser Erde gangbar sind. ‒
.Es liegt uns ferne, die keusche Weis‐
heit, deren erwählte Priester wir sind, vor
dem lüsternen Auge der Neugier zu ent‐
schleiern.
.Wir selbst verwirren durch geistigen Ein‐
griff alles, was
ohne oder
gegen unseren
Willen dann und wann durch
Unberufene
vernommen wurde, damit es nicht zum Scha‐
den derer führen kann, die wahllos Lehre su‐
chen wo die Wahrheit sich nicht finden läßt.
.Nach jeder Kunde, die ein Nichtgerufener
sich zu erschleichen wußte, sind wir gezwun‐
gen, die Mauer des Schweigens zu erhöhen,
die um das Heilige gezogen ist, da das Ge‐
setz des Geistes solchen Schutz
verlangt,
wir aber das Gebot
erfüllen müssen.
.Man hat euch in alter und neuerer Zeit
gar vieles gegeben, das denen
nicht ge‐
hörte, die es euch brachten.
.Lernet erwachend erkennen, wie das Ge‐
setz des Geistes solche Gaben immer wieder
zu vernichten weiß, um nicht das ursprüng‐
lich Gute zur Nahrung keimenden Unheils
werden zu lassen!
.Nur was
wir selber den Seelen geben,
verantworten wir im Geiste als unser auf‐
getragenes Werk.
.Glaubt nicht, daß ihr im
irdischen
Osten, ‒ ja selbst an den Hängen des
Himavat, wo die geheiligten „Schwäne” an
den Ufern der höchsten Tempelteiche nisten,
‒ der reinen, lichtlebendigen Weisheit
des
geistigen „Ostens”: ‒ des
Sonnen‐
aufgangs in der Seele ‒ etwa
näher
wäret!
.Nicht alles, was vom geographischen
Osten kommt, ist deshalb Licht vom Lichte
des
geistigen Ostens! ‒
.Auch der sengende Wind dürrer Speku‐
lationen, wie der Fieberhauch wüstesten
Aberglaubens, wehen vom Osten her.
.Die größte
Torheit und die höchste
Weis‐
heit finden sich im irdischen Osten. ‒
.Das
Licht aus dem innersten
geistigen
Osten aber ist
ewige,
kosmische Weisheit!
.Wir wissen
jedes Volk und
jeden Ein‐
zelnen ohne Umwege zu erreichen.
.An den so Erreichten liegt es
allein,
ob das, was wir zu geben haben,
aufge‐
nommen wird, oder zu uns zurückkehrt,
wie wenn es abgeprallt wäre an hartem
Stein...
.Suchet, und ihr werdet ‒ gefunden!
.Doch
dieses Suchen nötigt euch nicht,
auch nur aus dem Hause zu gehen. ‒
.Nur
in euch selbst sollt ihr
suchen
und nur
in eurem Allerinnersten wird
man euch zu
finden wissen.
.Glaubt nicht, daß eitle Mystagogen, die
euch in Hörigkeit haben möchten und dar‐
um ähnliche Macht sich anzudichten ver‐
stehen, jemals solches vermögen!
.Glaubt nicht, daß wir, die
allein zu
solchem Finden
fähig sind, dabei
Anderes
wahrzunehmen vermöchten, als was euch
im geistlebendigen Lebenskern auf
höchste
seelische Weise bewegt!
.Wir kennen keine Neugier, und sehen
geistig nur was
lichtempfängnisfähig ist
in euch.
.All' unser Tun ist nur darauf gerichtet:
‒
Licht zu entzünden, wo es
aufgenommen
wird.
.Hütet, was wir euch vertrauen!
.Es ist
Licht aus dem innersten Osten!
.Das Licht, das ewig
ist und ewig
sein
wird, leuchtet zwar allenthalben in der
Finsternis, aber die im Finstern Träu‐
menden erkennen es nicht.
.Siehe: ‒
noch bist
du selbst nur
dein
Traum, ‒ du, der sich selbst als
Licht
im Urwort
erkennen lernen soll! ‒
.Niemals warst du
wirklich in der
Finsternis, die du dir träumend
schaffst,
denn was du auch immer als finster emp‐
finden magst, hat in der Wahrheit keinen
Bestand.
.Du warst
Licht vom
Anbeginn, der
niemals Vergangenheit werden kann,
weil er in Ewigkeit
Gegenwart ist! ‒
.Leuchten
wollen sollst du in dir selbst,
auf daß du deine Lichtesfülle erkennst, ‒
und
erwachen sollst du aus dem Traum der
Finsternis!
.Heute noch bist du des Traumes
Sklave.
.Morgen schon kannst du vielleicht er‐
wachen, und dein Tag wird ewig sein!
.Keine Nacht wird dir dann die Fülle
des Lichtes mehr rauben können!
.Aus eigener Willenswahl: ‒ durch dei‐
nen
Glauben an die
Nacht, ‒ bist du zu
einem Traum der Finsternis geworden. ‒
.Nun sollst du deine Finsternis, in glei‐
cher Weise, durch den
Glauben an den
Tag erhellen, damit
Licht in dir werde
und dein Traum ein Ende finde.
.Nimm dich in acht vor deinen Träumen,
denn die Geister des Traumes sind herrsch‐
süchtig und tyrannisch!
.Leicht können sie dich
länger im Schlafe
halten als du schlafen müßtest, und dann
verschläfst du deinen Tag und mußt bis
zu einem anderen Tage
warten...
.Noch suchst du im Traum ‒ in leerem
starren Nichts über Wolken den
Einen,
der nur
in unzählbaren Einzelnen sich
offenbaren will.
.Siehe, ‒ Er wohnt auch in dir und
spricht:
.„
Ich bin in ihrer Mitte,
doch sie ver‐
nehmen nicht mein Wort,
denn meine
Stimme ist sanft wie ferner Vogelruf!”
.Lerne darum die Welt der
Vorstellung
scheiden von der Welt der
Wirklichkeit!
.Die
Vorstellung muß überwunden wer‐
den, aber
nicht die
Wirklichkeit der Welt,
die auch „ein Gott” nicht wirklich über‐
winden könnte...
.Suche nach der
Einfalt des Kindes
in dir, wenn du
Geistiges erkennen ler‐
nen willst!
.Meide alle
erdachte „Weisheit”!
.Fliehe die Welten, die nur dein
Denken
dir erstehen läßt, und die mit deinem letz‐
ten Hirngedanken wie ein wirrer Spuk
zerstieben!
.Verlasse die Welt der wechselnden
Vor‐
stellung, wie sie
nur in deinem Kopfe
lebt und west!
.Das ist „
die große Entsagung”!
.Das ist der Anfang des Schreitens auf
dem Pfade, bei dem der Wanderer all‐
mählich selbst
zu wahrhafter Wirklich‐
keit gewandelt wird.
.In heiliger Ordnung waltet das Gesetz
des geistigen Geschehens.
.Soll das
Licht aus dem
Wort die Her‐
zen der Menschen erreichen, so muß es zu‐
vor die Farbe der Erde zeigen.
.Wir sind nicht
das Licht, sondern des
Urlichtes Leuchtende!
.In uns wird dem Lichte der Ewigkeit
die Farbe der Erde!
.Vertraue dem Leuchtenden, der dir zum
geistigen Führer wird in dir selbst, aber
liebe in ihm allein das Licht, das ‒ ihn
durchflutend ‒ sich dir nahen will.
.Befreie deine Seele von jedem Bilde
sterblicher Formen, wenn du das
Licht
durch ihn empfangen willst!
.Was in dir wirken will, ist nicht der
Erdenmensch, durch den des Lichtes Strah‐
len dir
erkennbar werden, sondern
das
Licht im Wort.
.Nennst du den dich Leitenden: ‒ „
Mei‐
ster”, so wisse, daß nur
Einer „der Mei‐
ster” ist
in jedem aus uns!
.Wir sind, was wir sind, um euch zu
helfen.
.Nichts anderes will das Gesetz von uns.
.Wir sollen Kräfte in euch
erwecken,
durch die eure Herzen aller Finsternis ent‐
rissen werden: ‒ Kräfte, die in euch selber
sind! ‒ Kräfte, die euch
zu Bewußtsein
kommen müssen, wenn ihr sie gebrauchen
lernen wollt!
.Wir sollen euch
zu euch selber führen!
.Wir sollen das ewige
Licht des Wortes
in euch entzünden!
.Wir sollen das
Wort in euch zum Wider‐
klang bringen!
.Wir aber können
nichts für euch tun,
wenn
ihr keine Hilfe
wollt!
.Wir können euch nicht helfen, wenn
ihr nicht unerschütterlich wenigstens an
die
Möglichkeit geistiger Hilfe glaubt, so
wie ein Seefahrer glaubt, auf der anderen
Seite des Meeres festes Land zu finden.
.Wir sind
Menschen der Erde wie ihr,
und müssen wie ihr den Zoll an die Erde
entrichten.
.Wir
wirken als Menschen der Erde und
wissen Irdisches wahrlich zu
achten.
.Aber wir wissen auch um das
Voll‐
kommene, als um das ewige
Ziel, dem
alles Geistgeborene ewig
zustrebt ohne es
jemals
erreichen zu können.
.Wä
re die absolute Vollkommenheit je‐
mals
erreichbar, so würde im Augenblick
des Erreichens jegliches Leben enden, und
nur durch ihre Unerreichbarkeit gibt sie
allen Ewigkeiten stets neuen Lebensgrund.
.Vollkommen ist nur der ewig unendlich‐
fältige
Eine, der sich in unzählbarer Ge‐
staltung im
Ursein,
Urlicht und
Urwort
ewig neu als sich selbst erlebt...
.Glaube nicht irregeleiteten Schwärmern
wenn sie dir etwa sagen: es könne jeder,
der es begehrt, zum Leuchtenden des Ur‐
lichts werden.
.Es gibt leider nur allzuviele, die gerne
bereit sind, jeglichem Worte zu glauben,
wenn es nur ihre zehrende Eitelkeit be‐
tört, ‒ und die dann mit allem gierenden
Streben nicht weiter gelangen, als bis zur
Zerstörung ihrer ureigenen Lebensbahn...
.Wer nicht als Leuchtender im Urlicht
schon
geboren wird, nachdem er
seit Jahr‐
tausenden bereits
im Geiste war, was
er nunmehr auch hier
im Erdenleben
sein soll, der wird nur vergeblich jemals
zu „
werden” suchen, was er nicht vom
Geiste her längst
ist.
.Suchet nicht, was euch nicht selber sucht!
.Ihr könnt sonst gar leicht recht teuf‐
lischen Selbsttäuschungen erliegen.
.Die Menschen, denen die Natur ihre
Siegel öffnen muss, sind zu jeder Zeit so
selten, dass nur pathologische Vermessenheit
den törichten Glauben nähren kann, man
gehöre vielleicht zu dieser verschwindend
kleinen Zahl.
.Wer
wirklich dazu gehört, der weiß
es im irdischen Bewußtsein erst dann, wenn
ihm durch den Leiter seiner Bewußtseins‐
erziehung die Kräfte zum geistigen Wirken
auf Erden übertragen wurden.
.Vorher ist kein Erdenmensch fähig, die
unerhörte Belastung seines Bewußtseins,
auch nur einen Augenblick lang ertragen
zu können ohne daran zu zerbrechen, ‒
die mit dem Erlebnis der Identität des ir‐
dischen Selbsterlebens mit einem unfaßbar
weit älteren, individuell gestalteten vorge‐
burtlichen Leben im ewigen Geiste natur‐
notwendig verbunden ist.
.Der hier auf sicherem Boden fußt, weiß
sich frei von allem Geltungstrieb von Jugend
auf.
.Er hat seine Aufgabe niemals selbst er‐
sehnt.
.Im Geiste aber war er dafür bereitet
worden ehe er geboren wurde, und als er
seine Zeit erreichte, fanden die Väter
im Urlicht ihn vollendet wie man eine reife
Frucht am Baum findet.
.In seinem Erdenleben strebte er vielleicht
zu Zeiten streng nach
Weisheit, allein er
war gewiss unendlich weit davon entfernt,
geheime Kräfte sich zu wünschen.
.Wohl suchte er in Demut
Führung,
doch er erstrebte sicher nicht die Weihe, die
ihm nachmals wurde, ohne daß er vordem
darum wußte, daß sie Einzelnen im Erden‐
leben Schicksal sei.
.Selbst wenn er von Ähnlichem
hörte,
galt es ihm nur als Sagenstoff oder Gebilde
allzu erregter Phantasie.
.So ward er Meister in dem, was er ohne
es zu ahnen, von Geburt an war...
.Macht über
okkulte Kräfte, wie sie
menschliche Märchenlust geistiger Meister‐
schaft allezeit zuschrieb, galt aber jederzeit
jedem wirklichen Leuchtenden des Urlichts
nur als verächtlich und keineswegs erstrebens‐
wert.
.Ihr habt gehört, daß es Mittel und Wege
geben kann, solche abenteuerlichen Kräfte
zu erlangen?
.Es wäre wahrlich für euch besser, ihr
wüßtet von solchen Dingen
nichts!
.Den Allermeisten die danach strebten
wurden solche Kräfte
zu Schlingen, und
traurig war das Schicksal derer, die in diesen
Schlingen hängenblieben.
.Wer okkulte Kräfte
als Berufener
meistern soll, der wird in langen Jahren
der Vorbereitung durch einen Berufenen
zu ihrer sicheren Beherrschung und Abwehr
geschult. Selbst dann noch können sie ihm
zum Verderben gereichen.
.Die in harter Erziehung erlangte Macht,
durch die allein okkulte Kräfte zu
beherr‐
schen sind, verpflichtet den der Macht ein‐
mal Sicheren zu steter
Betätigung seines
Könnens, und rächt sich furchtbar, wenn
der Wille
auch nur einmal erlahmt.
.Ein Moment des Zögerns, und des Zwei‐
felns an der eigenen Macht, kehrt alle Kräfte,
denen sie gebieten kann, gegen den Be‐
schwörer, und bringt Unheil mit unüber‐
sehbaren Folgen.
.Wahnsinn und geheimnisvoller Tod sind
noch nicht die schrecklichsten Wirkungen,
die solcherart entstehen können.
.Schuld trifft dann
den, der diese Macht
in Hände gab, die nicht für sie geschaffen
waren.
.Kein wirklicher geistiger Meister würde
sich mit solcher Schuld beladen, obwohl er
wahrlich die hier Macht gewährenden Prak‐
tiken bis ins kleinste
kennt.
.Wirkliche Geistesmacht steht unbe‐
schreiblich hoch über
allen okkulten Fähig‐
keiten irgendwelcher Art.
.Der Schüler, den ein geistiger Meister
zum Sohn annimmt muß ein Mensch sein,
der vordem im Willen der Erde sich selbst
„gestorben” ist und nun im Willen Gottes
lebt, in dem er „geboren” wurde.
.Was dann der Meister tut, besteht einzig
darin, daß er aus Gott den Menschen leitet,
Gottes Wille in sich zu benützen und ihm
sich anzugleichen, was freilich oft wunder‐
same Wirkung haben kann.
.Die Erde der Menschen ist dann des
erwählten Sohnes Arbeitsfeld, und das Reich
des ewigen Willens seine Heimat.
.Wer hingegen nach okkulten Kräften
strebt und sie durch äußere Übung zu be‐
meistern sucht, ist erst in das schwüle Däm‐
merland verderblicher Wünsche und gefahr‐
voller Versuchung gelangt.
.Magie im
höchsten Sinne, als die
König‐
liche Kunst der Geistgeeinten, hat mit
diesem Dämmerland allerdings
nichts ge‐
mein!
.Die wahre Wunderkraft der Königlichen
Kunst ist nur
des Gottesgeistes nie be‐
siegbarer Wille...
.Der Mensch besitzt Anteil an diesem
Willen in sich selbst, sobald er sich un‐
widerruflich
dem Willen der Erde in sich
versagt.
.Wer aber dem
Willen der Erde
sich
entziehen will, der darf nicht glauben,
nun auch „
der Erde entsagen” zu müssen. ‒
.Weltverneinung ist Torheit!
.Weltverneinung ist der narkotische
Trank schwächlicher Seelen,
die der
Wirklichkeit entwischen zu können
glauben...
.Durch Weltverneinung wirst du gerade
am engsten
dem Willen der Erde ver‐
haftet, denn: ‒
was dich die Welt „
ver‐
neinen” heißt, ist nur
der unbefriedigte
Wille der Erde, nicht aber des
ewigen
Geistes sieghaft starker
Urkraftwille,
dem alles durch ihn im Dasein Erschienene
dienen muss, und dem
nichts widerstehen
kann. ‒
.Dem Willen der Erde kannst du dich
nur
entziehen durch
aktive eigene Willens‐
haltung.
.Der Erde aber
entsagen wollen, ver‐
langt nichts anderes von dem Entsagenden,
als
müde Passivität.
.Die
Flucht aus der Welt ist wahrlich
nicht als aktives Handeln zu werten, und
in den allermeisten Fällen ist sie nur folgen‐
schwere Auswirkung psychophysischer Stö‐
rung, vereint mit dem Trieb zu überstei‐
gertem Selbstgenuß.
.Töricht sind sonderlich alle „Ich”-Ver‐
ächter, denn sie wissen nicht,
was sie ver‐
achten.
.Wenn sie sagen: „
Bekämpfe in dir
dein
Ich!” ‒ so raten sie dir
schlecht!
.Lösche „
Ich” aus, und
Alles ist aus‐
gelöscht, ‒ denn alles
Sein und alles
Scheinen ist nur
durch „
Ich”,
für „
Ich”
gewirkt: ‒ wird
wirkend nur
in „
Ich”
empfindbar...
.Du kannst „
Ich” nicht auslöschen, wenn
du auch aus allen Kräften zu einem
Nicht‐
„Ich” werden möchtest.
.Ewig ist das
Ur-„Ich”, das ewig dich
aus sich erzeugt.
.Nicht eine Sekunde wärest du im Da‐
sein, würde diese geistige Zeugung auch nur
während einer
Millionstel-Sekunde dich
nicht im Dasein wollen. ‒
.Sage denen, die da behaupten, in ihnen
sei „Ich”
erloschen: ‒
.„Nicht
ihr seid
Nicht-„Ich”
geworden,
sondern eure Torheit glaubt nur an dieses
Unwesen eurer
Ein-
bildung!”
.„Ihr
unterdrückt zwar, was „Ich” ist
in euch, aber ihr könnt „
Ich” nicht töten!”
.„
Irrig habt ihr die Worte der Weisen
verstanden, denn der Weise ist „
Ich” von
Grund auf! ‒ Alles in ihm ist
untertan
seinem „Ich”! ‒ ”
.„
Was ihr aber
abtun sollt, ist: ‒
das
Angenommene!”
.„
Ich”
bist du, o Suchender, von
Ewig‐
keit her, auch wenn du deine eigene Iden‐
tität noch nicht in der ewigen Spirale
geistiger Aufeinanderfolge
erkennst!
.Alles, ‒ außer „Ich”, ‒
ist zeitweilig
angenommen! ‒
.Du verteidigst zwar das Angenommene,
als sei es dein
Eigentum, ‒ aber alles,
was an-
genommen ist, gehört dir nicht von
deinem Urgrund her
zu eigen!
.Alles, was
angenommen ist, wird dir
wieder
genommen!
.Unzähliges Angenommene ist dir schon
unzählige Male wieder genommen
worden...
.Dein „eigener”
Körper ist nur
an-
ge‐
nommen in dieser Welt der ‒ Annahme. ‒
.Du aber
bist „Ich”! ‒
.„Ich” ist
einmalig,
einzigartig und
unzerstörbar in
jeder seiner Emanationen!
.„
Auflösung” des „Ich” ist
unmöglich!
.Was man wohl der Kürze halber so
nennt, ist ein sehr komplizierter Vorgang
der Bewußtseinszerstörung, bei dem das
vorher „Ich”-
vereinte Bewußtsein sich
löst
vom „Ich”, und somit sein ewiges „Ich”
verliert.
.„Ich”
ist unerklärbar, denn „Ich” ist
absolute Einheit, ‒ „
Licht an sich”,
und
vollendete Klarheit.
.Scheinbare Klarheits-
Differenzie‐
rung im „Ich” ist nur Wirkung der
Bewußt‐
seinsbewegung, die du
wahrnimmst
im „Ich”.
.„Ich”
ist ewig aus Ur-„Ich”
gezeugt
und
bleibt ewiges
Zeugnis ewiger Zeugung!
.Zerstören kannst du nur
dein Bewußt‐
sein um dein unzerstörbares „Ich”. ‒ ‒
.Geistig bewußt werden aber kannst du
nur, indem dein Bewußtsein
Aufnahme
findet in „Ich”, so, wie „Ich”
im Geiste
lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit...
.Nicht anders wird der „
Vater”, nicht
anders das „
Urwort”, nicht anders das
„
Urlicht” erkannt und geliebt, als im
„
Ich”!
.Dieses aber bist du: ‒ du jedesmal
einziges „Ich”, ‒ wenn du Alles von dir
abgetan hast, was nur
Angenommenes
ist! ‒ ‒
.Suche
nicht außen, du Suchender,
was nur
im Innersten lebt!
.Nie und nimmer kannst du
außen
finden, was du suchst!
.Nie wirst du
wissen um „Ich”, wenn du
nicht vorher „Ich”
im Innersten deines
Innern gesucht und
gefunden hast!
.Du wirst „
Ich” jedoch nur dann
fin‐
den in dir selbst, wenn du
geistig nüchtern
bleibst und dein Bewußtsein nicht beirren
läßt durch Gaukelspiel, wie es
deine und
Anderer Phantasie so reichlich darzubieten
hat. ‒
.„Ich” ist nur
einmal in dir im Dasein,
‒ aber Unzähliges sucht sich in dir zu
behaupten, indem es unter diesem Namen
dir verbirgt, daß es nur Angenommenes ist.
.Wie steht es aber um die hohe Gemein‐
samkeit der geistigen Lehrer?
.Wie gelangst du zu ihnen, die dich vom
Geiste her helfend führen, wenn du „außen”
nicht suchen sollst?
.Was sollen dir diese Worte hier, die
doch von
außen her dich erreichen müssen,
wenn du nur
in deinem Allerinnersten
die Führung erwarten darfst?
.O Suchender! ‒ Diese geistige Führer‐
schaft ist dir sehr nahe und du weißt es
nicht! ‒
.In dir
wirkt sie und
in dir bist du mit
ihr verbunden, ohne die Spur der Ver‐
bindung zu ahnen.
.Du könntest im äußeren Leben auch
Tage und Nächte lang mit einem der gei‐
stigen „Meister”, wie man die Leuchtenden
des Urlichts zu nennen pflegt, in
einem
Raume
zusammen leben, und du würdest
ihn doch nicht als das, was er ist, erkennen,
denn gut hat der
eine Meister, der uns zu
geistigen Meistern
schuf, unsere Meister‐
schaft vor trübsichtigen Augen verhüllt...
.Wenn du aber
sehend unserer Geistes‐
gemeinschaft nahen willst, so achte darauf,
in dir selbst
die geistige Atmosphäre zu
erreichen in der wir leben, ‒ wir, die wir
selber sehend wurden durch das
eine ewige
Auge, dem kein irdischer Sinn entspricht.
.Nicht eher wirst du innerlich uns ver‐
nehmen, als bis zu jenem Tage, der dich
zum erstenmal in innerster wunschloser
Stille, voll
Sicherheit und vertrauender
Furchtfreiheit findet!
.Äußere Ruhe nützt dir dabei nur wenig.
.Je reicher du
beschäftigt bist in deiner
Alltagswelt, ‒ je intensiver du die
Arbeit,
die dein Tagewerk von dir verlangt, zu för‐
dern weißt, ‒ desto näher kommst du in
deinem Innern der geistigen Atmosphäre,
die uns Lebensnotwendigkeit ist, und in
der
allein die unstörbare
Stille herrscht,
die du erreichen mußt. ‒ ‒
.Du liebst vielleicht die romantische Vor‐
stellung, wir „
Löwen der Stille”, wie man
uns nannte, seien müßige Träumer, phan‐
tastische Hierophanten, oder gar „Yogis”
von der zweifelhaften Sorte, die man an den
Märkten sieht?!
.Du glaubst, die
Klar-
Augen, denen die
Mythe aller Völker erhabene Einsicht dankt,
seien wohl Priester mysteriöser Kulte in
weihrauchdurchzogenen geheimen Krypten?!
.Du kannst dich nicht lösen von der Vor‐
stellung, wir seien irgend einem irdischen
Willen dienstbar, ‒ irgend einer macht‐
erstrebenden Religion oder Weltansicht
gemeinsam verhaftet?! ‒ ‒
.Wenn du, o Suchender, jedoch auf die
Spur der
Wahrheit finden willst, dann lass'
dich nicht täuschen durch die Gaukelspiele
deiner übersatten Phantasie!
.Wisse, daß unter den geistigen Meistern,
die auf dieser Erde wirkten,
Meister des
Schwertes sind!
.Wisse, daß andere die Geschicke großer
Länder lenkten!
.Einige aus uns pflegten hohe Künste,
andere hohe Wissenschaft, und wieder andere
flohen und fliehen jede Wissenschaft, jede
Kunst.
.Einige lebten in großen Städten inmitten
des Weltgetriebes ihrer Zeit, ‒ andere aber
hausten in ferner, unnahbarer Einsamkeit,
die auch heute noch fast aller Zuflucht blieb.
.Wechselnd im Wechsel der Zeiten, fin‐
den sich in gar
verschiedenen Situationen
menschlichen Erdendaseins unsere Spuren.
.Keineswegs aber sind alle aus uns ein‐
ander in
jeglicher geistiger Hinsicht
gleich,
und jeder einzelne behält die Freiheit der
Entscheidung, ob und wie lange er auf seiner
erreichten Stufe stehen bleiben, oder aber:
ob und wann er die darauffolgende ersteigen
will.
.Alle der Unseren aber hören immerdar
den Ruf, der sie berufen hat...
.Vielleicht würde nur Weniges deiner
übersteigerten Vorstellung von dem Wesen
gotteiniger Menschen entsprechen, könntest
du einen aus uns, die man „
Meister der
sieben Tore” zur Gottheit nennt, in seiner
irdischen Einkleidung erkennen!?!
.Jedoch: ‒ das Äußere ist dem Weisen
nur gültig als notwendig irdisch geforderter
Schein, und
jeder Schein ist an sich
trüge‐
risch, ‒ auch wenn er wahrlich nicht als
bloßes „Nichts” gewertet werden darf. ‒
.Wie sollten aber die „
Wolken der
Erkenntnis” das Land befruchten kön‐
nen, wenn sie nicht ‒ in eine Welt des
Scheines gesandt ‒ als Schein im Schein
zu wirken wüßten?! ‒
.Glaube aber nicht, daß du einem aus
uns
begegnen müßtest, um sein geistiger
Schüler werden zu können!
.„Von außen her” lehrt
keiner aus uns
die letzten Dinge!
.Was ich dir hier sage, kann dir wohl
Anstoß deines Willens werden, die Wahr‐
heit zu suchen, aber alle Lehre, die ich dir
in Worten meiner Sprache geben kann,
bleibt stets nur
Weckruf an dein Inneres,
denn die Weisheit des Himavat wird
anders
„gelehrt”...
.Sie ist
tiefer gegründet, als nur auf die
Auffassungsfähigkeit der
Gehirne!
.Tiefer als
alle menschlich vergänglichen,
irdisch veränderlichen Lehren und Schulen!
.Du kannst aber nicht im Innersten dei‐
nes Innern mit den lebendigen „
Steinen
der großen Mauer” leben, bevor du ge‐
wohnt bist, in
ihrer Luft, hoch über allen
Nichtigkeiten von vermeintlicher Wichtig‐
keit, und hoch über aller bramarbasierenden
Marktschreierklugheit zu atmen.
.Wie aber der Ton auf
allen Harfen im
Saale mitklingt, wenn der Finger des Spie‐
lers die Saite
einer Harfe berührt, so klin‐
gen alle heiligen Klänge für jeden Schüler
der geistig eingeordnet wurde, nachdem
er die „Stimmung” der „
Harfen des ge‐
weihten Berges” in sich erreichte...
.Dein innerer Zustand ist der Schlüssel,
der dir die Pforte öffnet zum geheimen
geistigen Tempelraum!
.Nichts kann dir verschwiegen, nichts dir
vorenthalten werden, wenn du diesen Schlüs‐
sel
wirklich dir erworben hast, ‒ der aber
auch
nur so lange aufzuschließen vermag,
solange du in dem durch geistiges Gesetz
geforderten Zustand
verharren wirst. ‒
.Suche aber nicht etwa Klänge in dir zu
hören, Visionen zu haben, oder Worte der‐
art zu vernehmen, als wenn sie von außen‐
her zu dir gesprochen würden!
.Prüfe dich selbst und bleibe seelisch wach,
damit du nicht Wahn- und Wunschträumen
zu willen wirst, wo du die
Wirklichkeit
erkennen lernen willst!
.Suche nichts,
außer dem Zustand
innerster,
wunschlos vertrauender see‐
lischer Stille!
.In dem gleichen Grade, in dem du dich
diesem Zustand näherst, wirst du dich
Denen
nähern, die
mit dir den Weg zur Wahrheit
geleitet werden, und ebenso wirst du dich
von ihnen entfernen, wenn du versäumst,
den Zustand allerinnerster wunschloser Stille
ungestört in dir
zu erhalten.
.Keine äußere Unrast kann diese hier
gemeinte Stille stören,
die nur
durch dein eigenes Verhalten allein
bestimmt wird in dir. ‒
.Suche nicht in seelischem Zwielicht nach
den geahnten Gefährten.
.Du kannst nur teilhaben an ihrer bereits
erlangten Kraft, und du wirst dieser Stär‐
kung deiner eigenen Kräfte gewiss bewußt
zu werden vermögen, ‒ doch um die mit
dir im Streben zum Geiste Vereinten weiß
nur der, dessen Schüler du bist, wie auch
jene seine Schüler sind.
.Grüble nicht, sondern sei dir nur stets
der ehrlichen Anspannung aller deiner
dir
bekannten inneren Fähigkeiten bewußt!
.Keinen Augenblick darfst du dich
selbst aus dem Auge der Seele verlieren!
.Du könntest sonst
den Weg verfehlen,
und würdest erst nach langer Zeit gewahr,
daß du
nicht mehr auf dem Wege bist...
.Wenn du zu denen gehörst, die auf dieser
Erde ihre Zeit nicht ungenützt versäumen,
dann wird dir
schon während dieses
Erdenlebens in deinem eigenen Innern
der strahlende Tag erscheinen.
.Dann wirst du allen Gefahren entronnen
sein, denn du wirst alsdann deinen Weg
aus deiner
eigenen Klarheit
erleuchtet
sehen.
.Doch heute darf deine Sorge gewiss noch
nicht jenem Tage gelten, dem du nur in
Geduld entgegenwachen lernen sollst!
.Du weißt es nicht,
wann er dir be‐
schieden ist, und
niemand weiß es...
.Du selbst bestimmst
deine Zeit, und
mußt „deine Zeit”
erfüllen!
.Es genüge dir das Wort, das ich dir
hier zu sagen habe:
.In der vollendeten Zeit wird auch
dir die Vollendung nahen!
.Alle Ungeduld trübt nur deinen Blick
und
verzögert dadurch das Werk.
.Ewig bist du,
und dein ist die
Ewigkeit!
.Beharrlich harre aus!
.Gelassen lasse das „Angenommene”!
.Du hast es nur gut zu
verwalten!
.Es ist keineswegs dein
Besitz. ‒
.Erstrebe täglich und stündlich den hohen
Zustand innerer
Stille, mitten im Lärm der
Außenwelt!
.Erfülle dich mit gläubigem
Vertrauen
und
halte dich frei von aller
Furcht!
.So kommst du im Geiste dem nahe,
der dich geistig leiten kann, ‒
so
wirst du im Geiste die hohe Gemein‐
schaft gewahr,
aus der er dich erreicht,
‒
so kommst du endlich zu dir
selbst in deinem lebendigen Gott!
.Hüte dich aber, du Suchender, vor
deinem eigenen Wankelmut!
.Hüte dich vor den Dornenhecken der
Zweifel! ‒
.Du ahnst vielleicht die Stätte des Lichtes,
so wie ein nächtiger Wanderer durch die
Frühnebel hindurch jene Stelle am Himmel
schon ahnt, an der das Tagesgestirn bald
aufleuchten wird.
.Zwischen dir und jener Stätte aber wurzelt
das Dornengestrüpp stets sich erneuernder
Zweifel...
.So viel du ihrer auch ausrotten magst,
so viele wachsen wieder aufs neue nach.
.Versäume deine Zeit nicht mit törich‐
tem Tun!
.Niemals ‒ auch nicht in Ewigkeit, ‒
würdest du vorankommen können, wolltest
du dich vermessen, die Dornenhecken der
Zweifel erst auszuroden! ‒
.Hier hilft allein dein beharrlicher
Mut.
.Kraftvoll und sicher schreite voran, auch
wenn deine Füße aus tausend Wunden der
Eitelkeit bluten!
.Dein Fuß muß
rein sein, wenn dich
der eine ewige Meister, der da Meister ist
in jedem aus uns, die klaren kristallenen
Wegstufen betreten lassen soll, die zu den
Hallen der Anbetung im Geiste und in der
Wahrheit führen.
.„Rein” wird dein Fuß erst dann, wenn
er
in deinem eigenen Blute gereinigt
wurde...
.Tausende haben den Weg zum Lichte
gesucht und blieben in den Dornenhecken
der Zweifel hängen, weil der Suchenden
selbstische Eitelkeit es nicht zuließ, daß sie
weiterschritten, ohne die Dornen vorher
entfernen zu können.
.Du, o Suchender, sei nicht diesen gleich!
.Du bist geborgen, wenn du der ewigen
Sonne vertraust, deren Strahl dir im Lichte
meiner Worte leuchtet...
.Fühllos für alles, was dich zurückhalten
möchte, strecke du deine Hände aus nach
jenen hilfreichen Händen die du nun
vor
dir siehst!
.Schweigend folge dem dich Führenden,
der von sich sagen kann:
.„
Ich suche das Licht nicht mehr,
denn ich selbst wurde leuchtend!”
.„
Ich suche den Frieden nicht mehr,
denn ich selbst wurde Friede!”
.„
Ich suche kein Wissen mehr,
denn
ich wurde selbst unvergängliches Wis‐
sen!” ‒
.Beziehe alles Gute auf Gott!
.Wiege dich aber nicht in der eitlen
Vermessenheit so vieler, als ob Gott dir
auf jede Frage
antworten müsse.
.Frage getrost, und freue dich, wenn dir
Antwort
wird, ‒ aber
beruhige deine
Fragelust, wenn dir die Antwort nicht zu‐
fällt
noch während du fragst!
.Die Wunden, die dir die
Zweifel reißen,
sind nötig für das Wachstum deiner
Glau‐
benskraft.
.Fliehe nicht feige, was dir als Hindernis
erwächst, damit es dich festhalte bis deine
Kraft erstarkt ist zum Weiterschreiten!
.Wähne nicht, daß du berufen sein könn‐
test, für dich selbst und Andere alle Hecken
der Zweifel zu lichten, wie deine Eitelkeit
gerne dir zuraunen wird.
.Erst wenn du die Zweifel
lieben lernst,
wirst du dich vor ihnen zu hüten wissen!
.Erst wenn
kein erreichtes Ziel mehr
deinem Geltungswillen neue Nahrung
schafft, wirst du befähigt befunden, das
höchste der Ziele zu erreichen...
.Schweigen muß deine Seele lernen,
wenn das Licht ihr nahen soll!
.Schweigen wird deiner Seele
tiefster
Ruf nach Erleuchtung sein!
.Schweigend geht deine Seele dereinst
dann in das ewige Leuchten ein!
.Je besser du innerlich
schweigen lernst,
desto näher wirst du den Einsichten kom‐
men, die deine Seele ersehnt.
.Die tiefen Einblicke in die Bereiche
wahrer
Wirklichkeit öffnen sich nur
dem,
der in sich selbst zur
Ruhe kam, weil er
das innerliche Schweigenkönnen zu er‐
lernen wußte!
.Unter tausend Masken ist es aber immer
wieder deine
Eitelkeit, die deine innere
Ruhe stört durch immer neue
Fragen,
denen keine Antwort werden
kann, solange
du nicht
in der großen Stille bist...
.Erst wenn du
innerlich zu schweigen
weißt, kommst du in der Stille deiner Seele
zu der Antwort, die dich auf ewig erlöst!
.IN DEINER SEELE IST EINE KLEINE
PFORTE, ‒ KLEINER ALS EIN SON‐
NENSTÄUBCHEN.
.WER SIE DURCHSCHREITET, KANN
IN FERNE LANDE REISEN OHNE SICH
AUS SEINEM HAUSE ZU ENTFERNEN.
.DIE ÄLTESTEN ZEITEN KANN ER
AM HEUTIGEN TAGE ERLEBEN.
.NUR WENIGE ABER WISSEN SICH
SO KLEIN ZU MACHEN, DASS SIE DIESE
WINZIGE PFORTE BEWUSST DURCH‐
SCHREITEN KÖNNEN...
.Im Tempel angelangt, in dem ihm die
Weihe werden sollte, fragte der Schüler
den Meister:
.„O sage mir doch noch, du Sicherer,
dem ich so lange schon mich anvertraue,
was du vor dir selber bist in deinem
Wissen um dich selbst, ‒ du, der du alles
in dir zu bemeistern weißt und von nichts
mehr bemeistert wirst!?
.Ist das, was du bist, noch im
Menschen
beschlossen, oder hast du in dir selbst ein
Anderes gefunden, dem der Mensch nur als
Maske dienen muß? ‒”
.Und der Meister sprach:
.„
Ich bin, wie du, ein
Mensch, ‒ aber
was ich war,
bevor mir meine Mutter Leib
und Leben dieser Erde gab, das wurde ich
hier erst, nachdem ich
den Schlaf des
Menschen dieser Erde überwunden hatte.
.Dann erst wurde ich der Meister meiner
ewigen Kräfte auch hier auf Erden, als ich
den erdbedingten
Schlaf bezwingen lernte,
in dem die Menschen dieser Erde sich ihr
Leben zu erträumen trachten.
.Fragst du mich nun, was ich bin, so
kann ich dir nur sagen:
.Ich bin ‒
ich selbst, und
nur ‒ ich
selbst!”
.„Du selbst?” ‒ stammelte fragend der
Schüler...
.„Du selbst? ‒ ‒”
.„Wie soll ich das deuten?! ‒ ”
.„
Mein wissensdurstiger Schüler”, ant‐
wortete darauf der Meister, ‒ „wie vieles
hast du bereits von mir gehört, und wie
vieles könnte ich dir noch zu sagen haben,
‒ aber wie vieles muss ich dir dennoch
ewig verschweigen, wenn du es nicht
aus
dir selber dir zuerst zu sagen weißt! ‒ ‒
.Wirst du mehr um mich wissen, wenn
ich dir nun sage:
.Ich bin Herr meiner ewigen Kräfte, denn
ich bin dieser ewigen Kräfte
Selbstkraft
geworden?
.In mir sind sie nun ihrer selbst bewußt,
und in meinem Willen wissen sie sich allein
gewollt...”
.„So sage mir
von den Kräften, deren
Selbstkraft du bist, o Großbeseelter!” ‒
bat darauf der Schüler.
.Und der Meister sprach:
.„Höre, du Suchender nach dem Licht,
und verstehe in deinem Herzen!
.Wenn ihr schlafenden Menschen nach
der Weise der Erde sagt: ‒ wir sehen die
Welt durch das Auge, wir fühlen oder tasten
sie, und unser Ohr gibt von ihr Kunde,
dann redet ihr von einem kleinen
Teile
der Welt, der euch mehr oder weniger er‐
kennbar wird.
.Ich aber weiß
das Ganze und
lebe be‐
wußt in ihm...
.Ich sehe, höre und fühle
mehr wie ihr!
.Ich lebe
in der ganzen Allwelt, die
aus Welten, der euren gleich, gebildet ist
und alles, was ist, in sich umfaßt.
.Ineinander verwoben, ‒ einander durch‐
dringend, ‒ sind
alle Welten
am gleichen
Ort.
.In eurer Welt
verborgen, ‒ verhüllt
durch eurer Welt sichtbare Formen, ‒
steht die Welt der geistigen Kräfte, denen
ich Selbstkraft aus dem Geiste bin.
.Urschöpferisch, aber auch: ‒
durch
Schöpfung zerstörend, ‒ wirken diese
Kräfte.
.Ohnmächtig sind sie aus sich allein, da
ihnen alle Impulse fehlen, sich aus Eigenem
auszuwirken, aber die Selbstkraft eines Ein‐
zigen, der ‒
er selbst ‒ ist, erfüllt sie
mit Antrieb zum
Selbsterleben, und so
werden sie zu geistig gewollten Gewalten...
.Die Macht dieser Gewalten fühlen alle,
die hier auf Erden leben, ‒ Könige, wie
Bettler, ‒ Starke, wie Schwache, ‒ Reiche,
wie Arme, ‒ jedoch nur die wenigsten
ahnen, aus welchen Welten her solche Aus‐
wirkung sie erreicht.
.Fast allen ist es verborgen, weil sie nur
traumwach sind in ihren Erdenleibern,
während ihre Seelen schlafen. ‒
.Doch, höre weiter, du, der ein
Auge
der Welten werden soll!
.Verwoben und eingesenkt der Welt, die
euch
allein als die ganze Allwelt er‐
scheint, und in gleicher Weise auch ver‐
woben der Welt dieser
Kräfte des leben‐
den Feuers von denen ich hier zu dir rede,
steht eine Welt des reinen
Lichtes, das
alle Welten durchleuchtet und in sich zur
Offenbarung bringt.
.Diese drei Welten hält, ‒ in sich ge‐
bettet, ‒ sie durchströmend, und in sich
selber alle erlebend, ‒ Der Gewaltige, der
sich selbst
allein in Seinem
Namen kennt.
.Uns offenbart Er sich im Schweigen...
.Aus Ihm und in Ihm lebt jeder, der
ein sehendes Auge der Welten wurde.
.Durch Ihn ist Selbstkraft Herrin der
Kräfte des lebenden Feuers.
.Du könntest Ihn wahrlich auch ‒
Die
‒ Gewaltige nennen, denn Mann
und Weib
sind in Ihm beschlossen.
.Im Urbeginn der Wesen, die sich „Men‐
schen” nennen, war der Mensch in der
ewigen Zeugung aus dem „Vater”,
Eigner
der Selbstkraft und
Herr aller Kräfte des
lebenden Feuers.
.Doch, als die Kräfte des lebenden Feuers
das ohne Flamme brennt, dem urgezeugten
Menschen ihre Macht in allem Leben zeig‐
ten, vergaß er seiner Selbstkraft, der allein
die Kräfte des Feuers ihre Stärke, Größe
und Gewalt zu danken hatten, und ‒
fürchtete sich vor ihnen...
.Furcht ist des Menschen Urschuld,
‒ denn nur aus
Furcht vor den Kräften,
deren
Herr er war, fiel der Urgezeugte
aus dem ewigen Leuchten!
.Siehe,
du kennst nun die Ursache alles
Bösen hier auf dieser Erde!
.Nicht nur der Mensch allein ist ihm
verfallen, sondern auch alle Welten in die
der Gefallene seine Urfurcht trug...
.Bewundernd stehst du vor den „Wun‐
dern der Natur”, ohne zu ahnen, daß da
alles was du wahrnimmst, aus
deinem nun
gebannten ewigen
Geisteswillen stammt,
und weitaus
wunderbarer wäre, würde das
Reich, das du „die Natur” nennst, und dem
du selbst nunmehr verhaftet bist, dich heute
noch als seinen
Herrn erkennen kön‐
nen. ‒
.Nun müssen alle Kräfte in ihm weiter
wirken wie die Räder eines Uhrwerks, das
man einmal aufgezogen hat.
.Du allein kannst auch „die Natur”
er-
lösen, und wenn darüber noch Millio‐
nen Jahre vergehen sollten!
.Aber glaube nicht, daß dieser kleine
Stern auf dem wir hier jetzt leben, für sich
allein die Folgen deines „Falles” trägt!
.Den ganzen physisch wahrnehmbaren
Weltenraum mit allen seinen Sonnen und
Planeten, hat der Mensch, durch seinen Fall
aus dem Bewußtsein seiner Geistesmacht,
dazu verurteilt, ohne „Gott” zu sein, denn
nur
dem Menschen allein war urbedingt
einst anvertraut, was heute unsichtbare gei‐
stesferne Machtgier sich zu eigenem Herrsch‐
bereich erzwungen hat.
.Unschuldig muss, durch des
Menschen
Schuld, unzählbares Lebende leiden!
.Schuldhaft hat er über sein eigenes
irdisches Leben
gleiches Schicksal verhängt.
.Nur durch den
Menschen, der, in
Furcht verfallen, seiner urgegebenen Macht
vordem
entsagte, kann alle Kreatur der‐
einst auch wieder ihren Peinigern
entrissen
werden, die an dem unsagbaren Leid sich
weiden, das der Fall des Menschengeistes
ungewollt bewirken mußte.
.Nun höre weiter vom Schicksal des
Menschen, ‒ dem Schicksal, das nicht auf‐
gehalten werden könnte, auch wenn ihm
ursprünglich nur
einer der Menschen
allein
verfallen wäre.
.Stets neues Übel neu bewirkend, durch‐
rollt es die Zeiten aller erdmenschlichen
Generationen, und mehrt die Furcht: ‒
die Urschuld, ‒ in jedem der neuen Ge‐
schlechter.
.So sank der Mensch herab von seiner
geistigen Macht und in Gott gegründeten
Größe, bis eine vergängliche
Tierform
seinem Selbsterleben letzte Rettung bot. ‒
.Was ihr „
Urmenschen” nennt, waren
jene
Tiere, denen sich der geistgezeugte
Mensch: ‒ der „Herr der Erde”, einte,
nachdem er, durch
Furcht überwunden,
aus seiner Gotteseinung „gefallen” war...
.Dennoch hat ihn die Kraft aus der Höhe
nicht ganz verlassen!
.Aus urgegebenen Kräften lebend und
den tierischen Körper durchdringend,
ver‐
borgen dem Tiere und
im Tier verhüllt
vor sich selbst, ahnt er doch
Selbstkraft
in sich wie ein fremdes, höheres Wesen.
.Das Tier wurde
Zuflucht dem Gefallenen,
der ohne Heimat irrte, ‒ denn die Heimat
kannte ihn nicht mehr, ‒ und des Tieres
Leib ward ihm auch zur
Höhle der Er‐
lösung...
.Sobald nun
Selbstkraft in ihm zu
leuchten beginnt,
jauchzt er im Tiere, und
alle
Brunst des Tieres wird in diesem
Lichte
dunkel. ‒
.Darum verlangt er im Tiere ungestüm
nach solchem Licht, ‒ und immer mehr
treibt heischendes Begehren ihn diesem
Lichte entgegen nach jedem neuen aufge‐
nommenen Strahl.
.Einige der Wesen, die sich hier auf
Erden nun „Menschen” nennen, ‒ deren
Mut gestärkt war, da sie aus dem Geiste
her der Tierheit banges Mühen sahen, dem
sie selbst entgegengingen, ‒ strebten mit
solcher Gewalt dem Lichte zu, daß sie das
Licht bereits
vor ihrer irdischen Geburt
wieder erreichen konnten.
.Diesen wurde
Selbstkraft aufs neue
zum
Eigentum!
.Sie wurden die ersten Helfer ihrer im
Tiere schlafenden Brüder und dieser ihrer
Brüder Schwestern.
.Sie wurden die sehenden
Augen der
Welten!
.Sie beherrschen
die Kräfte des leben‐
den Feuers, die ihnen dienen mit feurigem
Eifer...”
.„
Weißt du nun, was ich bin ‒ ? ‒”
fragte nach dieser Rede der Meister.
.Und sein Schüler, wie aus einem Traume
erwachend, antwortete verwirrt, indem er
sprach:
.„Ja, Herr! ‒ Ich glaube nun zu ahnen
was du bist.
.Allein: ‒ erkläre mir doch, der du so
vieles mir schon erklärtest, ‒ war es dein
Vater, der dir solche Geisteskraft vererbte,
oder gab dir deiner
Mutter Leib die Gabe
solchen Erkennens?
.Verzeihe mir, wenn meine Frage mehr
erfragen sollte, als du mir beantworten willst!
.Du weißt, daß ich vor dir mich in Ehr‐
furcht beuge, ‒ aber mein Auge kann nicht
vergessen, daß es dich als einen Menschen
vor sich sieht, gestaltet gleich anderen Men‐
schen, und vergebens späht es danach, an
dir zu entdecken, was deines lichten Er‐
kennens leibliche Ursache ist.”
.„
Törichter!” erwiderte der Meister, „ich
glaubte, du fragtest nach
mir! ‒ Du woll‐
test wissen,
was ich sei!?!
.Indessen hast du nach dem
Tiere ge‐
fragt, das mir hier noch zur Nahrung dient,
und verzehrt wird von mir, indem ich dieser
Welt
durch seine Kräfte lebe. ‒
.Woher ich habe, was dir meine Worte
gaben, sagte ich dir auch heute wieder.
.Allein, du
hörst nicht, was man dir
sagt, denn immer schläfst du noch den
Schlaf in dem ihr euer Leben
denkend
euch
erträumt!
.Wisse, daß meine Worte dir
Wissen
im Urlicht gaben, und daß nur, wer
Selbst‐
kraft besitzt, Wissen im Urlicht erlangt! ‒
.Nun aber, ‒ nun sage
du mir, was du
bist? ‒ ‒ denn also verlangt es das Gesetz,
daß ich an dich die gleiche Frage richten
muss, die du in diesem Heiligtum an mich
gerichtet hast.
.Was bist du?! ‒ Der du von vielem
gemeistert wirst und noch so weniges mei‐
stern lerntest! ‒ ‒ ”
.Da antwortete der Schüler:
.„Meister, du fragst mit harten Worten,
was wohl
nur du mir sagen könntest. ‒
.Ich ‒ ‒
weiß es nicht!”
.Und der Meister sprach:
.„Nie war ein Mensch so kühn wie du!
.Wie konntest du diesen Tempel betreten,
‒ diesen Tempel, der Keinen entläßt, der
meiner Frage keine Antwort weiß, ‒ wenn
du nicht einmal sagen kannst, was du bist!? ‒
.Unseliges
Nichts! ‒ Wenn du nicht
weise genug zur Antwort bist, so laß' meine
Frage wenigstens deine
Klugheit wecken,
damit diese Mauern nicht dein Verderben
sehen!”
.Kaum seiner Stimme mächtig vor Er‐
regung, und an allen Gliedern bebend, gab
nun der Schüler diese Antwort:
.„Du, der alles liebt, ‒ wie dürftest du
deinen Schüler töten lassen, nur weil er auf
deine Frage hier keine Antwort weiß? ‒ ‒
.Ich mag vielleicht wirklich
Nichts sein,
wie du ja sagst, ‒ mag auch dein Wort
verborgenen Sinn in sich beschließen. ‒”
.„
Du Tor!” sagte darauf der Meister mit
kalter Stimme und mit hartem Spott, ‒
„du bist nicht nur
Nichts in irgendwelchem
geheimen Sinne, sondern dem
allgemei‐
nen Wortsinn nach!
.Nichts sehe ich, dem ich die große
Weihe übertragen könnte, die einer von
uns dem anderen weitergibt, seitdem der
erste aus uns sie durch das Urwort aus dem
Urlicht empfing.
.Nichts sehe ich vor mir, was diese Weihe
tragen könnte, solange du noch nicht weißt,
was du bist!
.Vordem stand noch
mein Schüler hier.
.Nun
sehe ich
Nichts, und
rede zu
Nichts.”
.Da schrie der Schüler auf wie ein Fieber‐
kranker:
.„Meister! ‒ Mein Lehrer! ‒ ‒ Du
höhnst deinen Schüler!
.Du
willst mich verderben!
.Du redest, wie du nie vorher zu mir
geredet hast!
.Du
weißt, wer vor dir steht!
.Du
weißt, was ich bin!
.Du
weißt, daß ich nicht hier vor dir
stünde, wenn
ihr mich nicht
gerufen
hättet!”
.„
Was wagt mich hier zu schmähen?”
erwiderte verächtlich der Meister.
.Und der Schüler schrie so laut, daß seine
Stimme schrill von den dunklen Wänden
widerhallte:
.„ICH bin es!! ‒ ‒ Aber ich
schmähe
nicht!
.ICH,
dein Schüler!!
.ICH SELBST bin es, der ich hier vor
dir stehe!!”
.Als der Schüler diese Worte hinausge‐
schrien hatte, verließ ihn die Macht über
seine Sinne, und er sank hin wie leblos.
.Endlich, nach einem langen und tiefen
Schlafe, erwachte er.
.An dem Lager, auf das man den fast
Leblosen gebettet hatte, stand der Meister.
.Der Schüler sah um sich und erkannte
den Ort nicht mehr, denn er war nun in
den
inneren Räumen des Tempels.
.Dann erkannte er aber
den Meister,
und sah, dass sein Angesicht leuchtete vor
Freude.
.„Stehe auf”, sagte der Meister mit liebe‐
erfüllter Stimme, ‒ „stehe auf und ersteige
jetzt die erste der sieben Stufen, die dich
zum
Heiligsten des Tempels bringen.
.Dort wirst du die Kraft erlangen, der
die feurigen Kräfte
gehorchen...
.Du hast nun die
Probe der Schwelle
bestanden, denn zum ersten Male ward jede
Faser deines Körpers zum ‒
Wort! ‒
.Vorher waren nur
Kopf und
Herz
lebendig.
.Nun ist im Schrei deiner Todesangst
Alles in dir zum Leben erwacht!
.Nun ist
der Mensch im Tiere zu
sich
selbst gekommen und sein
Schlaf ist
über‐
wunden!”
.Der Schüler hörte diese Worte und wußte
nicht wie ihm geschah.
.Halb zweifelnd noch ergriff er die Hand
des Meisters und sprach:
.„O du Gütiger! ‒ Wie groß ist doch
dein Herz! ‒ Was soll ich tun, dir zu
danken?!”
.Aber der Meister schüttelte das Haupt
und sagte mit ruheerfüllter Stimme:
.„Steige die Stufen!
.Und wenn du vermagst, dieser Aufgabe
zu entsprechen, wie ihr entsprochen wer‐
den
muß, ‒ dann werde ich dich wieder‐
sehen.
.Wer
reif zum Finden ist, der
wird
hier gefunden.
.Wenn du aber
zu früh gekommen bist,
dann wirst du diesen Mauern
auch jetzt
noch nicht entrinnen.
.Lebe wohl!
.Vielleicht ‒ siehst du mich wieder!
.Noch stehst du vor dem Letzten!”
.Darauf führte der Meister seinen Schüler
schweigend durch lange und gewundene
dunkle Gänge, ‒ und schweigend verließ er
ihn, als sie angelangt waren vor den sieben
hohen Stufen.
.Allein, ‒
ohne jede Hilfe, ‒ mußte
der Schüler zu steigen versuchen.
.Fest, gesammelt, und mit eisernem Willen,
gelang es ihm, nach langewährendem, im‐
mer vergeblichen Bemühen, endlich die
Höhe der
ersten Stufe zu erreichen.
.Jede
neue Stufe war noch weit
schwerer
zu erklimmen als die
vorher erstiegene.
.Oft drohten seine Kräfte ihn zu verlassen.
.Die
siebente Stufe aber war kaum zu
ersteigen, denn sie war ‒
so hoch wie
er selbst...
.Mit seiner letzten Kraft mußte der
Schüler versuchen, über sich selbst hinauf‐
zugelangen, bis er, nach unsäglicher An‐
strengung, endlich vermochte, sich auf diese
höchste der Stufen emporzuschwingen.
.Hier zeigte endlich sich der Weg nun
frei, zum Heiligsten des Heiligtums.
.Im Heiligsten des Tempels angelangt,
fand der Schüler hier Alle, die
vor ihm
die gleichen Stufen erklommen hatten, und
unter den allhier Versammelten gewahrte er
auch den Meister, dessen Schüler er war.
.Als er ihn erblickte, wollte er dankbar
des Meisters Hände küssen, denn wohl fühlte
er, welche Veränderung mit ihm selber vor‐
gegangen war, und daß er die Kraft nun
besaß, die ihm der Meister verheißen hatte,
falls er die sieben Stufen zu ersteigen ver‐
möchte.
.Aber der
Älteste derer, die sich im
Heiligsten des Tempels gefunden hatten,
wehrte gütig ab und sprach:
.„
Wem willst du noch danken, ‒ es
sei denn
Dem, in dessen
Namen du
zu
Worte wurdest?! ‒
.Siehe,
wir Alle sind: ‒
Einer in
Einem! ‒ ‒
.In dir war, was uns zu dir rief! ‒
.In dir war, was zu sich selbst gelangen
wollte! ‒
.In dir war, was in dir vollendet
wurde! ‒ ‒
.Du lebst nun
in uns, und wir
in dir!
.Wir, ‒
Alle Einer, ‒ aber leben in
Dem, der uns eint!
.Ihn erkennend,
beten wir Ihn an
‒
in uns selbst...”
.So war der Schüler
selbst zum Meister
geworden, und nun Allen
vereint die vor‐
dem ihn geleitet hatten, da sie ihn bereitet
fanden zur
ewigen Einung, ‒ schon ehe
er hier auf Erden geboren worden war.
.„
Erkläre mir, Unsterblicher,” ‒ begann
der König, ‒ „warum die Weisheit eines
jeden Weisen eine
andere ist? ‒
.Der eine, wie der andere nennt seine
Lehre:
Wahrheit, und doch sind ihre
Lehren grundverschieden.”
.„
Sie lehren alle
das Gleiche!” ‒
sprach jener, von dem sie sagten, daß er
die große Einung erlangt habe, die jeden,
der sie erreicht hat,
all-
einig macht, so
daß er nie mehr
mit sich selbst im Streite
liegen kann, und
nie mehr zu scheiden
ist von den ewig einigen
Erkennenden
im urgezeugten Licht.
.„
Verzeihe, Großer Lehrer, daß ich dir
widersprechen muß!” ‒ erwiderte der König.
.„Ich habe
vieler Weisen Lehren ein‐
gesogen, und jede schmeckte anders.
.Der eine sprach von vielen
leiblichen
Geburten des gleichen individuellen Lebens
in
vielen, nach jedem Körperverlust erneut
entstehenden Leibern, ‒ der andere aber
wußte vielmehr von vielen
seelischen
Geburten in nur
einem,
einmalig dar‐
gebotenen Erdenleib, während eines
ein‐
zigen Lebens auf dieser Erde. ‒
.Dem einen galten Götter als
Richter, ‒
dem anderen aber stand der Mensch hoch
über allen Göttern, und nach solcher Lehre
sollte der Vollendete Göttern
gebieten
können.
.Wie willst du das alles
vereinen?! ‒ ”
.„
Es ist die Rede von
einer Wahrheit
in
allen diesen Lehren!” ‒ sagte der Weise.
.„
Wie aber können denn diese Lehren
so
Verschiedenes künden, wenn sie im
Grunde nur
eine und die
ewig gleiche
Wahrheit bergen? ‒” fragte darauf der
König.
.Und der Weise antwortete ihm:
.„
Grosser König, vernimm ein Gleichnis!
.Ein Meister saß an einem strahlenden
Tage mit seinen Schülern am Ufer des Meeres.
.Keine Welle zerriß den grenzenlosen
Spiegel, und die Kuppel des Himmels leuch‐
tete wie ein einziger Edelstein.
.Da baten die Schüler den Meister, daß
er mit ihnen in ein Boot steige, um sich
von ihnen durch Ruderschlag hinausführen
zu lassen auf die Höhe der Meeresweite.
.Der Meister bestieg das geräumige Boot,
und seine Schüler zogen die Ruder an, bis
das Land ihren Blicken entschwunden war.
.Als sie dann Ruhe hielten unter einem
ausgespannten Sonnensegel, sagte der Meister:
.„Ich will euch prüfen an euren eigenen
Worten, ob ihr schon seht, was ich euch
sehen zu lehren suche.
.Sagt mir darum, was ihr seht!”
.Da fing der erste der Schüler sein Bild
auf dem glatten Wasserspiegel und bewun‐
derte sehr, wie getreu ihn die Oberfläche
des Meeres widerstrahle.
.Der zweite sah über die Wasser und
fand ihr Ende dort, wo das Gewölbe des
Himmels sie berührte, ‒ und da er wohl
wußte, daß ihm in dieser Ferne das gleiche
Rundbild beschieden sein würde, so wurde
sein Herz ergriffen vom Erfühlen solcher
unfaßbaren Weite, worauf er denn ergreifend
in ehrfurchtsvollen Worten die Unendlichkeit
pries.
.Als nun der dritte reden sollte, sprach
dieser von dem Schwarm der Fische, die
in dem tiefen klaren Wasser das Boot
umschwärmten, und er beschrieb mit Liebe
die geschmeidigen Formen in ihrem farben‐
schillernden Schuppenglanz.
.So redeten sie alle von
anderen Dingen
und waren doch alle
am gleichen Ort. ‒
.Als nun noch der vierte vom
Lichte
gesprochen hatte, das alles umstrahle, ‒
und nachdem er, dieses Lichtes trunken,
laut, in wohlgesetzter Rede des feuer‐
glänzenden Gestirnes Lob zu verkünden
wußte, dem alles Erdenlicht zu danken ist,
‒ sahen die Schüler erwartungsvoll ihren
Meister an, denn es schien den dreien die
zuerst gesprochen hatten, gewiß, daß nur
der vierte die Antwort gegeben habe, die
der Meister erwarte.
.Und der Meister sprach:
.„Ich sehe die Sonne und sehe das Licht,
‒ ich sehe die scheinbar grenzenlose Weite,
‒ sehe die Tiere des Meeres, die den Schat‐
ten unseres Bootes umdrängen, ‒ und ich
sehe auch mich selbst in dem flüssigen
Spiegel, ‒ ‒ aber ‒ ich sehe
mehr,
und mehr als das alles will ich euch sehen
lehren!”
.„O
sage uns, was du außer dem allen
noch
anderes siehst, geliebter Lehrer!” ‒
baten nun die vier Schüler wie aus einem
Munde.
.Der Meister aber sprach:
.„Habe ich euch denn noch immer nicht
genug davon gesagt?
.Seit vielen Monden sage ich euch von
dem, was ich sehe, und ihr wißt es noch
nicht?”
.Da riefen alle:
.„Noch
nie, Meister, sind wir zusammen
auf dem Meere gewesen, und du willst uns
davon gesprochen haben!? ‒”
.„Sagte ich denn, daß ich vom
Meere
erzählt hätte, oder sprach ich nicht vielmehr
von dem,
was ich sehe!?” erwiderte der
Meister, und fuhr dann in seiner Rede also
fort:
.„Ihr habt mich auf das Meer heraus‐
gerudert, und ihr wart des Glaubens, daß
ich euch vom Meere reden hören wolle,
von der Weite der Wasser, und dem Lichte,
das sich über sie ergießt.
.Das Meer aber erzählt sich
selbst, und
alles erzählt sich selbst, was uns hier umgibt!
.Wären
tausend Schüler hier um mich
in ihren Booten, so hätten meine Ohren
tausend Erzählungen des Meeres, des Lichtes
und der Unendlichkeit vernommen, ‒ hör‐
bar geworden in der Sprache des Menschen‐
mundes...
.Aber wäre das im Palmwalde anders? ‒
.Oder auf den schneebedeckten Bergen
des Himavat? ‒
.Auch Wald und Berge erzählen sich
selbst, und ich bin nicht genötigt, euch zu
fragen, wenn ich ihre Erzählung vernehmen
will.
.Wohl aber wollte ich durch euch hören
von
dem, was ich an
allen Orten sehe,
und das dennoch zeit- und ortlos ist! ‒
.Wer
das erschaut, der vergißt darüber
die Erzählungen des Himmels und des
Meeres, der Berge und der Wälder! ‒ ‒
.Ihr sucht noch
draußen, weil euer
inneres Reich noch keine Sonne sieht und
darum finster ist...
.Wenn ihr aber eurer Reiche „
Könige”
einst geworden seid, dann muß alles, was
draußen liegt, zu euch kommen, und euch
Tribut entrichten, wann immer ihr es ver‐
langt. ‒
.Laßt also alles was draußen liegt, ruhig
sich selbst erzählen, wie es sich euch erzäh‐
len mag, und stellt keine Fragen, die euch
von draußen her vorerst ja doch nicht beant‐
wortet werden!
.Wartet,
bis ihr
Herren in euch selber
seid, auf daß man euch draußen geben
müsse, was ihr
verlangt, denn wenn ihr
als
Bettler hinauszieht, gibt man euch,
was man mag! ‒ ‒ ”
.Als die Schüler diese Rede vernommen
hatten, schwiegen sie beschämt, und jeder
bewegte des Meisters Worte im eigenen
Herzen.
.Da der Abend nahe war, suchte man
nun mit scharfen Ruderschlägen wieder dem
Lande sich zu nähern, und jeder Ruder‐
schlag wurde den Schülern zum Gelöbnis,
vor aller Frage an das, was
draußen liegt,
zuerst
die Herrschaft in sich selbst zu
erstreben.”
.„
Demnach”, sagte der König, als der
Weise seine Erzählung hier beendet hatte,
‒ „demnach möchte ich glauben, daß Ver‐
schiedenheit der Lehre nur bei denen sei,
die noch „
draußen” stehen? ‒”
.„
So ist es wohl, o König”, ‒ sprach
der Vollendete, ‒ „aber vergiß dabei den‐
noch nicht, daß jene, die von ihrem
Innen
künden, nachdem sie
Herren in sich selbst
geworden sind, doch
auch nur in
ihrer
Zunge reden können! ‒
.Wenn du die Wahrheit ganz nach
deiner
Art erkennen willst, mußt du sie selbst
in
dir selber suchen!”
.Da nun der König schwieg, erhob sich
der Weise, wie einer, der weiß, daß man
ihn nicht mehr braucht, durchschritt das
Gefolge und ging von dannen, versunken
in sein inneres Licht.
.Der König aber beratschlagte bei sich,
ob er wohl selbst ein Seher der Wahrheit
werden möchte?
.Nach einer Weile jedoch gab er seine
Gedanken auf und sprach zu sich selbst:
.„Wer weiß, ob ich die Wahrheit in mir
finden würde?!
.Wer weiß auch nur, ob sie mich nicht
längst schon verlassen hat, da sie sich von
mir verlassen sah?!
.Weshalb soll ich auch
selbst der Wahr‐
heit ins Auge sehen müssen?!
.Vielleicht wäre ich meiner Wahrheit
selbst nicht sicher, und wie sollte ich dann
wissen können, was Wahrheit sei?!
.In meinen Landen aber leben so viele
Weise, und allenthalben lehren erfahrene
Lehrer.
.Mir, dem Könige, müssen sie um ihre
reinste Erkenntnis sagen, und ich kann
annehmen, was ich mag.
.Auch meine Vorväter ließen vor sich
nur
das als Wahrheit gelten, was sie
wahr‐
haben wollten, und ich will mir die gleiche
Freiheit wahren!”
.So kam es, daß dieser König
ohne Wahrheitserkenntnis blieb bis an sein
Ende.
.Der Schüler, dessen Heimat im Abend‐
lande gelegen war, fern von dem großen
Gebirge an dessen Abhang der Meister
lebte, hatte eben die Frage gestellt nach
dem erhabenen Lehrer aus Nazareth,
und bat um Belehrung.
.„In meinem Lande”, sagte der Schüler,
„gibt es viele berühmte Lehrer, die nicht
glauben, daß Jener einst über die Erde
geschritten sei, und sie meinen, daß die
Sage seine Züge gebildet habe, ‒ ja, es
gibt einzelne die des Glaubens sind, die
Erzählungen seines Lebens seien nur ver‐
hüllte Berichte von einem Sternenmythos,
der einst den Menschen der Vorzeit heilig
gewesen sei.
.Du, o Lauterer, aber hast schon des
öfteren Worte zu mir gesprochen, die du
wohl mit Absicht den Büchern entlehntest,
die von dem Leben des jüdischen Lehrers
und seiner Lehre zu erzählen wissen.
.Du warst voll Ehrfurcht, wenn du seinen
Namen nanntest, und so ich dich recht ver‐
standen habe, steht er dir höher als
alle
anderen, die jemals den Weg der Einung
gegangen sind? ‒
.Weshalb nun finde ich dich nicht unter
denen, die sich als Gläubige des auch von
dir so hoch verehrten jüdischen Meisters
bekennen?”
.So fragte der Schüler, da er noch nicht
wußte, wer „
der Meister” in
jedem geist‐
geborenen Meister ist...
.Der Befragte aber lächelte nur gütig
und verstehend, aber er antwortete nicht.
.Da sagte der Schüler, der nun in Zweifel
geriet, ob seine Frage nicht am Ende un‐
gehörig gewesen sei, in einiger Verlegenheit:
.„Wohl hast du recht, du Gebieter über
geistige Kräfte, von denen meine Lehrer
im Abendlande mir nichts zu sagen wußten,
wenn du meine Frage bei dir verlachst!
.Wie magst du uns Menschen des Westens
voll Mitleid betrachten. ‒
.Aber dennoch bitte ich dich, du wollest
wenigstens die eine Frage deiner Antwort
würdigen: ‒
.Wäre es nicht weit besser für uns Abend‐
länder, wenn wir dieses jüdischen Lehrers
Lehre auf sich beruhen und unbeachtet lassen
würden, gleich einer Sage, die uns heute nichts
mehr zu sagen hat?
.Jede Zeit hat doch ihre zeitgerechte
ei‐
gene Weise, sich der Wahrheit zu nähern.”
.Bei diesen Worten stand der Meister still.
.Die beiden Wanderer waren jetzt auf der
Höhe angelangt, die eines Flusses Wasser
von dem eines anderen schied.
.Eine mächtige, vierkantig flächige Stein‐
säule, die aus einem einzigen Felsen vor‐
einst herausgehauen worden war, bezeich‐
nete den Ort.
.In der Schrift des Landes trug sie
in erhabener Größe tief eingemeißelt die hei‐
ligen Silben:
.OM MANI PADME HUM ‒
was da bedeutet: „Wahrhaftig! Die Lotos‐
blüte birgt das Geheimnis!”
.Unterhalb dieser Worte aber war ein
Zeichen, das den fremden Pilgern den Weg
zum Ziel ihrer Wallfahrt angab.
.„
Meinst du nicht, daß es besser wäre”,
‒ begann der Meister, so als ob er die
Frage des Schülers, wohl in eigene Gedanken
versunken, überhört haben möchte, ‒ „wenn
diese riesengroße alte Säule hier verschwinden
würde?
.Ich habe bei den Völkern deiner Rasse
Anderes gesehen, und ich gedenke dahin
zu wirken, daß aus der großen Stadt im
Süden einer der zeitentsprechenden neuen
Wegzeiger hier heraufgebracht wird, ge‐
fällig bemalt und mit allerlei Zier versehen,
so, wie ihr Menschen des Westens sie aus
Eisen zu gießen wißt.
.Die Pilger sollen sehen, daß die Mönche
unten im Kloster nicht so weltferne sind,
dass sie nicht doch ihrer Zeit zu genügen
wüßten!
.Die längst schon der Zeit recht ungemäße
Säule mag man dann stürzen und in der
Schlucht dort neben dem Pilgerpfad zer‐
schellen lassen.
.Was hätte uns auch dieser Felsblock
heute noch zu sagen?! ‒”
.„
Du redest doch nicht im Ernst, Mei‐
ster?” erwiderte der Schüler erschreckt.
.„Zwar sieht man der Säule wohl an,
daß sie alt ist, aber sie zeigt die großen
einfachen Formen, die zu keiner Zeit ver‐
alten können, und die heiligen Silben sind
in einer Schriftform eingemeißelt, die an
Schönheit wahrlich ihresgleichen sucht.
.Wie könntest du dieses gewaltige Werk,
das von erhabenster Würde zeugt, zerstören
lassen, um an seiner Stelle eine aller Größe
entratende, barbarisch geschmacklose Tafel
aus Eisenguß aufzurichten, wie man sie
leider heute an allen Straßen sieht!?!
.Wie könnten die heiligen Silben dir
derart gleichgültig sein, daß du es ertragen
möchtest, wenn man sie auf einen solchen
erbärmlichen bunten Firnis malen wollte?! ‒
.Auch ist auf solcher Höhe, allen Stür‐
men dargeboten, dergleichen nur von kür‐
zester Dauer!
.Die Säule, aus einem einzigen Felsen
geformt von erhabener Hand, steht aber
schon mehr als tausend Jahre hier und
kann noch viele tausend Jahre hindurch
allen Pilgern, die sie schon von ferne sehen,
ihren Weg zum Tempel zeigen, ‒ und sie
selbst ist schon ein hohes Heiligtum: ‒
wahrhaft der Gottheit würdig!
.Du redest doch sicher nicht in vollem
Ernst, denn wie könnte das, was hier ent‐
gegenspricht, dir, dem doch alles mensch‐
liche Fühlen sich offenbart, auch nur einen
Augenblick lang verborgen gewesen sein?? ‒”
.Da lächelte der Meister
wieder, und
schwieg, wie er vordem geschwiegen hatte.
.Dann gingen sie.
.Schweigend wanderten sie zu Tale, ‒
den ausgedehnten Gebäuden des alten Lama‐
klosters zu, in dessen Nähe der Meister sich
zurückgezogen hatte.
.Der Schüler aber sann darüber nach,
warum wohl sein Lehrer ihn immer wieder
zu zwingen wußte, sich auf jede Frage
selbst
die Antwort zu geben, ‒ wie es nun auch
hier geschehen war, bei der Frage nach dem
Meister von Nazareth...
.Die Zinnen und Türme der Tempel‐
stadt zeichnen zarte Schattenrisse in die vom
Lichte des Vollmonds trunkene Luft.
.Die Talweite ist erfüllt von silber‐
schimmerndem Leuchten und über die
kahlen Höhen des judäischen Gebirges legt
es sich wie ein glänzender Reif.
.Wir sind ferne der Stadtmauer und vor
uns liegt ein Ölhain.
.Wie eine graugrüne Wolke schmiegt er
sich an den schroffen Absturz eines Hügels.
.Nahe der senkrechten Felswand aber hat
man eine Zeile ernster dunkler Bäume ge‐
pflanzt ‒ man kann sehen, daß Menschen‐
wille sie also setzte ‒ und nun streben
sie über die graugrüne Laubwolkenmasse
empor wie eine Schar schwarzgepanzerter
Wächter.
.Es herrscht tiefste Stille.
.Aber war es nicht eben wie eine weiße
Gestalt, dort am Rande des Ölhains, wo
lichte Schatten ihn von der Asphodeloshalde
trennen? ‒
.Doch! ‒ Es bewegt sich dort etwas!
.Ein Mensch!
.Einer im weißen Gewande tritt behutsam
hervor, hebt den Arm über die Augen, weil
ihn wohl das Mondlicht blendet, und sucht
sorglich das freie Gelände ab...
.Nahebei führt ein Weg dem Gebirge zu.
.Wie ein helles Seil, das einer achtlos
fallen ließ, liegt der Weg da.
.Man kann ihn gut mit dem Auge ver‐
folgen, bis er auf mäßiger Höhe sich zwi‐
schen vorgelagerten Felsen verliert.
.Der Späher sucht noch immer nach allen
Seiten hin, aber er findet offenbar nichts,
das ihn beunruhigen könnte.
.Jetzt tritt er wieder in die blauen Schatten
zurück und verschwindet unter den Ölbäumen.
.Was wollte er nur?...
.Aber schon sieht man wieder Weißes
aufleuchten; doch diesmal müssen es Meh‐
rere sein, denn gleichzeitig gewahrt man da
und dort zwischen den gewundenen Stäm‐
men einen weißen Fleck aufblinken und
wieder verschwinden.
.Eben tritt einer heraus ins Freie.
.Nein, ‒
noch einer!
.Sie tragen etwas.
.Es scheint eine schwere, kostbare Last
zu sein...
.Nun kommen
noch zwei, und jetzt sieht
man deutlich, daß es ein Mensch sein muß,
oder gar eines Menschen Leichnam, den die
Vier so behutsam zu bergen trachten.
.Er ist auch in Weiß gehüllt wie sie selbst.
.Was mag sich da nur ereignet haben? ‒
.Jetzt haben sie lautlos die Asphodelos‐
halde durchschritten und sind auf den Weg
gelangt.
.Nun sieht man es noch deutlicher, daß
sie einen der Ihren tragen.
.Aber es muß ein Toter sein!
.Unter seinen Knien haben sie eine lange
Zeugbahn durchgezogen, die bis über der
beiden Vorderen Schultern reicht.
.Die beiden vorderen Träger halten mit
beiden Händen das zusammengedrehte Tuch,
das über ihren Schultern liegt, und sie tra‐
gen schwere Last.
.Die zuletzt gehen, aber tragen den Ober‐
körper des Toten: ‒ fassen ihn um den
Rücken und unter den Armen.
.Sein Haupt scheint zwischen ihren Schul‐
tern gestützt zu sein.
.Es ist ein schweres Gehen für die Vier...
.Nur langsam schreiten sie voran.
.Nachdem sie schon geraume Weile ge‐
gangen sind und unseren Blicken undeut‐
licher werden, sieht man, daß sie vorsichtig
Rast halten.
.Man kann auch glauben, daß sie wieder
das Gelände spähend durchforschen; aber
auch während der Rast halten sie sorglichst
ihren Toten in der gleichen Lage, in der
sie ihn trugen seither.
.Sie müssen ihn sehr geliebt haben, als
er noch im Leben war! ‒
.So trägt man keinen, den man nicht
liebte!
.Es ist
Ehrfurcht in der Art, wie sie ihn
tragen...
.Sie sind weitergegangen.
.Nun sind sie dem Gebirge schon sehr
nahe.
.Man sieht sie nur noch als etwas Weißes,
das sich langsam fortbewegt, und wer sie
vordem nicht gesehen hatte, würde sie
schwerlich auf dem weißen Wege noch
entdecken.
.Jetzt biegen sie hinter die Felsen, die
den Weg verschwinden lassen.
.Nun sieht man nichts mehr von ihnen...
.Silberflimmernd liegt das Licht des Mon‐
des über dem Gelände.
.Es ist wieder so, als ob der Weg noch
niemals beschritten worden wäre...
.Plötzlich ein wilder Schrei ‒ von dort‐
her, wo die dunkle Baumzeile über den
Ölwald ragt!
.Dann andere Schreie ‒ ungebärdig wie
lautes Fluchen tobender Kriegsknechte ‒
und aus dem Dunkel leuchtet roter Fackel‐
schein, der sich der Stadtmauer zu, gleich
dem Getöse, rasch entfernt.
.Man sah das Fackellicht nur, solange es
die dunkle Felswand bestrahlte und die Zeile
der schwarzen Bäume.
.Dann wurde sein Schein völlig aufgesogen
im hellen Mondlicht.
.Nun war nichts mehr zu erkennen.
.Den Weg zum Stadttor hin kann man
hier nicht sehen, sonst müßte man wohl
die roten Fackeln wieder im Schatten der
Stadtmauer gewahren.
.Aber man sieht auf dem kahlen Scherben‐
berg vor der Stadt drei Kreuzgalgen auf‐
gerichtet.
.An zweien scheinen noch die Gehängten
sichtbar, aber es ist, als sei der dritte Gal‐
gen leer...
.Ja, man kann es deutlich gewahren, daß
er leer ist!
.Es ist ja so hell in dieser Nacht.
.Aber warum wurde er denn aufgerichtet?!
.Es muß doch einer daran gehangen haben!
.Weshalb der wohl abgenommen wur‐
de? ‒ ‒
.War es vielleicht jener, den die weißen
Männer davongetragen haben??
.Dann wäre er aber schnell verendet,
denn manchmal hängen sie noch tagelang
dort, fast wie tot, bis sie plötzlich wie wilde
Tiere aufheulen und man sieht, daß es mit
ihnen doch noch nicht zu Ende ist.
.Vielleicht war es einer, der nicht viel
Schmerz ertragen konnte, oder einer, der
schon fast gestorben war unter den Miß‐
handlungen der römischen Rotte, bevor sie
ihn hängten...
.Aber wie kommt es nur, daß man ihn
herunternahm? ‒
.In dem Ölhain herrscht wieder Ruhe.
.Wir wollen hinübergehen und sehen,
was dort den Grund solchen Lärmens gab.
.Jetzt ist sicher niemand mehr dort.
.Das ist ja kein Ölwald!
.Das ist ja ein offener Garten eines Reichen!
.Auf guten Wegen sind wir schon bis zu
den dunklen hohen Bäumen gelangt.
.Ist dort nicht eine Öffnung in die Fels‐
wand gemeißelt?
.Wahrhaftig! ‒ Es ist ein
Grab!
.Es ist dunkel hier, denn des Mondes
Licht wird durch die Felswand aufgehalten
und wir haben keine Leuchte.
.Da scheint es tief hineinzugehen, aber
man darf sich nicht vorwagen, will man
nicht in einen verborgenen Abgrund stürzen.
.Doch, da kommt ja
wieder eine solche
weiße Gestalt!!
.Wer mag das sein?
.Sicher der Besitzer des Gartens!
.Aber was macht er nur zur Nachtzeit
hier??...
.„
Seid ihr solche, die
den suchen, den
man hier begraben hatte?!”
.„Nein, wir wissen von keinem, der hier
begraben sein soll, ‒ wir sahen nur, wie
vier Männer, gleich dir gekleidet, einen
Toten aus diesem Garten trugen, dem Ge‐
birge zu, und wir hörten dann hier großen
Lärm und sahen Fackelschein.”
.„So bewahrt als euer Geheimnis, was
ihr sehen durftet, ‒ ‒ aber wisset:
der,
den ihr hinaustragen saht, ist zwar seiner
Marter erlegen, aber dennoch
lebt er!”
.„Wir sahen vordem, daß an einem der
Galgen auf dem Scherbenberge keiner mehr
hängt, und muß doch einer dort gehangen
haben. ‒ Ist es etwa der gewesen, von dem
du sprichst?!”
.„
Der war es! ‒ Und er ist mein
Bruder! ‒ Und die ihr ihn tragen saht,
waren
meine und
seine Brüder! ‒”
.„O, warum wurde er dann gerichtet?!
‒ Du siehst wahrhaftig nicht aus, als wenn
du eines Räubers und Mörders Bruder
wärest! ‒ ‒”
.„
Weil er die Menschen aus dem Tode
löste,
und weil die ewig Toten Rache
heischten!”
.„Das sind uns ferne Worte, seltsam zu
hören, aber du redest so, daß man dir
glauben muß.
.Weshalb aber war der
Lärm, den wir
vordem hörten? ‒”
.„Das waren die Wächter, die wir in
magischen Schlaf bannten, um unseres Bru‐
ders Erdenleichnam holen zu können, der
für kurze Zeit in diesem Grabe ruhte, auf
des reichen Freundes Bitte, die der Mächtige
in dieser Stadt gewährte.
.Sie sollten das Grab bewachen, und als
ich sie erweckte, so als ob ich des Weges
gekommen sei und nicht wüßte, weshalb
sie hier schliefen, zündeten sie ihre Fackeln
an, fanden das Grab geöffnet und leer.
.Darum ihr wüstes Schelten!
.Nun suchen sie in der Stadt nach denen,
die das Grab geöffnet haben könnten und
möchten den Leichnam finden.
.Ich aber bleibe hier, um die Freunde
und Schüler des Bruders zu trösten, wenn
sie kommen werden, vor seinem Grabe zu
klagen.
.Ich bleibe hier, um ihnen zu sagen, daß
er lebt!”
.„
Aber wir sahen doch, wie deine Brü‐
der seinen
Leichnam von dannen trugen!”
.„Dennoch
lebt er, dem dieser Leichnam
Kleid und
Hülle war, solange er Kleid
und Hülle brauchte um denen, die nur
Kleid und Hülle sehen, den
Geist zu offen‐
baren! ‒”
.„Wenn du Wahrheit redest, so sage auch
uns denn, wo dieser Lebende zu finden ist,
denn du redest wie von einem, den man
suchen möchte, und müßte man auch wan‐
dern bis an der Erde Grenzen! ‒ ‒”
.„
In euch selbst!”
.Und während wir verwundert uns an‐
sahen, nicht wissend, was diese Worte be‐
sagen wollten, war der Weißgekleidete von
uns gegangen ehe wir es bemerkten, und
als wir nach ihm riefen, erhielten wir
keinerlei Antwort...
.Erst in späteren Tagen wurde uns Licht
gegeben und wir
sahen den Lebenden und
wir erfaßten seine hohe Lehre und er war
von da an
in uns selbst!
.Während der Weißgekleidete da zu den
Fragenden gesprochen hatte, warteten zwei
seiner Brüder in einer nicht allzufernen
Felsenschlucht im Gebirge auf jene anderen
vier, die den Leichnam des Bruders brachten.
.Die Wartenden hatten Holz und Reisig
herbeigetragen und hochgeschichtet, so daß
der Leichnam darauf ruhen konnte.
.Nun sahen sie die Träger herannahen
und eilten den Ermüdeten entgegen, um
ihnen tragen zu helfen.
.Erschüttert ‒ in worteloser Ergriffen‐
heit ‒ hoben die sechs Männer den Leich‐
nam des Bruders, dessen Werk
vollbracht
war, auf den Holzstoß und übergaben ihn
der am Steine entzündeten Flamme...
.Von der Ferne her konnte man kaum
eine leise Rauchspur gewahren, die sich
mählig über dem Gebirge verzog, als schon
die Strahlen des ersten Frührots die Höhen‐
rücken färbten.
.Der wahrhaft
Auferstandene aber hatte
alles so
gewollt, und seine Brüder hatten nur
getan nach seinem Geheiß.
.Es sollten seines Erdenleibes modernde
Reste nicht die
Auferstehung hindern,
die er in der Seinen
Seelen sich bereitet
hatte. ‒ ‒
.Er aber war nun von allem gelöst, was
nicht des
Geistes war an ihm, und frei
geworden, war er nur mehr seiner geistigen
Gestalt bewußt, ‒ nicht wissend mehr die
Unbill, die dem Erdenleibe widerfahren war.
.Selbst auferstanden in seiner Geist‐
gestalt, ist er seit jenen Tagen in der Geistes‐
sphäre dieser Erde in erhöhtem Leben,
allen Auferstehung, die in
Tat und
Leben
seiner Lehre wahre Jünger sind. ‒
.So lebt er mitten unter den Seinen wie
er einst verheißen hatte: ‒ „
bis ans Ende
der Welt!”
.Als ich angelangt war vor dem Hause
der Weisen des Lichtes, begann ich an die
Pforte zu pochen, wie einer der da mit Be‐
rechtigung Einlaß begehrt, ‒ aber niemand
kam, der geöffnet hätte.
.Da überfiel Traurigkeit meine Seele, und
ermattet schlief ich ein vor der Schwelle.
.Als ich nach wüsten, angstvollen Träumen
erwachte, stand ein Mann vor mir, der ein
Lasttier mit sich führte, und das Tier war
beladen mit geflochtenen Rohrkörben voll
frischen Brotes.
.„
Was willst du hier, Fremdling”, sprach der
Mann zu mir.
.„Weißt du nicht, daß diese Pforte sich
keinem öffnet, der nicht zuvor aus ihr her‐
ausgetreten ist?”
.Ich aber erwiderte:
.„Wehe mir, wenn deine Worte Wahr‐
heit künden, denn ich komme weiten Weges,
da mich der Meister also gehen hieß zu
denen, die in diesem Hause wohnen, damit
ich aufgenommen werden könne in den
Kreis ihrer Gemeinsamkeit.”
.Da sprach der Mann zu mir:
.„Auch ich gehöre zu denen, die in diesem
Hause wohnen, und dein Verlangen ist
meinem Geiste wohlbekannt, ‒ allein, ich
sage dir: ‒
Keiner ist je über diese
Schwelle geschritten,
der nicht vorher
gestorben wäre!
.Findet er sich nach seinem Tode in die‐
sem Hause wieder, dann geht er fortan un‐
gehindert ein und aus.
.Willst du also sterben um zu uns zu
kommen, dann mag dich dieses Tier als
einen Toten über die Schwelle tragen!”
.„
Wie sollte ich nicht sterben wollen”,
war meine Antwort, ‒ „wenn ich anders
nicht in eure Gemeinsamkeit gelange?! ‒
.Töte mich eilends, auf daß ich über die
Schwelle komme, denn ich weiß, daß jen‐
seits dieser Pforte mein Tod beendet ist!
.Bist nicht auch du vormals gestorben,
ehe du durch diese Pforte gelangtest, und
stehst nun doch lebend vor mir?! ‒”
.„
Es geschehe dir nach deinem Willen”,
antwortete der Mann, und allsogleich fühlte
ich, wie mein Körper leblos wurde: ‒ wie
mein Wissen um mich selbst erschauerte...
.Aber ehe ich noch erkannte, daß ich
gänzlich meinen Leib verlassen hatte, fand
ich mich seltsamerweise wieder als eines
der Brote, die in den Rohrkorbbeuteln waren.
.Ich wollte rufen, aber ich konnte nicht.
.Es war nicht anders, als wenn man aus
schwerer Traumnot rufen möchte und es
nicht vermag.
.Ich wollte entfliehen, aber das Brot war
mein Leib geworden und bewegte sich nicht.
.Da ermattete mein Bewußtsein, und so
muß man mich wohl in das Haus und auf
die Tafel gebracht haben, wo ich mich bald
darauf, neben anderen Speisen vor der
Schüssel des Ältesten der Weisen liegend,
wiederfand.
.Nicht lange lag ich so ‒ immer noch
wie in einem schweren dumpfen Traume ‒
als ich die Stimme des Ältesten der Weisen
vernahm, die da sprach:
.„Gesegnet und geheiligt sei dieses Brot,
das Nahrung werden will dem ewigen Geiste!
.Ewig sei es im Ewigen Nahrung der
verhüllten Gottheit!”
.Nach diesen Worten brach er das Brot,
das ich selber war, entzwei, und ich fühlte
den Riß durch meinen Leib hindurch, als
wenn man meine menschliche Gestalt zer‐
teilt hätte.
.Bebend vor Schmerz schien mir Ver‐
nichtung nun gewiß, und ich ersehnte sie
als Erlösung, denn der Gewalt, der ich aus
freiem Willen mich dahingegeben hatte, war
nicht mehr zu entfliehen.
.In immer mehr Bissen zerbrach der
Älteste das Brot, um allen seinen Brüdern
davon zu geben, und in jedem der Bissen
war ich selbst lebendig.
.Mein Wissen um mich selbst umnachtete
abermals...
.Doch nicht lange sollte diese Umnach‐
tung währen, denn bald schon entstand um
mich eine Klarheit, die ich noch nicht kannte,
so hell auch vordem einst jenes Leuchten
war, in dem mich der Meister die Dinge
der drei Welten sehen lehrte, ehe er mich
den Weg zu dem Hause der Weisen er‐
wandern hieß.
.Auch fand ich mich plötzlich wieder in
einem menschlichen Leibe und wußte kaum
zu fassen, daß ich nicht mehr ein Brotring
war, von jener Form des Brotes, wie ich
sie in den Rohrkorbbeuteln gesehen hatte,
die das Lasttier vor der Pforte trug.
.Und siehe: ‒ ich sprach, ‒ und was
ich sagte, waren Worte des Ältesten der
Weisen...
.Sein Leib war der meine geworden, und
mein Geist von dem seinen nicht zu trennen.
.Als aber die Weisen: ‒ seine Brüder,
‒ bemerkten, was sich ereignet hatte, sprach
ihr Sprecher, in dem ich den Mann erkannte,
der mich vordem vor der Schwelle fand:
.„Jubel sei in unserem Kreise, denn es
ist uns ein neuer Bruder geboren, und du,
o Ältester, der die ewige Kette der Leuchten‐
den schmiedet, ‒ du hast mit dem Hammer
den offenen Ring zum Glied der Kette
geschlossen!”
.„
Ihr sagt es!
.Diese, deine Worte künden meine An‐
kunft.”
.So sprach
ich nun aus dem Munde des
Ältesten der Weisen.
.„Als Speise bin ich euch gekommen um
in eurem Geiste geboren zu werden.
.Doch, nun gebt mir meinen Mantel wie‐
der, damit ich nicht in eines Anderen Kleid
hier bei euch bin, während der Andere sich
verborgen hält!”
.Auf meine Worte hin verließen die
Weisen ihre Sitze an den Tischen, und ge‐
führt von dem Ältesten, dem mein Geist ge‐
eint war, zogen sie alle hinaus vor die Pforte.
.Da aber lag mein Erdenleib leblos und
starr wie tot.
.Der Älteste jedoch neigte sich über ihn,
und sprach überaus leise, so daß es mehr
wie ein Anhauchen war, diese Worte:
.„
Du bist ich!
.Diene dir in mir und mir in dir nun
aus diesem, deinem Erdenleibe!
.Du bist nun geboren als Speise dem
Leben des Lichtes, das alles ernährt!”
.Als er diese Worte ausgesprochen hatte,
fühlte ich, wie mein Empfinden aus dem
Erdenleibe des Ältesten auszog, während
mein Geist dem seinen vereinigt blieb.
.Zugleich aber fand sich mein Bewußtsein
wieder in dem Leib in dem ich vor die
Pforte gekommen war, und doch war es
nicht mehr ganz der gleiche Körper von
ehedem...
.Es war etwas in ihm
verwandelt wor‐
den, und ich konnte jetzt
im Inneren
meines Leibes die Dinge der drei Welten
sehen, so, wie ich vordem nur im Äußeren
durch das äußere Auge sah.
.Nachdem ich mich nun erhoben hatte,
empfingen mich die Weisen, wie einen auf
den man lange gewartet hat, in überschweng‐
licher Freude.
.Und als sie den Neugewordenen durch
die Pforte ins Innere des Hauses führten,
begann der Älteste, in Gottheit trunken,
eine Weise zu singen, deren Worte sich
also fügten:
.„Lebe der Liebe, zur Nahrung dem Lichte!
‒ Lehrend Erleuchteter, leuchte der Welt!”
.Und der Chor der Weisen, die mir nun
zu Brüdern gegeben waren, ließ sich ver‐
nehmen im Wechselgesang:
.„Lerne im Lichte dein Leuchten erkennen!
‒ Lebe der Liebe und leuchte der Welt!”
.In meiner Seele aber war das geistige
Erkennen aller derer, die um mich ver‐
sammelt waren.
.Ich fand sie alle mir
vereint, und war
in jedem von ihnen bewußt geworden, wie
ich es vordem nur in mir selber war...
GOTT LEBT IN DER
FREUDE, ‒
NICHT IM LEID!
DES LEIDES
SKLAVEN SCHUFEN
SICH DEN „
LEIDENDEN” GOTT!
DEIN LEID SOLLST DU DIR
DIENSTBAR MACHEN, DAMIT ES
DEINER FREUDE KNECHT
UND
HELFER WERDE!
.Frage nicht nach
Gott!
.Überlasse
die Frage nach Gott den Gott‐
losen und den Götzendienern!
.Du zweifelst mit guten Gründen, wenn
du Zweifel hegst, daß Gott
unvernehm‐
bar sei.
.Wir jedoch wissen, daß Gott keinem
antworten wird, der Ihn
in Frage stellt!
.Wir wissen, daß Gott den Lärm der
Frager scheut...
.Wer aber weiß, ob er Gott nicht
ver‐
nähme, wenn er nur Gottes Sprache
hören
lernen würde?! ‒
.Dazu bedarf es der Stille!
.Alles Schaffende bleibt in der Stille.
.Bereite der Stille in dir eine Stätte, ‒
auf daß Gott dir zum Freunde und Haus‐
genossen werden kann!
.Zur großen
Stille sollen diese Worte
deine Seele leiten.
.Wir werden dir hier eine Weile
vom
Menschen reden.
.Vom
Menschen aus müssen wir zu Gott
gelangen, sonst bleibt uns Gott in Ewigkeit
ein Fremder!
.Wir wollen Gott nicht
in der Trübsal
des Herzens suchen, denn uns erzeugte
Gottes
Wille zur Freude! ‒
.Wir wollen Gott nicht für dich durch
Fragen erkunden, denn auch in der leise‐
sten
Frage lärmt schon der Zweifel...
.Wir lehren Gott
in der Stille finden:
‒ im Willen zur
Freude!
.Von denen, die aus den Ängsten ihres
Herzens nach der Gottheit lärmen, kehren
wir uns bewußten Willens ab, denn wie
könnten wir sonst mit dir in die Stille ge‐
langen.
.Wir müssen
allein sein mit dem Men‐
schen, den wir in die Stille bringen wollen.
.Der Mensch, der
Gott vernehmen lernen
will, muss erst
sich selbst vernehmen
lernen...
.Sich selbst muß er zu
beantworten
trachten!
.Er muß sich selbst zu stummer
Frage
werden, und seine
Antwort ist dann
laut‐
lose Tat.
.Mit diesem, sich selbst erhörenden Men‐
schen nur
können wir in die große
Stille
kommen!
.Mit ihm
können wir die Wege wandeln,
auf denen allein Gott zu
er-
hören ist...
.Nur dem, der sich selbst vernehmen
lernte, kann die Lehre gelten, die wir hier
formen.
.Am Ufer des Meeres sah ich eine Mutter
sitzen mit ihrem Kinde.
.Das Kind spielte im Sande mit Muscheln
und bunten Steinen.
.All sein Spiel aber war ein
Wählen
und
Verwerfen.
.Sind wir nicht selbst derart spielende
Kinder?! ‒
.Wir
wählen und
verwerfen, und trei‐
ben es so durch Jahre und Jahrzehnte,
bis wir zum Ende rüsten.
.Ist nicht der gleiche Trieb das Treibende,
der jenes Kind mit Muscheln und Steinen
spielen ließ?! ‒
.Hier wollen wir verweilen!
.Wir werden an dieser Stelle den Sonnen‐
aufgang sehen.
.Weshalb sollten wir um die Erde reisen
durch die Nacht, der Sonne nachzulaufen?
.Schon haben wir den Menschen gefun‐
den, der selbst sich Frage, selbst sich Ant‐
wort ist.
.Wählen und
Verwerfen ist sein Tun.
.Du wirst den Menschen nie bei etwas
anderem finden!
.Freilich wird er dir große Gründe nennen,
wenn du ihn fragst,
weshalb er das tut.
.Der Mensch belügt sich aber nie so sehr,
als wenn er selbst
die Gründe seines Tuns
ergraben will...
.Aus
gleicher Tiefe quellen die Impulse
für das Spiel des Kindes wie für
alle Tat. ‒
.Hier wie dort ist im tiefsten Grunde
der Wille zur Freude zu finden!
.Letzte Lösung wird er vielen Rätseln.
.All deine Gedanken und Taten sind
deine „Muscheln” und „bunten Steine”.
.Nach deinem
eigenen Werte wirst du
wählen und
verwerfen. ‒
.Bald wirst du erkennen, daß
vieles „ver‐
werflich” ist, da es zu
bleibender Freude
nicht taugt.
.Aber gar viele „bunte Steine” schichtest
du doch zu Haufen, und dein Auge erfreut
sich an ihnen für einige Zeit.
.Dann aber wirst du des Spielens müde.
.Du lernst
Werte unterscheiden.
.Edelsteine möchtest du finden und
echte
Perlen, ‒ nicht nur leere Muscheln
und bunte Kiesel...
.Zuerst entfällt dir der Mut.
.Du siehst deine erste Freude an deiner
Erkenntnis sterben. ‒
.Umdüstert streift dein Auge über den
Sand.
.Doch siehe: ‒ dort
leuchtet etwas
zwischen den Kieseln!
.Eilend wirfst du deine bunten Steine
beiseite um jenes Leuchtende zu erlangen.
.Du findest deinen ersten
Edelstein!
.Von diesem Tage an bist du weise ge‐
worden!
.Du wirst nicht mehr an Kieseln deine
Freude finden, die nur glänzen solange sie
das Meer umspült.
.Von heute an wirst du vieles verwerfen
von dem, was deinem Auge reizvoll er‐
scheint, und wirst nur nach dem wenigen
suchen, das
dauernd leuchtet.
.So verlangt es der Wille zur Freude:
.Freude ohne Enttäuschung,
.Freude ohne Unterlass,
.Freude ohne ein Ende!
.Du wirst nun fragen:
.„Wenn diese Lehre die Wahrheit birgt,
woher dann ‒ das
Leid? ‒”
.Und ich antworte dir:
.Leid ist der
Freude Bedingnis und
Unterpfand!
.Alles im Kosmos lebt aus polaren Gegen‐
sätzen.
.Klein und
groß,
nieder und
hoch,
Leid und
Freude,
Lüge und
Wahrheit,
Schwäche und
Kraft, ‒ daraus
lebt alles
Leben!
.Ohne das
Leid könnte die Freude nicht
zu sich selber kommen, denn alles Tren‐
nen und Teilen schafft
Leid: ‒ Trennung
und Teilung aber ist
vonnöten, damit
Freude sich in allen Formen offenbaren
kann, die ihr unendlichfältig verschiedenes
Wirken braucht, aus dem alles Leben sich
erhält.
.Aber dein
Wille zur
Freude wird dich
im
Leid die
Lüge sehen lehren und dir
so das Leid
ent-
werten.
.Leid und Freude brauchen einander,
aber Leid und Freude
bekämpfen auch
einander ohne zum Frieden zu gelangen.
.Leid wie Freude wollen deine Kräfte
an sich ziehen.
.Leid wie Freude wollen durch dich
ge‐
wertet werden.
.Soviel du der
Freude Wert
beimessen
wirst, soviel Wert
entziehst du dem
Leid,
‒ bis es dereinst zum willigen
Diener
deiner Freude wird! ‒
.Ich rate dir gewiß nicht, allem Ungemach
feige zu entfliehen!
.Der Wille zur Freude will den Menschen
oft durch trübe Schicksalschluchten zu hellen
Höhen führen...
.Aller Sieg braucht Kampf.
.Kampf heißt: Wunden
erleiden und
Wunden
schlagen!
.Leid wird
dir durch
Andere kommen
und
du wirst Ursache werden für der
An‐
deren Leid.
.Hüte dich aber in deinem Willen zur
Freude, auch an den
Wunden dich zu er‐
freuen, die du im Kampfe schlagen mußt!
.Du sollst dein Leid in Fesseln legen,
wenn es dich nutzlos leiden macht.
.Wo aber dein Leid
zum Kampfe for‐
dert, dort sollst du dir den Sieg
erkämpfen!
.Alles Leid ist
Lüge!
.Alles Leid geht dereinst unter in der
Wahrheit!
.Das Leid ist nichts Bleibendes!
.Nur die
Freude ist
ewig, weil sie der
Ewigkeit
entstammt!
.Alles Leid ist dein
Gegner und
Wider‐
part!
.Alles Leid mußt du binden und zum
Dienen zwingen, damit die Freude frei sei
und herrsche!
.Du sollst jedoch dein Leid nicht
hassen!
.Hass ist die Farbe der
Ohnmacht.
.Der Wille zur Freude aber wird dich
die Liebe des Siegers lehren!
.Im Willen zur Freude wird dir alles
leicht.
.Du hast des Lebens wirkensgewaltigste
Macht zur Seite!
.Auch einer, der dem
Leide Zuwachs
schafft, strebt heimlich nach
Freude...
.Sein Wille zur Freude ist zwar
ge‐
fesselt, und dennoch bleibt er Quelle der
Kraft.
.Wille zur Freude zeugt alle Tat!
.Wille zur Freude erhält alles Leben!
.Wähle du selbst, ob, als betrogener
Kämpfer, du dem Leide
dienen willst, ‒
oder ‒ als Sieger ‒ das Leid
überwinden?!
.Du kannst nur dann unterliegen, wenn
du vor dem Leide
Furcht bezeugst!
.Zum
furchtlosen Sieger aber will dich
der Wille zur
Freude vollenden!
.Du findest den Willen zur Freude am
Werk in allem Dasein.
.Form und
Maß will der Wille zur
Freude, damit die Freude
geboren werden
könne aus der
Liebe.
.Liebe ist Streben nach
Einigung alles
Ent-
zweiten!
.Liebe allein zwingt Haß zum Dienste!
.Liebe
vereinigt alles
Entgegen-ge‐
setzte!
.Aus der
Liebe allein kann
Wille zur
Freude die Freude
zeugen!
.Wille zur Freude ist
männlicher Wille,
‒ er bedarf der
Gebärerin: ‒ der
Liebe! ‒
.Ohne
Liebe wäre der Wille zur Freude
wie ein ruheloser Verdammter...
.Liebe erst gibt ihm Ziel und sichere
Richtung.
.Liebe schafft Ausgleich zwischen gegen‐
sätzlichen Polen.
.Liebe ordnet alles Kleine dem Großen ein.
.Liebe einigt Wert und Unwert nach
ewigen Gesetzen in umfassender Einheit.
.Jeder Unwert ist ihr lieb um des Wertes
willen, dem er dienen muss, ‒ denn es
gibt keine
isolierten Werte und Unwerte
im Bereich der Wirklichkeit.
.Ungleichen Ranges,
bedingen doch Wert
und Unwert immerdar einander.
.Alles was
wachsen will, muß Wert und
Unwert zu
vereinen streben.
.Alles Lebendige braucht
Vereinigung
ungleicher Teile in der
Liebe.
.So nur erwächst das Bleibende!
.Du siehst die Menschen sterben und
du fragst:
.„Wo ist hier nun
das Bleibende?! ‒”
.Frage lieber:
.„Wo ist hier
das Vergängliche?!”
.Die liebsten Menschen sah ich sterben,
und
nichts Vergängliches konnte ich finden.
.Betrachte, was zurückblieb von allen,
die auf dieser Erde lebten, und du wirst
nur
neue Einigung der Teile gewahren,
soweit dein äußeres Auge sieht!
.Wer will dir dort, wohin dein Erden‐
körperauge
nicht zu sehen weiß, etwa
Ver‐
gängliches zeigen??
.Dorthin, wohin zu sehen es
nicht taugt,
sah es auch damals nicht, als die dir nun
entrückten Menschen noch deinen Sinnen
faßbar waren.
.Deine Sinne hatten ehedem dir nur ge‐
zeigt, daß da etwas Bestimmtes sei, von dem
dir nur
die Wirkung auf deine Sinne
Kenntnis gab.
.Glaubst du nun das
vernichtet, was du
voreinst
seiend wußtest, als es noch
auf
deine Sinne wirken konnte, ‒ dann bist
du wahrhaftig nur ein „
Sklave” deiner
Sinne! ‒
.Auch alle
Totentrauer entstammt nur
dem Willen zur Freude, der sich in Ohn‐
macht findet, das zurückzuholen, was ihm
als Anlaß der Freude entschwunden ist.
.Trügerisch betört dich diese Trauer, will
sie dir den Glauben an das Dasein derer
nehmen, die dein körperliches Auge nicht
mehr sehen kann, weil es nur
Körper‐
sinnenfälliges zu sehen tauglich ist.
.Dich selbst kannst du betrauern, weil
du einer
Täuschung erlegen warst!
.Nur was die Sinne deines Körpers be‐
rührte, hattest du für das Seiende gehalten...
.Nun mußt du sehen, daß die vergängliche
Freude am
Sinnenfälligen des Men‐
schen etwas sehr wesentlich anderes ist,
als die
bleibende Freude
am Menschen
selbst.
.Nun mußt du erkennen lernen, daß alle
„Sichtbarkeit” nur
unsichtbarer Wirk‐
lichkeit zeitliches Zeugnis ist.
.Alle Wirklichkeit wirkt aus dem
Un‐
sichtbaren!
.Willst du die
Wirklichkeit des
Men‐
schen finden, so wirst du sie nur
im Un‐
sichtbaren, durch
dein Unsichtbares er‐
reichen können! ‒
.Du darfst der Sichtbarkeit zwar
vieles,
aber
nicht alles glauben!
.Du mußt die Sichtbarkeit als Gegenpol
deines Unsichtbaren erkennen lernen!
.Wir könnten nicht in diesem Dasein
uns erleben, ohne den ins Äußere streben‐
den Willen zum erdensinnenhaften Sicht‐
barsein.
.Unsichtbar
wirkender und sichtbar
ge‐
wirkter Wille sind in uns zeitlich vereint.
.Noch nähern wir uns nicht der geist‐
gesetzlich bestimmten Bedingung zu
blei‐
bender Einung beider Willenspole.
.Erlösung vom Zuviel, ‒
.Ergänzung des Zuwenig: ‒
nichts anderes ist in Wahrheit der „Tod”,
der unser Unsichtbares aus dem Sichtbaren
löst.
.Nicht mehr
gehemmt durch sichtbare
Formen, werden wir dennoch auch in der
Sichtbarkeit leben und wirken: ‒ ein jeder
als Ganzes, bewußt seiner selbst nun aus
dem allewigen Ganzen...
.Weil ihr „
Außen” ein „
Innen” wurde,
‒
dein „Innen” aber noch mit deinem
„Außen”
ringt, ‒ darum findest du keinen
Weg zu denen, die du: „
die Toten”
nennst. ‒
.Es
gibt zwar einen Weg zu ihnen, aber
nur wenige Menschen sind jeweils im Leibes‐
leben, die diesen Weg gefahrlos betreten
können.
.Er beginnt im Äußeren und führt durch
die innersten Hallen der Natur, bevor er
sein Ziel erreicht.
.Der Mensch, der ihn betreten will, muß
selbst diesen Weg
erleuchten, sonst ver‐
irrt sich der Wandernde in den Labyrinthen
die zu „durchwandern” sind.
.Nacht und Verwirrung umfängt ihn dort,
bis er selbst in Nacht und Verwirrung
untergeht.
.Irrsinn ist dann das Ende!
.Alle, die
gefahrlos diesen Weg betreten
können, ‒
meiden ihn.
.Alle könnten die Wahrheit meiner Worte
bezeugen.
.Du kannst
dich selbst kaum in deinem
„Innen” erkennen, ‒ wie dürftest du hoffen,
die zarten Stimmen der Entrückten dort
zu vernehmen!?!
.Es bleibt aber gänzlich unnütz, etwa im
„Außen” nach
Beweis für etwas zu suchen,
was nur im allerinnersten „Innen” zu fin‐
den ist.
.Ewiges Leben ist Ruhe und Tat.
.Ruhe und Tat sind in ewigem Wechsel
wie Ebbe und Flut, im ewigen Meere inner‐
sten Geschehens.
.Ewige Ruhe wäre wirklicher
Tod!
.Ewige Tat wäre wirkliche
Verdammnis!
.Ruhe und Tat in Freude vereinigt,
sind
seliges Leben!
.Du deutest irrig deine Sehnsucht, wenn
du nach „ewiger Ruhe” zu verlangen glaubst.
.Deine Sehnsucht will
ewige Freude in
Ruhe und Tat!
.Freude ist menschliches Fühlen
göttlicher Vollkommenheit!
.Darum sollst du dem Willen zur Freude
Macht in dir geben!
.Du kannst
nie zuviel nach Freude
verlangen!
.Und was
jetzt dir an bleibender Freude
gegeben wird, kann
niemals dir wieder
genommen werden...
.Allüberall stellt Natur ihre Wegzeiger
auf.
.Die Menschen tollen daran vorüber wie
tanzende Kinder...
.Ihr solltet besser auf die Wegzeiger
ach‐
ten lernen! ‒
.Noch strebt ihr nach
Lust, und laßt von
Gelüsten euch verzehren, indessen allein
nur die
Freude ins dauernde Leben führt...
.Gott ist in der
Freude!
.Freude ist
klares Licht!
.Lust und
Gelüste sind
schwelender
Brand!
.Der Wille zur Freude ist
Wille zu Gott!
.Erkenne dich selbst: ‒
.Schlafender Wille warst du,
bevor
der eine Pol in dir zur
Sichtbarkeit
drängte.
.Träumender Wille bist du noch jetzt!
.Mehr und mehr aber wirst du zu
wa‐
chem Willen werden, bis du dereinst in
Freude und Klarheit alles in dir lebendig
durch-
willst.
.Alle Gesetzestafeln sind durch den Willen
zur Freude errichtet.
.Du selbst bist Wille zur Freude und
folgst nur eigenem Gesetz, wenn du in der
Freude
zu dir selber kommen willst und
in Freude
zu Gott!
.Alles, was
bleibende Freude bewirkt,
wird dir dienen.
.Alles, was
bleibender Freude nicht
dient, muß dir schaden.
.Du selbst bist dein Richter, und dein
Richterspruch ist deine
Tat!
.Du kannst dich selbst für lange Zeit
„verdammen”, und kannst dich durch dein
Tun zur höchsten „Seligkeit” erheben...
.So
lange du aber auch irren magst, ‒
du
mußt zuletzt, und wenn es auch nach
Äonen wäre,
dir selber folgen!
.Sobald du dich selber
erkennst, wirst
du im Lichte der Gottheit dich
finden.
.Noch strebst du hinaus in ein leeres,
starres Nichts.
.Noch spähst du nach tausend Zielen
irgendwo „da draußen”...
.Dereinst aber mußt du erfahren, daß
du nur
selbst dir zum Ziel werden sollst,
im Willen zur Freude an dir selbst.
.Du hältst in deiner Hand die Macht,
dich zu
binden und dich zu
lösen!
.Noch bist du deiner Macht dir nicht
bewußt.
.Du erwartest „außen”, was nur im
Inner‐
sten geschieht.
.„Außen” und „Innen” aber
werden dir
zu
Einem werden, wenn du
dich selbst
erst im Willen zur Freude
erkennst!
.Lange hatte man dich belehrt, daß „Trüb‐
sal des Herzens” und „Zerknirschung” dich
Gott nahe bringen könnten.
.Du hattest diesen Lehren vertraut, und
nun
fürchtest du dich auf dem Wege zu
dir selbst und zu deinem Gott.
.Fürchte aber nichts,
als was dich
fürchten machen will!
.Du wirst furchtlos in der
Kraft der
Freude schreiten, sobald du
dich selbst
im Willen zur Freude
willst.
.Im Willen zur Freude wirst du
ewi‐
ges Leben erleben!
.Im Willen zur Freude offenbart sich
dir dein
lebendiger Gott!
.Im Willen zur Freude wird sich Gott
dir dereinst
auf ewig einen!
.Dann wirst du erkennen, daß es nur
düstere
Götzen waren, die vordem dich
der Freude an dir selber, als der Ur‐
quelle deines
Willens zur Freude, fernzu‐
halten suchten!
.Dann wirst du entdecken, daß es ‒
Angst war, was dich nicht zu deiner Freude
kommen ließ!
.Dann wirst du erfahren, daß dein Sein
dir nur
sicher ist,
wenn du dich an dir
selber freuen kannst!
.In heiliger Freude dir ewig
selber ge‐
schenkt, wirst du auf ewig im
Willen zur
Freude sein!
WAS DIE SO WENIGEN, MIR IM GEISTE
.VEREINTEN,
ABER DURCH BLUTÜBERTRAGENES
.DENKEN
URALTER FORM VERPFLICHTETEN,
.MEINER BRÜDER,
HEUTE NOCH SO
VERBORGEN
.HALTEN,
DASS SIE NUR HART UND VIELFACH
.GESCHULTEN
NACH LANGER PRÜFUNG
SPARSAMEN EINBLICK GEWÄHREN,
DAS DURFTE ICH
ALLEN MENSCHEN
.OFFENBAREN,
DIE MEINE WORTE ERFASSEN.
ALLE BEDENKEN WURDEN ENTKRÄFTET,
DIE SOLCHE KÜNDUNG AUFHALTEN
.WOLLTEN, ‒
BLEIBT DOCH VERHÜLLT AUCH DAS
.OFFENBARE,
ALLEN, DIE SELBST NOCH NICHT
.SEHEN KÖNNEN.
WISSEND ABER MIED ICH WESTLICHE
.WEISE:
„WIRKLICHKEIT”
DAS NUR ZU
.NENNEN,
WAS DAS
GEHIRN DAFÜR HÄLT. ‒
DENN ICH BIN EINGEFÜGT
EWIGER
.ORDNUNG
UND BEFOLGE GESETZE
.ÜBERZEITLICHER ART.
ENDE