KULTMAGIE
UND
MYTHOS
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG AG
BERN
BÔ YIN RÂ
Autorenname von J. A. Schneiderfranken
3. Auflage
Unveränderter Nachdruck der 1961 in der Kober'schen
Verlagsbuchhandlung erschienenen zweiten Auflage
Erste Auflage Verlag Magische Blätter Leipzig, 1924
© 1972, Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG Bern
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die der Übersetzung in
fremde Sprachen und der Verbreitung in Rundfunk und
Fernsehen
Druck: Graphische Anstalt Schüler AG, Biel
.Man erwarte hier nicht eine Abhandlung
gelehrten Stiles!
Was hier gegeben ist, will keine historische
Betrachtung sein.
Es ist kein Beitrag zur Altertumskunde.
.Lebendige Quellen bieten hier ihre
Wasser dar!
Leben soll aus ihren Kräften sprießen!
Leben und
waches Tun!
Verstehen soll vermittelt werden, damit
man zu
sondern wisse zwischen
hohen
Dingen und menschlicher
Machtsucht,
die sich von alters her dieser Dinge klug be‐
dient...
Und letzten Endes werde so auf wieder neue
Weise der ewig gleiche Höhenweg gezeigt, der
seine Wanderer zum
Lichte führt.
*
.Ich kenne Größeres nicht auf dieser Erde
als das Geisteswerk des Menschen!
Insonderheit dort, wo es ihm selbst zu groß
erscheint, so daß er sich Götter schafft nach
seinem Bilde, muß ich des Menschen geistiges
Werk bewundern! ‒
Nie kann es mir an hohem Werte verlieren,
so man mir sagt: ‒ «Nun endlich haben wir
erkannt, daß dieses Geisteswerk, das wir als
Göttertat verehrten, in Wahrheit vom
Menschen stammt.»
Ich weiß, daß alles Geistige auf dieser
Erde stets des Menschen bedarf, soll es für
Menschen in Erscheinung treten und ver‐
nehmbar werden...
Ja, auch des Menschen selbstgeschaffene
Götter weiß ich noch zu ehren um seinet‐
willen!
Sein Bestes sehe ich in ihnen dargestellt!
Seine eigene Größe zeigen mir seines Geistes
Geschöpfe, die er über sich selbst emporhob,
um ihnen zu dienen...
Seiner eigenen Hoheit Bild schuf er, sich
vor ihm zu beugen...
.So ist mir auch mancher hohe
Kult und
solchen Kultes weiser
Mythos noch heilig um
des Menschen willen: ‒ als ein
Werk des
Menschen.
Der
Mythos zeigt mir den
Menschen in
göttlichem Bilde. ‒
Im
Kulte sehe ich ihn
das Göttliche in
sich selbst verehren, ‒ benannt mit dem
Namen des Gottes, den er sich selber schuf. ‒
.Wahrlich: du denkst gar gering von dir
selbst, wenn du des
Menschen Werk in
jenen Höhen da er sich
Götter,
Mythos
und
Kult erschuf, verachten zu dürfen
glaubst!
Noch bist du
dir selber fremd, wenn du
des
Geistes Darstellung auf dieser Erde
suchst und dennoch verschmähen willst, was
als das
Werk des Menschen sich in solcher
Darstellung bekennen muß! ‒
.Unmündigen mußten die Weisen der
Alten weislich verbergen, daß sie selbst ge‐
staltet hatten, was sie als der
Götter Wort
verkündeten.
Die aber der
Gottheit Stimme
in sich
selbst vernommen hatten, mußten
Götter
erschaffen, sollte das
Wort in ihnen sie nicht
selbst erschrecken!
So ward die Sprache ihres Mundes
ihnen
selbst schon Bild und Gleichnis, und jene
Anderen, die sie
vernahmen, ließen Bild
und Gleichnis bilderzeugend weiter in sich
wirken. ‒
Hohe Wissende aber, die da erkannten, was
des Menschen
geistige Kraft vermag,
schufen dem
Mythos den
Kult, ‒ schufen
die hohen Formen
magischen Wirkens,
die verborgen hinter Bild und Gleichnis, des
Menschen geheimste Macht ihm dienstbar
werden ließen.
Vieles davon ist heute verschüttet, nachdem
es Jahrtausende hindurch einst des Menschen
heiligster Besitz gewesen war.
Vieles ist heute noch im Wirken, doch wird
es von denen, die seiner pflegen, kaum mehr
erkannt.
.Die aber allen Kult
verachten, da sie
bei der Genesis des
Mythos der ihn trägt,
den
Menschen am Werke fanden, sind des
irren Glaubens, letzte Erkenntnis entschleiere
Mythos und Kult als Gebilde törichten
Wahns.
Sie ahnen nicht, daß hier der Wissende zu
ehren weiß, was sie mißachten!
Sie ahnen nicht, daß sie über Tempelfunda‐
mente schreiten, in deren Mauern köstliche
Kleinodien noch des Finders harren!
Sie haben den
Menschen erkannt, wo sie
ehedem
Götter am Werke glaubten, ‒ so
dünkt ihnen wertlos nun und verächtlich,
was sie ehedem verehrten.
Nur Seltene erfühlen in sich selbst, zu welcher
Höhe sich das
Werk des Menschen erhe‐
ben kann.
Sie allein noch kennen die
Ehrfurcht vor
dem Werke, das der Mensch der Vergangen‐
heit schuf.
Sie wissen, daß keine große
Kultur bestand,
die nicht auf einem
Kulte sich erhoben
hätte, der seine Tragkraft einem
Mythos
dankte.
Sie wissen, daß Kult und Mythos sich nicht
schaffen lassen als ein
Werk der Willkür
und darum
ehren sie, was aus den Tiefen
schöpferischer Kraft des Menschen dermal‐
einst ins Dasein trat.
Noch keiner hat die tiefsten Tiefen
der Quelle dieser Kraft ermessen!
Wer aber ahnend in sich selber sucht, der
wird alsbald erkennen, daß er nur
sich
selber lästert, wenn er das Werk der alten
Weisen schmäht...
Erschauernd wird er vor dem Werk des
Menschen stehen, das ihm die
Gottheit
offenbart! ‒
*
.Fern in der Zeiten Nacht verborgen ist
uns jene grauenvolle
Not, die einst den
Menschen drängte, da er den ersten dunklen
Mythos zeugte. ‒
.Im Lichtesfeuerglanze ewiger
Liebe hei‐
misch, zu ewigem
Leuchten im Dasein,
fand sich der Menschengeist, inmitten aller
Schauer einer chaotischen Welt, auf dieser
Erde als ein gefallener Stern.
Tier unter Tieren geworden, hatte ihn den‐
noch nicht alles Licht verlassen.
Unglücklicher als das Tier, ward ihm die un‐
sagbare Einsamkeit
bewußt, in die er selber
ehe er sie kannte, sich hinausgesehnt, ‒ die
er sich selbst bereitet hatte. ‒
Und nun ertrug er nicht, wonach ihn ehedem
so sehr verlangte...
.Bildner von Anbeginn, blieb aber
Schöpferkraft ihm noch erhalten, und
selbst in seiner tiefsten Gottverlassenheit
vermochte doch das «Tier» sie ihm nicht zu
rauben.
Zu dieser seiner Schöpferkraft nahm er nun
seine Zuflucht, und so erschuf er sich im
Bilde, wenn auch dunkel nur und mannig‐
fach verwirrt, aufs neue, in den Augen‐
blicken ärgster Qual, den
Wiederschein der
Lichteswelt aus der er selbst sich ausge‐
stoßen hatte.
.Die mancherlei Gewalten der Natur, die
ihm so drohend nahe kamen und deren
Macht er stetig über seinem Haupte fühlte,
heischten Einlaß auch in seine Geistes‐
schöpfung.
So wurde denn ihr Wirken ihm zum Werke
grausamer Dämonen, deren Gunst der
Machtlose nicht anders als durch
Opfer sich
erkaufen konnte.
Was aber mild und wohltatspendend auf den
Qualverwirrten wirkte, wurde ihm zum
Werke guter, wohlgesinnter Götter, denen er
durch
Dank und
Lob sich angenehm zu
machen suchte.
.Da es der Menschen
viele waren, die
das
gleiche Erdenleben teilten, so fügte
jeder zu der Urgestaltung dieses Bildes einer
übererdenhaften Welt ein
Eigenes an Ge‐
staltung bei, bis allen nicht mehr zu Bewußt‐
sein kam, daß sie die
Schöpfer dessen
waren was nun ihren Glauben formte.
Der erste
Mythos war geboren und hatte
Macht erlangt über den Menschen! Unzählig
sind die Formen, die aus seinem Samen von
Geschlechtern zu Geschlechtern fortgezeugt,
ins Dasein traten.
In allen offenbarte sich für lange Zeit nichts
anderes als die arge
erdenhafte Not des
Menschen.
.Dann aber kamen Einige, die von hohen
Wundern zu erzählen wußten, die ihnen in
der Stille begegnet waren.
Die Hierarchien der geistigen Welt hatten
des Menschengeistes im Tiere sich erbarmt
und wollten ihm den Weg zurück zu seiner
Heimat zeigen.
Nicht anders aber war hier Erlösung zu
schaffen, als durch den Menschen selbst.
So suchten und fanden sie jene Wenigen die
sie zu Leuchtenden im Urlicht berei‐
ten konnten um durch sie den anderen
Licht zu spenden.
Im Herzen Asiens waren sie gefunden
worden und von hier aus gingen sie in alle
Welt, getreu der Sendung, die ihnen gewor‐
den war.
Unter allen Völkern tauchte plötzlich einer
der ihren auf, ‒ es entzündete ihre Rede
eine heilige Flamme in allen die sie hörten.
Was sie zu verkünden hatten aber war zu er‐
haben, als daß es unverhüllt ertragen
worden wäre.
So ging es in den Mythos ein, wie er jeweils
an dem Orte ihres Wirkens lebte. Es folgte
eine Zeit, die den Mythos zu Bild und Gleich‐
nis hehrster Weisheit erhob.
Geheimste Erkenntnis ward Unzähligen
durch ihn vermittelt.
.Das «Tier» aber hatte zu sehr schon den
Menschengeist umnachtet, so daß auch Un‐
zählige verblieben, die das Licht
nicht er‐
reichen konnte. ‒
Das Licht kämpfte und rang mit der Finster‐
nis, aber die Finsternis blieb im Siege...
Nun ward der Mythos in gar vielen Wand‐
lungen gewandelt, und was da
Licht und
Leben einst in ihm gestaltet hatten, er‐
starrte zu
lebloser Form, ‒ wurde zu
Pfeilern der Götzentempel.
.Aus tiefster Verborgenheit heraus suchten
die
Leuchtenden ‒ jeder Generation aufs
neue gezeugt ‒ an allen Orten der Erde
stets zu retten was zu retten war. Doch es
blieb in jedem Menschenalter nur eine gar
geringe Zahl, die sich von ihnen finden ließ.
Die Anderen taumelten den Weg des Wahns
dahin, dem «Tiere» und dem Dämon der
Erde mehr und mehr verhaftet, fern aller
Sehnsucht nach dem Lichte.
.In solcher stets wachsender Not, als die
Gefahr des Versinkens in grauenvollste Nacht
des seelischen Erlöschens allmählich aller
Menschheit drohte, erbarmten die geistigen
Hierarchien sich aufs neue der Gefallenen im
Erdentiere und erwirkten ihnen Hilfe aus
der Geisteswelt: ‒ sandten der Leuchtenden
einen mit einer Sendung aus, die vordem
keiner noch erfüllen mochte und die auch
nach ihm keiner mehr erfüllen könnte.
In unerfaßbarer Liebe hatte er selbst in der
geistigen Welt sich zu solcher Sendung dar‐
geboten...
Damit er fähig werde ihr zu entsprechen,
hatte er seine Liebeskraft schon im gei‐
stigen Reiche zu höchster Vollendung em‐
porgeläutert, bevor er dem «Tiere» dieser
Erde sich vereinte...
Als der Größte aller Liebenden die je
die Erde trug, vollbrachte er in seinem Tode
was er zu vollbringen übernommen hatte.
In seiner Todesstunde auf Golgatha wurde
durch ihn der Erde unsichtbare Aura
derart verwandelt, daß allen nun, die
ehrlich suchen und in sich den
Willen von
der Finsternis zum
Lichte kehren,
Erlö‐
sung werden muß, so sie mit aller Inbrunst
in sich selber darum bitten...
Es war nun
leicht geworden durch ihn, was
vor seiner Liebestat auf Golgatha die Kraft
der
Stärksten kaum erreichen konnte! ‒ ‒
Noch blieb die Finsternis zwar an ihrem Ort,
allein sie hat nicht mehr die Kraft, den
Menschen der ihr wahrhaft widerstehen
will,
wie ehedem zu binden.
Ihre
stärkste Macht ward durch jene Tat
der
Liebe eines Erdenmenschen für
immerdar
gebrochen! ‒ ‒ ‒
.Wohl hatte der große Liebende den My‐
thos seiner Zeit und seines Volkes
durch‐
lichtet.
Wohl hatte er in ihm die hohe
Weisheit
aufgezeigt und sie
gesondert von dem
Wahn der sie fast zu erwürgen drohte.
Wohl hatte er, als der Erste seiner Brüder,
die Lehre des Geistes, die er zu geben hatte,
rein und
klar vermittelt ohne sie als
Bild‐
werk einzuweben in den
Mythos, wie es jene
Früheren, die einst den Menschen lehrten,
noch für ratsam hielten.
Allein er konnte nicht verhindern, daß
nach
seinem Erdenwallen Andere
sein eigenes
Bild dem
Mythos einverwoben, ja, daß
die
Kunde seines Lebens selbst zum My‐
thos wurde. ‒
Auch in
diesem Mythos fand
ewige Weis‐
heit Gleichnis und Bild!
.Auch in
diesem Mythos aber wurde
Weisheit so von Wahn umschlungen, daß
scharfe
Sonderung nötig ist, soll nicht der
Wahn die
Wahrheit dauernd überwuchern!
Der letzte große Mythos den die
Menschheit schuf, muß sich zur
Wirklich‐
keit verklären, von der er ausgegangen ist!
.Jahrtausende diente der Mythos dem
Menschen, ihm seine Nacht zu erhellen, ‒
nun aber ist die Zeit der Lehre durch den
Mythos
erfüllt, ‒ die Zeit der Erkenntnis
aus der
Wirklichkeit ist angebrochen!
‒ ‒ ‒
Der Mensch der kommenden Gezeiten wird
den
Mythos, den die Vorzeit schuf, wie
keiner je vor ihm zu
ehren wissen, allein
er wird ihn wie das
Bild des Spiegels
werten, das ihm zwar Aufschluß gibt, will er
sein Antlitz selbst betrachten, und dennoch
keineswegs sein körperhaftes Dasein in sich
birgt.
.Die Schöpferkraft des Menschen wird
sich mählich mehr und mehr in
anderer
Weise Anreiz zur Gestaltung suchen, doch
wenn auch manches
wirkliche Geschehen
noch dem
Mythos dienen mag, so wird
man dennoch wohl zu unterscheiden wissen
zwischen
letzter Wirklichkeit des Seins
und allem was sich nur durch Bild und
Gleichnis
sagen läßt.
.Die
Macht, die einst der Mythos über
die Gemüter hatte und die er heute noch zu
halten weiß wo noch der
Glaube lebt, den
er einst formte, wird ihm in einer neuen Zeit
genommen werden, und
niemals wird sie
ihm je wiederkehren können! ‒
Des
Geistes Leben, das der Mythos nur
zu
spiegeln wußte, wird den neuen Men‐
schen selbst
erfüllen, und
in sich selber
wird er aller Wahrheit
innewerden, die
seinen Vätern nur
im Bilde durch den
Mythos nahekam.
Inzwischen aber möge der Mythos der Alten
die
Ehrfurcht allenthalben finden, die ihm,
als dem
geistigen Werke des Men‐
schen, wahrlich gebührt!
*
.Die Götter zu ehren, ihnen zu danken
oder die unholden zu versöhnen, mußte
des Menschen Trachten sein, dessen Glaube
der Mythos formte.
Nicht anders schien ihm dies möglich, als
durch äußeres Werk.
Bald aber glaubte er auch zu erfühlen, daß
bei solchem Tun die Form der Handlung
von Bedeutung sei.
Nicht jeglicher Gebrauch bei Opfer, Dank
und Lobgesang schien gleichen Wertes in
der Götter Wertung.
So sonderte er Formen der Verehrung und
des Opfers aus, die nicht der Götter Wohl‐
gefallen fanden, und übte andere Formen,
die ihm, wie er glaubte, ihre Gunst bescheren
mußten.
Eigener Wünsche Erfüllung größere Gewähr
zu schaffen, führte zu strengster Innehaltung
scheinbar sicher erprobten Gebrauchs.
Der Kult der Götter hatte seine feste Form
gefunden.
.So glaubte man sich den Himmlischen
die der Mensch im Mythos einst geschaffen
hatte, verpflichtet, bis jene ersten der Leuch‐
tenden erschienen, die den Mythos hell‐
ten.
Sie waren es, die den Kult der Götter zu‐
erst aus Banden dumpfen Aberglaubens
lösten, und ihn benutzten, um des Men‐
schen innewohnende magische Kraft zu
wecken.
Sie wußten um die Fähigkeit des Menschen,
Unsichtbares zu erregen, so daß es nach des
Menschen Willen wirken und ihm dienst‐
bar werden muß.
Sie wußten aber auch, daß nur letzte innere
Zuversicht solches Werk zum Gelingen
bringen kann, und banden so bewußt das
magische Tun an den Glauben, den sie je‐
weils fest gegründet fanden.
Als der Götter Gnade und Huld trat so in
des Menschen Bewußtsein, was er eigener
magischer Kraft zu danken hatte...
Noch war er nicht reif ‒ noch ist er es heute
nicht ‒ die Wirkung dieser hohen Kraft,
nur auf sich selbst gestellt zu er‐
proben.
.Wohl war es nicht augenblickliche
Zau‐
berwirkung die auf solche Weise erfolgte,
doch zeigte sich nun eine weitaus
gewissere
vermeintliche «Erhörung» der Wünsche.
Infolge der Durchlichtung des Mythos er‐
wuchs der Kult zu erhabenem Geschehen
und tiefste seelische Klänge wurden in dem
Gläubigen erweckt.
Die spätere Zeit des Verfalls und der Erstar‐
rung erst zerstörte auch hier das
Leben und
hegte nur noch die
äußere Form als ste‐
riles Gehäuse.
.Noch aber blieb
Erinnerung ‒ ge‐
nährt durch die
Sage ‒ an früheres segens‐
reicheres Geschehen.
Der Wunsch, die äußere Natur auch ohne
harte Arbeit zu bezwingen, ließ Legenden
wachsen, die der Ahnen «Zauberkräfte» ins
Gigantische erhoben zeigten, und die Götter,
die man jetzt nicht mehr erreichte, unter
Menschen wandelnd...
Man ahnte auch wohl, daß in Verborgenheit
noch Kulte blühten, die das Vermächtnis
alter Zeit zu hüten wußten.
Da aber die Verborgenen das ihnen Heilige
nicht profanierten, benützte allenthalben der
Betrug die Neugier um sich in Respekt zu
setzen.
Die Geschichte des
Priestertruges be‐
ginnt in jenen, noch
vorgeschichtlichen
Tagen!
Was die Geschichte
heute an alten
Kulten
kennt, stammt
allerfrühestens bereits
aus der
Spätzeit ihres Bestehens! ‒
Jahrtausende
vorher müßten der For‐
schung zugänglich sein, sollte sie sichere
Kunde über die Ausgangspunkte der alten
Kulte bringen können!
.So Gewichtiges von höchstem Werte
aber auch verschüttet wurde: ‒ ein kärgli‐
cher Rest des einst Gewesenen blieb dennoch
bis in geschichtliche Tage erhalten, und
selbst in dieser heutigen Zeit ist noch nicht
alles von dem was jene Alten kannten, von
der Erde verschwunden.
Ein in Europa vor kaum zweitausend Jahren
nur
scheinbar «neubegründeter» Kult
führt vieles davon noch heute als Erbgut mit
und weiß sehr wohl, weshalb er es vor aller
profanen Betastung schützt, während im In‐
neren Asiens ein noch weit jüngerer Kult
‒ aus guten Gründen dem in Europa einst
erblühten nur allzuähnlich ‒ nicht minder
vorgeschichtlichem Erbe
neue Form und
neue Deutung gab. ‒ ‒
.Töricht wäre es heute, einen neuen Kult
zu schaffen, der, wie die hier gemeinten,
einem
Mythos seine Tragkraft danken
würde.
Töricht vor allem: dem Mythos, der seinen
Kult noch
besitzt, einen
neuen Kult nach
Willkür zu formen.
Wer hindert die neuen Gläubigen des My‐
thos, die einst seinen Kult verließen, ihn
nun, befreit von späterer Zutat, aufs neue
so zu übernehmen, wie er einst vom Alter‐
tum, für den damals neuen Mythos umge‐
wandelt, übernommen worden war, wenn
das Bedürfnis nach einem, von ihrem
gläubigverehrten Mythos getragenen Kulte in
ihnen heute aufs neue lebendig sein sollte?! ‒
Eine heute vielleicht nicht mehr zu ferne
Zeit wird freilich des Mythos nicht mehr
bedürfen um sich ihren Kult zu schaffen. ‒
Ihr Kult wird auf dem Wesentlichsten
aller alten Kulte fußen, wird reinste Kult‐
Magie und Dienst am Innersten des
Menschen sein! ‒ ‒
Aber auch dieser kommende Kult läßt sich
nicht, aus Sehnsucht nach ihm, nach bloßer
Willkür schaffen.
Erst müssen die Kräfte im Menschen, die er
voraussetzt, allüberall in Vielen erweckt
und in lauterer Wirksamkeit sein!
Dann wird er gewißlich erstehen, aller
Hemmnisse spottend!
Längst ruht der
Samen im Schoße der
un‐
sichtbaren Erde, aus dem er, mit starkem
Schafte sprießend, dereinst zum Baume er‐
wachsen wird!
Aus seinen Früchten wird eine kommende
Kultur sich nähren! ‒
Die Sehnsucht der Vielen die ihn ersehnen,
wird mehr und mehr die Triebkraft des Samens
wecken aus dem er ersteht....
*
.Aus einem Dienste, den man gleich
dem Königsdienst, den Göttern, die man
selbst geschaffen hatte, einst zu schulden
glaubte, hatten des Urlichtes Leuchtende den
Kult zur Kult-Magie erhoben.
Noch aber durften zu selbiger Zeit nur Er‐
lesene hier um letztes Geheimnis wissen.
Noch war die Überzahl der Menschen keines‐
wegs herangereift, das Wissen um ihre eigene
Geistesmacht ohne Schaden für die Seele zu
ertragen.
So sehr bleibt stets der Menschengeist dem
«Tiere» dieser Erde, das ihm Zuflucht wurde,
unterworfen, daß auch die allermeisten Men‐
schen dieser heutigen Tage an der Seele
Schaden leiden würden, wüßten sie um ihre
Macht im Unsichtbaren.
Doch braucht die letzte Wahrheit heute
trotzdem keine Hülle, da jene, denen sie
nicht taugt, sie ihren Augen selbst verber‐
gen, mag auch im hellsten Sonnenlichte sie
vor aller Welt erscheinen. ‒
Sicherster Schutz wird ihnen durch ihren
entkräfteten Glauben!
.So läßt sich heute denn von vielen Dingen
reden, die einst die alten Weisen einem
glaubensstarken und dem Unsichtbaren eng
verbundenen Geschlecht
verbergen muß‐
ten, wollten sie es vor sich selber schützen.
Auch heute werden es nur die
Erlesenen
sein, die das Geheimnis ihrer geistigen Macht
erfahren, denn
sie allein sind
fähig, es
zu
fassen! ‒
Nur sind die Erlesenen heute reicher an
Zahl als jemals vorher in der Zeiten Folge...
Ihnen allein kann
Seelengut und
Er‐
lebniserregung werden, was hier zu Worte
wird! ‒
.Vom
Kulte sei hier die Rede, soweit er
als
Magie sich auswirkt um des
Menschen
willen!
Die
Gottheit, die des
Menschen bedarf
um sich dem Menschen zu offenbaren, heischt
wahrlich keinen Kult um
ihretwillen, allein
der Kult, der in
Magie sich auswirkt, kann
den Geist des Menschen
aus dem Schlaf
im «
Tiere»
lösen und ihm ein Reich des
Wirkens neu erschließen, das ihn erkennen
lehrt, daß ihm auch dort noch Hilfe wird, wo
alle Macht des «Tieres» ihre Grenzen fühlt.
.Das Wort «
Magie» ist sehr in Mißkredit
gekommen.
Die Charlatane aller Zeiten haben es ent‐
wertet.
Und dennoch
wirkt Magie auf allen Wegen!
Zum
Fluche wird sie allen die sie nützen
wollen, ihren
Erdentiereswünschen feil
zu sein...
Zum
Segen wandelt sich ihr Wirken, wenn
die
Liebe ihr begegnet! ‒
Darum ist alle hohe Kultmagie so
mächtig,
weil in ihr, verborgen unter manchem dich‐
ten Schleier, dennoch die
Liebe wirkt! ‒
.Von
Kultmagie kann nur die Rede sein
wenn
Viele sich zu magischem Tun in
Einem einen, und solche Einigung bedarf
der
Liebe. ‒
Hier wird das Mysterium enthüllt, das in den
Worten noch erhaltener Kultfragmente im‐
mer wiederkehrt, wenn jenes neueren Kultes
Priester die Gemeinde segnen:
«Der Herr sei mit euch!»
und wenn dieser Segen dann aus der Vielheit
stets zurückhallt:
«Und mit deinem Geiste!» ‒
.Mag auch für die Allermeisten, die ge‐
meinsam sich bei solchem Kulte finden,
längst dieser Segensspruch zu bloßem For‐
melwort entwertet sein, so bleibt er doch als
Hinweis auf die Vorbedingung aller hehren
Kultmagie bedeutungsvoll...
Hier soll in altgegebener Form die
Seelen‐
einigung sich vollziehen, durch die dem
magisch Wirkenden die Kräfte
aller die an
seinem Wirken Anteil nehmen, liebend
über‐
tragen werden. ‒
Mit dieser ungeheuren aufgetürmten Seelen‐
kraft beginnt nun und vollendet hier der
Einzelne, in sich vereinigend den Willen
Aller, das hohe magische Werk. ‒
Die
Deutung, die man diesem Werke gibt,
liegt hier
weit außer dem Bereich der
Wirksamkeit!
Was hier geeinter
Wille, glaubensstark und
in dem magischen Geschehen durch die
Liebe, die den eigenen
Glauben in dem
Anderen liebt, verbunden, heiß erstrebt, ist
durch kein «
Dogma» zu berühren! ‒
Die
Gottheit, die durch diese Kultmagie
veranlaßt werden soll, dem Menschengeiste
sich für Augenblicke innerlich, als in diese
Welt der Erdensinne nun erfaßbar einge‐
gangen, zu bezeugen, ist wahrlich aller Wir‐
kung solchen magischen Geschehens sehr
entrückt, allein der Gläubige wird dennoch
letzte
Wirklichkeit erleben.
.Der uralt heilige Kult, der hier zu neuem
Leben kam, sah in dem
Brote, das der
Mensch als Nahrung braucht, und in dem
Weine, der als Trank der Kräftigung galt,
da er der Sinne Leben steigerte, die irdischen
Substanzen, die am meisten würdig waren,
die
Gottheit in sich aufzunehmen, sollte sie
magisch sich der
Materie einen.
Zwar war es der
Mensch, der
für sich
selber diese Einigung suchte, allein: noch
sinnlich ungebrochen, konnte sie ihm nur
Erlebnis werden durch die
sinnliche
Erfahrung.
Wie anders sollte der Gott sich mit ihm
ver‐
einen, als durch
Speise und Trank, da
nur durch Trank und Speise Fremdes sich
ihm einverleiben konnte!
.Hier ist nicht zu fragen: wie etwa
Ma‐
terie durch Magie
verändert werden
könne, ‒ hier ist nur bedeutungsvoll, was
im
Bewußtsein des Gläubigen sich voll‐
zieht, der Brot und Wein in sich aufnimmt,
nicht als irdische Materie, sondern als
die ihm sinnlich faßbaren
Träger der Gott‐
heit, wie immer er sie auch
benennen
mag. ‒ ‒
Wer in den Reichen des Unsichtbaren be‐
wußt und erlebnisfähig wurde, der weiß auch,
daß sich der inbrünstig Gläubige bei solchem
Kultmahl keineswegs betrügt.
.Nicht
Brot und
Wein bewirken freilich
die
für die Zeit der höchsten Konzen‐
tration nach ihrem Genusse mögliche
«Schwingungsänderung» der eigenen Gei‐
stessubstanz, so daß sie
für diese Mo‐
mente wahrhaft
göttlichgeistiges Le‐
ben aufzunehmen fähig werden kann, son‐
dern allein die
magische Kraft, die der
Glaube aus sich erzeugt. ‒
.Noch haben nur wenige erkannt, was
diese magische Kraft vermag, wenn sie
zu‐
gleich von
Vielen ausgeht, die alle des
gleichen
Willens und des gleichen
Glau‐
bens sind. ‒
Es ist diese
akkumulierte Kraft, die
zu‐
rückströmt auf jeden
Einzelnen der des
gleichen Glaubens und Willens ist, selbst
dann, wenn er
nicht bei ihrer Erweckung
während der Kulthandlung beteiligt war. ‒
.So baut denn auf wahrlich
gut gesicher‐
tem Boden, was als ältesten Kultes Erb‐
teil heute in neuerer Gestaltung noch vor‐
handen ist und vielen derart befremdlich
dünkt, daß sie nur finstersten
Aberglauben
zu erkennen wähnen. ‒
Die
Deutung aus seinem, ihm unantast‐
baren
Mythos, die dem Gläubigen unum‐
stößlich gewiß erscheint, obwohl nur
sie
allein den Kult der Sphäre menschlichen
Irrens nahebringt, ändert nicht das Min‐
deste daran, daß
Kräfte hier zur Auswir‐
kung gelangen, die durch den Kult
erweckt,
sonst tief
verborgen im
Menschen ruhen.
‒
.Der Weckung dieser Kräfte dient die
eigentliche Kult-
Magie: eine Magie der
Zeichen, die von dem sie Ausübenden ver‐
langt, daß
sein eigener Körper nach
streng bestimmtem Rhythmus und in streng
gegebener Folge
selbst sich zu
magischen
Zeichen forme, ‒ eine Magie der
Laute,
die ebenso streng bestimmte
Lautfolgen
und solcher Lautfolgen öftere Wiederholung
fordert.
Der
begriffliche Sinn der Gebete, in
die sich diese Lautmagie verhüllt ‒
nicht
alle Gebete, die der Kult verlangt, sind sol‐
chen magischen Charakters ‒ kommt für die
erstrebte Wirkung keineswegs in Betracht.
Aus dieser
Lautmagie erklärt es sich, daß
die Hälfte des noch erhaltenen Kultes
ver‐
nichtet wäre, wollte man das gesprochene
Wort, das er fordert, nicht mehr in jener
alten Sprache sprechen, aus der er hervor
gegangen ist...
.Ob jene, die den Kult noch üben,
wis‐
sen, was sie tun, ist ebenso belanglos wie die
Deutung, die sie ihm zu geben haben, und
wie die Gründe, die sie geltend machen, wol‐
len Neuerer ihn verändern.
.Kultmagie ist keine bloße «
Sym‐
bolik»!
Kultmagie ist ein Wirken nach
strengen Gesetzen,
zur Auslösung
magischer Kräfte,
die im Menschen
verborgen sind!
.Altehrwürdig und
um Jahrtausende
älter als man zugestehen möchte ‒
vorausgesetzt, daß man es erahnt ‒ ist jener
Rest eines alten Kultes, der diesen heutigen
Tagen noch erhalten blieb! ‒ Altehrwürdig
ebensowohl in dem seit fast zweitausend
Jahren bestehenden Kulte, auf den hier vor‐
nehmlich meine Worte deuten, wie in dem
zeitlich jüngeren, den man noch im Inneren
Asiens übt! ‒ ‒ ‒
.Daneben aber sind noch gar manche
Fragmente alter magischer Kulte bei den
verschiedensten Völkern der Erde zu finden.
Oft hält man für einen Kult «auf primitiver
Stufe», was nichts anderes ist, als ein solches
degeneriertes Teilstück aus einem hohen
Kulte
vorgeschichtlicher Zeit, ‒ wie
denn auch die Völker, um die es sich handelt,
keineswegs erst am
Anfang, sondern am
ruhmlosen
Ende ihres ehedem unvergleich‐
lich höheren Geisteslebens stehen. ‒ ‒
Wie hohe
Kultur der
Vertiertheit wei‐
chen mußte, so trat dann an die Stelle hohen
magischen
Kultes, finsterer
Fetisch‐
dienst und
Zauberbrauch.
Im
Zerrbild endet, wenn der Mensch dem
«
Tiere» und damit dem Dämon dieser Erde
sich ergibt, was er einst schuf, auf daß es ihn
der
Gottheit nahe bringen sollte...
*
.Die magischen Riten der alten Kulte
sind wahrlich von Weisen geformt, die um
die Gesetze alles geistigen Geschehens wuß‐
ten.
Hier waren Wirkende am Werke die im
Geisteslicht erkannten, daß der Mensch mit
beiden Füßen fest auf dieser Erde Boden
stehen müsse, wenn er mit weitgespreiteten
Armen himmlische Gestirne in die Macht
seiner Hände zwingen wolle...
Gleichweit entfernt von selbstgeschaffener
Ekstase wie von jenem engen, erdgebundenen
Blicke der sich über seine nächste Umwelt
nicht erheben kann, erlebten sie im Innersten
die unvergleichliche hohe Einung aller
Seelenkräfte, die alles Äußere ins Innere
bringt und die kein «Außen» kennt, das nicht
der sichtbarliche Ausdruck innersten Ge‐
schehens wäre. ‒
So wußten sie ein äußeres Tun zu formen,
das Allerinnerstes erreichen mußte, um
durch dies Allerinnerste das Äußere zu
wandeln.
Den geistigen Gesetzen untertan, suchten
sie Menschen und Dinge aus
erdenhafter
Bindung zu
erlösen.
Sie lehrten äußere Kräfte so
gebrauchen,
daß Allerinnerstes,
durch sie zur Wir‐
kung angeregt, die Banden
sprengte,
die anders nicht zu lösen waren.
Selbst hohe
Magier, lehrten sie
Magie
der
göttlich höchsten Art und wurden
so zu
Erlösern ihrer im Tiere schlafenden
Brüder.
Nicht jene
irdische Erkenntnis wollten sie
vermitteln, die, als Frucht des
Denkens,
zwar
hohe Werte fördern, aber
nie zu
geistigem Erwachen tauglich machen
kann.
Ihr Wirken galt dem
geistigen Erkennen,
dem
jene Dinge sich entschleiern müssen,
die
nie dem
Denken sich enthüllen kön‐
nen, da sie dem
Schein entrückt, als letzte
Wirklichkeit im
Sein allein sich finden. ‒
.Alles
Denken menschlicher Gehirne ist
für immerdar in der
Erscheinungswelt
verankert, der die Gehirne, mögen sie auch
über rein Abstraktes fabeln, selbst als
Teile angehören.
So wie da keiner sich selbst überspringen
kann und wenn er auch der beste Springer
wäre, so kann kein Denker jemals dem Be‐
reich des Denkens ‒ der irdischen Er‐
scheinungswelt ‒ sich selbst entziehen,
und wenn er es versucht, wird er mit aller
Arbeit seines messerscharfen Denkens sich
nur selbst zum Narren haben ohne solches zu
bemerken...
Alles aber, was zu dieser irdischen Er‐
scheinungswelt gehört, ist jenes «Außen»,
dem ein Innerstes entspricht, das nie im
Denken zu erreichen ist, da alles Denken,
mag es sich auch noch so hoch erheben,
Funktion bleibt der Erscheinungs‐
welt, in ihr beschlossen und verhaftet, mag
auch der Gegenstand des Denkens an
sich selbst hoch über aller irdischen Er‐
scheinung liegen. ‒
Als Material des Denkens ist des Gegen‐
standes vages Abbild nur gegeben. Er
selbst bleibt wo er war und kann dem
Reiche irdischer Erscheinung niemals sich zu
eigen lassen.
.Der Denker kann nicht Dinge letzter
Wirklichkeit erfassen.
Er setzt für sie
Gedanken, die als
Ge‐
bilde der Erscheinungswelt
in ihr be‐
schlossen bleiben. ‒ ‒
Auch alle
Geisteswelten sind
Erschei‐
nungs-Welten, wenn auch von weit subli‐
merer Art als die Erscheinungswelt der kos‐
mischen Materie.
Und auch in ihnen kann das
Denken nie
das
Innerste ‒
die letzte Wirklich‐
keit ‒ erreichen. ‒
Wohl ist das Denken dort an
geistige Or‐
gane nur gebunden und so mannigfacher
Hemmung frei, die irdische Gehirne fesselt.
Allein auch jene
geistigen Organe sind nur
Teile geistiger
Erscheinungswelten und
was sie fassen können, bleibt in geistiger Er‐
scheinungswelt beschlossen.
Soll aber
letzte Wirklichkeit der sicheren
Erkenntnis sich enthüllen, dann gibt es nur
ein Inne-
Werden dessen, was es zu erkennen
gilt!
Nur im
Erleben ist die letzte
Wirklich‐
keit zu fassen! ‒ ‒ ‒
.Es ist dies ein
Erleben, das, der
Kraft
nach,
über allem Denken steht, der
Art
nach aber
jenseits allen Denkens. ‒
Solches
Erleben zu bewirken lehrten die
hohen Meister vorgeschichtlicher Tage einst
die reine
Magie, die sie im Kulte zu ver‐
ankern suchten.
Es wurde jene
Kultmagie der Welt gege‐
ben, die sich noch jetzt in letzten Resten auf
der Erde findet...
.Die Fundamente alter
Tempel die
einst solchen Kult am Werke sahen, haben
ernste Forscher ausgegraben.
Sie fanden auch so manches
Kultgerät,
fanden mannigfache Spuren bildgefaßter
Darstellung der alten Lehre, allein des
Kultes heiliges Mysterium ging einst mit
jenen Menschen unter, die es in ferner Vor‐
zeit als der Götter Gabe streng vor jeglicher
profanen Neugier schützten. So sorgsam war
dieser Schutz, daß aller Forschungsfleiß ver‐
geblich ist, will er aus den Fragmenten die
gefunden wurden, Schlüsse auf die Art des
einst geübten Kultes ziehen.
Nur jene letzten kultischen Reste die sich in
der Sprache Roms sowie im Innern Asiens
erhalten haben, könnten hier spärlichen Auf‐
schluß geben. ‒
Auch hier aber würde wohl allzuleicht der
rote Faden, der des Labyrinthes Ausgang
finden lassen könnte, verloren.
Nur der verliert ihn nicht, der klar erkannte,
daß die alte Kultmagie nicht Lehre als Ge‐
dankengut vermitteln wollte, sondern
Menschen zum Erleben dessen führte, was
anders nicht zu fassen ist als nur im inner‐
sten Erlebnis höchster Art. ‒
In solchem Erleben nur wird Erdenmen‐
schen jene Erkenntnis, die auch der Tod
des Erdenleibes nicht erschüttern oder gar
vernichten kann! ‒
.Nur
solche Erkenntnis aber lohnt des
Erdenmenschen Streben nach gesichertem
Erkennen!
Dem so Erkennenden wird jegliche Erschei‐
nungswelt ‒ sei es die Welt der kosmischen
Materie oder eine jener Welten
geistiger
Substanz ‒ zum
Ausdruck und zum reinen
Bilde letzter
Wirklichkeit.
Nur er wird jegliche
Erscheinung aus dem
Innersten des
Seins heraus verstehen, sei es
in diesem Erdenleben, oder in den mannig‐
fachen Lebensformen, die der Menschengeist
durchlebt, wenn er vom Körper dieses Erden‐
tieres bereits abgeschieden ist! ‒
.Uralte, aus des Menschen Erdennot ge‐
zeugte Fabeln wollen ihn bereden, daß er
nach diesem Erdenleben sogleich die volle
Klarheit in den Sphären übererdenhaften
Lichtes fände.
Der Mensch aber möge sich
fernehalten
solcher wunschgeborenen
Täuschung! ‒
Was nicht auf dieser Erde in des Erdenlebens
kurzen Tagen ihm geworden ist, wird ihm
auch
nach dem Scheiden aus der irdischen
Erkenntnisform erst einstens
werden müs‐
sen aus dem
gleichen innersten
Erleben,
das ihm auch
während dieses Erdendaseins
hätte werden können,
bevor er von der
Erde schied. ‒
Es kann ihm nichts
erlassen werden, wo
immer er sich auch finden mag, denn hier
heischt
ewiges Gesetz Erfüllung!
.Wohl kann der Menschengeist Jahrtau‐
sende in Geisteswelten glückerfüllt durch‐
leben, allein zuletzt wird ihn das gleiche
Grauen fassen, das ihn hier auf Erden faßt,
empfindet er in großen Augenblicken, daß
über aller höchsten Seelenregung noch ein
höchstes
Innerstes ihm
unerreichbar
bleibt. ‒
Dann wird er
dort wie
hier der hohen
Helfer Hände suchen müssen, soll er
ins
Innerste des Seins geleitet werden...
Er selber aber muß sich erst erlebnis
fähig
machen, soll ihm das Erlebnis
werden! ‒ ‒
Ist es ihm
geworden, so wird er zwar ver‐
bleiben in seiner geistigen Erscheinungswelt,
jedoch als ein
Wissender, den nichts mehr
trügen kann, ‒ nicht anders als wie er
hier
auf Erden gewiß die Erdenwelt nicht
ver‐
lassen wird, nachdem ihm Erkenntnis aus
dem
Erleben wurde. ‒
.Entgegen jenen Fabeln, die dem Men‐
schengeiste ein
erleichtertes Erkennen
nach dem Scheiden von dem Erdentieres‐
körper prophezeien, muß ich bekunden, daß
vielmehr dem Menschengeiste der des
Er‐
dentieres Kräfte
noch in diesem Er‐
denleben meistert, das innerste
Erle‐
ben, das allein zu der Erkenntnis letzter
Wirklichkeit verhilft, gar sehr
erleich‐
tert ist, ‒ ja daß er
ohne dieser Erde Leib
unsagbar
Schwereres erfüllen muß, will er
zu seinem unentrinnbar festgesteckten Ziele
hingelangen. ‒
.Die
Leuchtenden des Urlichts, die
da ehedem den Kult der Götter einst zur
Kultmagie erhoben,
wußten um die
Kräfte dieser Erde, die der Menschen‐
geist sich dienstbar machen kann auf diesem
Weg.
Darum vereinigten sie
die Erde dem
Himmel, ‒ darum schufen sie den
kulti‐
schen Gebrauch, der irdische Kräfte:
Zeichen,
Laut und
Ton, dazu benützt,
das
Innerste des Menschen zu erreichen,
in dem allein das heilige Erlebnis letzter
Wirklichkeit zur
Wahrheit werden
kann. ‒
.Wahrlich, der Mensch dieser Tage darf
es gar sehr beklagen, daß ihm
der Weg des
Kultes, will er sich nicht Dogmen beugen,
die er als krauses Gemächte menschlichen
Hochmuts erkennt, schon seit Jahrtausenden
verschüttet ist! ‒
Und dennoch ist ihm der Weg zum
Erlebnis
keinesfalls verschlossen.
Es ist ein
anderer Weg bereitet worden,
der über den Schutt der Tempeltrümmer hin‐
weg
ins Innerste des heiligen Landes
der Seele führt...
.In mancherlei Lehre habe ich diesen Weg
beschrieben.
Ich setzte Wegmarken für alle die ihn finden
wollen.
Die diesen Weg beschritten haben, erfahren
mehr und mehr, daß sie dem Ziele näher
kommen, und viele sind des Zieles schon
innegeworden.
Sie missen nicht mehr die
Tempel der
alten Kulte, und nicht die Förderung
durch
Kultmagie, obwohl sie, erkennend
was der
Geist erkennen lehrt, in manchem
alten Tempel wesenhaften
Geistes Spuren
fanden und wahrlich die
Magie der alten
Kulte hoch zu ehren wissen.
.Der Weg ins
Innerste des Inneren, wie
er für
alle gangbar ist zu allen Zeiten, ist
für jeden Einzelnen
verschieden, obwohl
er stets der
gleiche Weg
für alle bleibt.
Die
eigene Artung des Menschen be‐
stimmt diesen Weg, so daß jeder den
seinen
findet auf der gleichen Spur die auch der
andere geht. ‒
Am
Ziele erst wird jeder gewahr, daß er in
seiner Art den
gleichen Weg gegangen
ist wie alle anderen die das Ziel erreichten, ‒
daß keine Weise, ihn zu gehen, etwa leichter
oder schwerer ist...
Wer immer aber diesen Weg durchwandelt,
wird von
Erkenntnis zu
Erkenntnis in
sich selber schreiten, bis er, am Ziele an‐
gelangt,
sich selbst erkennt und in sich
selbst das Heiligtum gewahrt, in dem die
Gottheit wirkend sich bezeugt als sein
le‐
bendiger Gott. ‒
*
.Versunken in die Finsternis des «Tieres»,
erkannte einst der Menschengeist
sich
selbst und sein Geschick in fahlem
Bilde
und stellte dieses Bild aus sich heraus als
Mythos. ‒
Gar spärlich war dieser Strahl des inneren
Lichtes und dennoch ließ er jenes Weges
ersten Anfang finden, der den Geist des
Menschen aus des «Tieres» Banden, wieder
zu sich selber führt.
Die wenigen, die diesen Weg erkannten, fan‐
den in früher Vorzeit schon ‒ wenn auch
nur tastend und erahnend ‒ in sich empor
zu jenem
wesenhaften Lichte, das sich
niemals völlig von dem Menschengeiste
scheiden konnte, ‒ fanden des Weges
Ziel:
‒ erlebten
in sich selbst ihren
leben‐
digen Gott, auch wenn sie solches Erleben
nur irrig zu
deuten wußten. ‒
Es ist auch hier nicht die
Deutung, die des
Erlebens Wert bestimmt, sondern allein des
Erlebens
Wirklichkeit!
Die aber solchen Erlebens Wirklichkeit
nicht innewurden, schufen sich aus den
Kräften des «Tieres» ein
äußeres Licht,
und all ihr Streben war darauf gerichtet,
diesem Lichte, das die äußere Nahrung des
gehirnlichen
Denkens braucht, stets neue
Nahrung zuzuführen, so wie man das Öl auf
den Docht der Lampe gießt. Allmählich
brannte dieses Licht sodann für viele
viel
zu hell, als daß sie noch nach jenem
in‐
neren Lichte, das allein des
Geistes Weg
erhellen kann, Begehr getragen hätten...
So ging selbst das Wissen um jenes inneren
Lichtes
Dasein den allermeisten
völlig
verloren, und viele, die noch darum wuß‐
ten, achteten es mehr und mehr
gar sehr
gering, geblendet von dem grellen Schein
der Leuchte, die sie sich selbst geschaffen
hatten um die
Außendinge zu erhellen.
Die Finsternis, die ringsum sie umgab, ließ
dieser Leuchte Schein so hell erstrahlen, daß
sie nicht glauben konnten, eines anderen
Lichtes zu bedürfen...
.Auch heute sind gar viele von diesem
äußeren Lichte geblendet, so daß es ihrem
Augen schier als
allen Lichtes Inbegriff
erscheint.
Jedoch die
Seele bleibt bei diesem äußeren
Lichte stets in
Dämmerdunkel und nicht
für alle Zeit läßt sich der Seele banges Rufen
überhören. ‒
So wird gar mancher doch an seines selbst‐
geschaffenen Lichtes Allgewalt im Laufe sei‐
nes Lebens irre und sucht auf oftmals wun‐
derlichen Wegen jenes
innere Licht zu fin‐
den, von dem ihm Kunde aus der Vorzeit,
und das Wissen derer, die es in sich selbst zu
finden wußten, sagen.
So mancher alte
Mythos wird befragt, ob
er nichts sagen könne von der Weise,
wie
dieses
innere Licht
erlangbar sei, und
dem Geheimnis alter
Kulte sucht man auf
die Spur zu kommen, um hier vielleicht be‐
lehrt zu werden.
.Zwar sind nun
Mythos sowohl, wie
alles, was noch an Resten alter
Kulte lebt,
erfüllt von Wissen um die rechte Art, in der
das innere Licht erfahren werden kann, je‐
doch man sucht auch hier stets nur von
außen her, im Lichte seiner selbstgeschaf‐
fenen Leuchte. ‒
So führt auch
dieses Suchen nur zu
äußer‐
lichen Dingen, und ihre
Deutung gibt
dem
Irrtum Zuwachs. ‒
.Es könnte mancher
Mythos deutliche
Fingerzeige geben, wüßte man ihn zu be‐
trachten, wie einst die Wissenden ihn be‐
trachtet wissen wollten: ‒
als Bild eines
inneren und innersten Geschehens
im Menschen selbst...
Vor allem aber kann hier jeder letzte Rest
von
Kultmagie, der noch erhalten oder
auch nur durch Berichte alter Schriften noch
erkennbar ist, die Augen öffnen, will man die
Art und Weise finden, wie das innere Licht
aufs neue zu erlangen ist. ‒
.In aller Kultmagie ist Äußeres dem Inne‐
ren
vereint und
durch das Äußere wird
Innerstes erreicht. ‒
Das Äußere ist ihr niemals
um seiner
selbst willen da!
Die kultischen Gebräuche mögen äußerer Be‐
trachtung wohl an sich
genügen: was ihre
Schönheit, ihre
Wirkung auf die Sinne,
ihre
Kraft des Ausdrucks anbelangt, ‒
allein dies alles ist nur
Mittel um das
In‐
nere des Menschen zu erreichen, damit es
fähig werde, in sich selbst das
Allerinner‐
ste in eigenem
Erleben zu erfahren. ‒ ‒
.Hier ist die hohe Lehre aufgezeigt, die
aus den Resten alter Kultmagie auch noch
dem Menschen dieser Tage werden kann!
Hier gilt es zu erfassen, daß alles
Äußere
dem
Inneren verbunden ist und darum nie‐
mals anders als nur
bruchstückweise sich
erkennen läßt, solange man es nur von
außen her beleuchtet! ‒ ‒
Hier gilt es zu erfassen, daß ein jegliches Ge‐
schehen in der
Außenwelt zurück auf die
Innenwelt wirkt! ‒ ‒
Hier gilt es zu erfassen, daß auch des Men‐
schen
Alltagsleben sich zur
Kultmagie
erheben läßt, wenn er in allem seinem Tun
bestrebt ist, auf sein
Inneres in
solcher
Weise einzuwirken, daß dieses Innere all‐
mählich zum
Erwachen kommt! ‒
.Noch sind nur Seltene sich der Verant‐
wortung bewußt, die sie für jeden leisesten
Gedanken, jedes
Wort und jede
Tat in
dieser Außenwelt zu tragen haben...
Die Allermeisten wissen nicht ‒ und manche
wollen es nicht wissen ‒ daß
Worte und
Gedanken für die Wirkung in das
Innere
des Menschen fast
gleichen Wertes sind
wie die vollbrachte
Tat, und daß sie stets
durch all ihr
Denken,
Reden oder
Tun
nicht nur ihr
eigenes Inneres in guter oder
übler Weise formen, sondern auch der Innen‐
welt der
anderen entweder zum
Segen
werden oder zum
Fluch...
.Hier möge jeder, der diese Worte liest,
sich selber fragen, ob er hinfort sein ganzes
Wirken so gestalten will, daß es ihm selbst
und allen, die in seiner Mit- und Nachwelt
leben, zum Segen werde! ‒
Nur wenn er solchen Willens ist, wird er die
Vorbedingung schaffen, die
von ihm selbst
allein geschaffen werden
kann und die von
ewigem
Gesetz gefordert wird, soll sich das
innere Licht ihm offenbaren! ‒ ‒ ‒
.Gar viele sind des eitlen Glaubens, sie
müßten «große Dinge» tun in dieser Außen‐
welt, damit ihr Wirken ihnen selbst und an‐
deren ein Heil erwirke, das meistens nur in
ihrem eigenen Wahn als «Heil»
erscheint,
‒ zuweilen aber auch, selbst schon in dieser
Außenwelt, mehr
Unheil ist als Heil. ‒ ‒
Sie achten sehr auf solches Tun, das
allen
sichtbar wird, doch sind sie weit davon
entfernt, ihr Denken, Reden oder Handeln
dort zu zügeln, wo sie es vor der Welt
ver‐
borgen glauben. ‒ ‒
So fühlen manche sich berufen, ganze Völker
zu beglücken, obwohl sie selbst nur Sklaven
ihrer eigenen Gedanken sind.
.Wahrlich, ‒ wer solcherart noch sich
selbst betört, darf
nicht erwarten, daß das
innere Licht ihm werden könne!
Wer es erlangen will, wird all sein Tagewerk
‒ sei es nun weithin sichtbar oder still ver‐
borgen ‒
verantwortungsbewußt voll‐
bringen müssen, ‒ sich selbst bewahrend
vor dem Wahn, daß
jene Taten nur zu
zählen seien, die dereinst in Chroniken ver‐
zeichnet werden. ‒
Und führte ihn sein Lebensweg zu einem
Wirken, das für
Viele in der Außenwelt
Verantwortung zu tragen hat, so lasse er
erst recht sich nicht verführen, jene
an‐
dere Verantwortung gering zu schätzen, die
ihm obliegt bei
allem Alltagstun, auch
wenn es so verborgen ist, daß nie ein Anderer
darum weiß!
.Was die Magie der alten Kulte nur für
Feierstunden zu bewirken wußte: ‒ die
Einwirkung des äußeren Tuns auf
unsichtbare Kräfte ‒ das wird dem Su‐
chenden, der jenen freien Höhenweg, den
ich ihm zeige, zu betreten weiß, zur Heili‐
gung des ganzen Erdenlebens werden! ‒ ‒
Er wird durch all sein Denken, Reden
oder Tun sich magisch wirkend wissen,
und wird gar bald erkennen, daß nichts in
dieser Außenwelt geschehen kann, das
ohne Wirkung bleiben könnte im Bereich
des Unsichtbaren.
So wird er seine Seele zum Erwachen brin‐
gen und in sich selbst erfühlen, daß ihm ‒ je
nach seines Strebens Inbrunst ‒ eine Gei‐
steshilfe nahekommt, von deren Dasein er
vordem kaum wußte, oder deren Wirken ihm
vor seinem Selbsterleben, außer aller Mög‐
lichkeit zu liegen schien, so daß er jede
Kunde, die ihm davon sagte, in das Reich
der «frommen Fabeln» wies...
Durch solche Geisteshilfe wird er sich auf
seiner Bahn alsdann geleitet wissen, bis
seine Seele so bereitet ist, daß sie des
inne‐
ren Lichtes endlich
teilhaft werden
kann...
In diesem
inneren Lichte wird er dann
sich selbst für alle Ewigkeit geborgen fin‐
den, und allen seinen letzten Fragen nach
des Menschendaseins Sinn wird unbezweifel‐
bare Antwort aus dem eigenen
Erleben
kommen...
*
.Der Menschengeist, der sich in dem un‐
gestüm heischenden «Tiere» der Erde selbst
verloren hat, bleibt dennoch für alle Zeit
seiner geistigen Urheimat verbunden, auch
wenn er nicht darum weiß.
In dichtester Verfinsterung wird ihm zu Zei‐
ten stets ein zarter Strahl des
Lichtes wie‐
derkehren, aus dem er einst sich selbst durch
eigene Willensabkehr löste. Es sind nur we‐
nige Sekunden jeweils, die ihn wie Erinne‐
rung an längstgeträumte Träume noch er‐
ahnen lassen, daß er von Ewigkeit her
An‐
deres ist als dieses «Tier» der Erde, dem er
hier sich so verhaftet fühlt, daß er ihm seinen
ewigen
Namen gab. ‒
Aus solchen wenigen Sekunden wird ihm
dann der Drang,
sich selbst im Erdentiere
wieder aufzufinden.
.Gewohnt, allein des «
Tieres» Kräften
zu vertrauen, beginnt er so sein Suchen nach
sich selbst in
gleicher Weise, wie er
die
Dinge dieser Erde zu ergründen sucht.
Notwendig muß er die Erfahrung machen,
daß all sein Suchen nach sich selbst auf
solche Art
vergeblich bleibt und nur die
Dunkelheit
verdichtet, die ihn vordem
schon umgab. ‒
Wü
rde
Hilfe ihm nicht, die
allein hier
helfen kann, ‒ die Hilfe aus der
Urheimat
des Geistes, dargeboten durch die hohen
Helfer die dazu verordnet sind, ‒ so müßte
der Mensch daran verzweifeln, jemals
sich
selbst, als den
ewigen Menschengeist,
im «Tiere» dieser Erde wieder zu finden, und
den Dämon dieser Erde ‒ den «Fürsten der
Finsternis» ‒ zu bezwingen...
.Die sanften Strahlen uranfänglichen Lich‐
tes, die ihn zu Zeiten erreichen, vermögen es
wohl, in ihm die
Sehnsucht nach dem
Lichte zu erwecken, allein: ‒ noch läßt sich
die
Fessel nicht lösen, die das «
Tier» um
den Menschengeist, der in und mit ihm lebt,
zu schlingen wußte. ‒
Noch wird sich der Mensch der
Weite seines
Geistes, noch wird er seiner Höhe und
Tiefe nicht bewußt, denn was er bis hierher
seinen «Geist» zu nennen pflegte, ist nichts
anderes als sein gedankliches Bewußtsein
um sein tierisch-irdisches Erleben. ‒
Hier aber findet er sich eingeengt in viel‐
facher Bindung, so daß er alles was nicht
gleicher Bindung unterworfen ist, als außer
sich und über sich empfindet. So schafft er
sich seinen Gott und seine Götter, auf daß
sie Träger seien dessen, was seiner Erd‐
gebundenheit sich scheinbar nicht vereinen
läßt, und noch nicht erkannt wird als des
eigenen, ewigen Wesens Inbegriff...
So schafft er sich seinen Mythos ohne vor‐
erst auch nur zu ahnen, daß er nur die Ge‐
schichte seines eigenen Daseins dar‐
zustellen weiß. ‒
So schafft er aus dem Mythos sich den Kult,
und wird sich nicht bewußt, daß hier das
Erdentier, gezwungen sich dem Menschen‐
geiste endlich zu beugen, nur eine Ausflucht
fand, um seine Herrschaft doch in dieser
Form zu wahren...
.Wü
rde der Mensch erkennen
wer er ist,
dann wäre es um des «Tieres» und des Erden‐
dämons Macht in ihm geschehen, ‒ so aber
stellt er sein Bestes
über sich hinaus und
fühlt sich nur um so mehr in des «Tieres»
und seines kosmischen Despoten Gewalt.
Die
Leuchtenden des Urlichts, die
einst den Kult zur Kult-
Magie erhoben,
suchten zwar ihre irrenden Menschenbrüder
solcherart aus dieser Macht des «Tieres» zu
erlösen, doch viel zu fest hält diese Macht
den Menschengeist gebunden, als daß er je‐
mals sich ihr ganz entwunden hätte.
Der
größte Liebende ging über diese
Erde und lehrte klaren Wortes, daß dem
Menschen «alle Gewalt» gegeben sei, des
«Tieres» und der dämonischen Kräfte
Herr
zu werden und aller selbstgeschaffenen Götter
Herrlichkeit in sich zurückzunehmen, ‒
allein man verstand nicht seine Lehre und
formte sie in solcher Weise um, daß man im
«Tiere» zwar fortan den «
Feind» erblickte,
doch einen Feind, den man zwar
foltern, aber
niemals
gänzlich überwinden könne.
Erstickt ward jegliche Regung, sich des
«Tieres» Kräfte zu
einen und als des «Tie‐
res»
Herr sich seiner zu bedienen, wie man
ein Lasttier braucht, das man zwar gut bei
Kräften hält und wohlernährt, doch sicher
dorthin lenkt, wo es dem Eigner Dienste
leisten soll...
.Die Kunde von des hohen Meisters Le‐
benstagen ward zu einem neuen
Mythos,
der alsbald auch einen
Kult zu tragen hatte,
geformt aus
Überresten alten kulti‐
schen Besitzes, denen man aus Worten die
der Meister
hell und
klar gesprochen hatte,
willkürlich
dunkle, eigener verworrener
Erkenntnis angepaßte
Deutung gab. ‒
Bedeutsam aber bleibt auch heute noch, was
so entstanden ist, da es die Reste alter
Kult‐
magie verwahrt, die sonst verloren wären.
Unzählige sind noch in heutigen Tagen nur
durch diese Reste alter Kultmagie dem
Gei‐
stigen verbunden und
Geisteshilfe weiß
sie zu erreichen, sei auch die eigentliche
Quelle solcher Hilfe ihren Augen dicht ver‐
hüllt durch jene bilderreichen Schleier, die
der Mythos ihres Glaubens, wunderlich und
arabeskenhaft verschlungen, um alle letzte
Wirklichkeit zu weben weiß...
Nicht denen, die in solcher Art Ge‐
nüge finden, gelten meine Worte!
Sie mögen zu bewahren suchen was sie haben,
und dürfen immerhin gewiß sein, daß der
Weg den ihres Glaubens Lehre sie zu gehen
heißt, zwar oftmals «Umweg» ist und sie
durch dunkle Gründe leitet, jedoch zu‐
letzt, wenn sie das Reich der bloßen Bilder
einst durchwandelt haben, das höchste
Ziel dennoch erreichen läßt, ‒ so sie auf
diesem Wege, voll des gläubigen Ver‐
langens, letztlich nach dem Geiste stre‐
ben. ‒
Anderen aber gilt meine Rede!
Jenen Anderen, die keine Kultmagie er‐
reicht, da sie der Deutung die der Kult er‐
heischt, sich längst entwachsen wissen, auch
wenn sie noch erfühlen, was wie ferner Glok‐
kenklang aus dieses Kultes Liturgien tönt,
als letztes Zeugnis längst dahingegangener
Geschlechter. ‒
.Der Weg den ich zu künden komme, läßt
den Suchenden der ihm vertraut, das Land
der
Wirklichkeit erreichen, ohne seinen
Blick durch jene Mauern einzuengen, die ein
furchtgeborener Glaube angstumschnürter
Herzen zu errichten wußte... Wer immer
diesen Weg betritt, wird
in sich selber
sichere
Führung finden, so er nur selbst
sich solcher Führung
würdig macht durch
eine
Willenswandlung, die da
alle seine
Seelenkräfte
einigt in unwandelbarem Stre‐
ben nach dem höchsten Ziele. ‒
Wer aber diesen Weg betritt, wie er auch vor‐
dem andere Wege fruchtlos zu erforschen
strebte ‒ sei es um der Neugier willen, oder
um sein
erdenhaftes Wissen zu bereichern
‒ der wird
allein gelassen werden und gar
bald des Weges rechte Spur
verlieren!
Desgleichen duldet dieser reine Höhenweg
die Füße dessen nicht, der noch das «Tier»
in sich nicht zu
bezwingen wußte, mag er
auch seiner Seele Kräfte allem Hohen dienst‐
bar machen wollen...
Hier ist kein
Paktieren möglich mit des
«Tieres» nimmersatten Trieben, und keine
Folge triebversklavten Handelns läßt sich
tilgen! ‒ ‒ ‒
.Das «Tier» im Menschen wird ihm täg‐
lich tausend gute Gründe bringen, seiner
Triebe scheinbar «gutes Recht» zu wahren.
Des «Tieres» Stimme wird mit holden Wor‐
ten schmeicheln, ‒ wird geflissentlich den
Menschen zu betören suchen, als sei «belang‐
los», was er ihm gewähre, bleibe seiner
Seele
Sehnen nur auf
Geistiges gerichtet...
Es sucht das «Tier» mit allen Listen seine
Macht zu wahren und duldet selbst
Ver‐
achtung und Verachtung seiner
Wünsche,
wenn der Mensch um diesen Preis nur sich
ihm ergibt. ‒
.Wer
aber den Weg, der ihn zur
Selbst‐
erkenntnis führen sollte, nicht im Wege
zur
Vernichtung enden sehen will, der hüte
sich, des «Tieres» Stimme zu vertrauen!
Er sei gut zu dem Tiere und wisse ihm zu
sagen: «Wahrlich, ich danke dir, du mein
Tier, daß du solcherart stark in mir bist,
allein deine Kraft sei nun allein in
meiner
Macht! ‒ Wisse: du sollst mir
gewandelt
werden, und gefügig mir fortan
dienen als
deinem
Herrn!» ‒
.Wie Donnerschlag ist solches Wort dem
«Tiere», so daß es daran
sterben muß, ‒
jedoch, wie eine ekle Raupe zwar
als Raupe
stirbt, um dann
als farbenreicher Falter
zu erstehen, so ist auch des «Tieres» Sterben
nur vonnöten, damit es zu
neuer Art des
Lebens ‒
geläutert und durchlichtet
in sich selbst ‒ gewandelt werde...
Der aber ehedem ein
Höriger des «Tieres»
war, ist dann sein
Eigner und es
dient
ihm willig aus seiner
erneuten,
hochge‐
wandelten Kraft! ‒ ‒
Im
gleichen Leibe geschah sein «Sterben»
und sein Auferstehen, und doch sind
alle
Atome dieses Leibes geistig
erneut!
.Wer solcherart das «Tier» in sich zu
wandeln weiß, den wird des «Tieres» Leben
nicht mehr hindern können.
Dem Leben des
Geistes wird es sich völlig
einen!
Wie das Gehäuse der Laute Resonanz dem
Klang der Saite gibt, so wird der
tierische
Leib dem Menschen
dienen, seines
Gei‐
stes Kraft zu voller Entfaltung zu bringen.
Es wird fürderhin nur der
Geist alle Herr‐
schaft üben!
Ausgelöscht ist des «Tieres»
Eigenwille,
der vordem des Geistes
Feind und steter
Widersacher war...
.Nun erst ist die Gefahr beschworen, die
einem Jeden stetig droht, der sich vermißt,
zur Höhe aufzusteigen, bevor das «
Tier» in
ihm
erstarb und wieder ihm
erstand, in
heilig hehrer
Wandlung hingegeben nun
des Geistes Willen! ‒ ‒
.Zwar hat es zu jeder Zeit auch Menschen
gegeben, die, ihrer Geistigkeit bewußt, zu
hohen Stufen vorgedrungen waren,
ohne des
«Tieres» sichere Eigner zu sein, allein, ‒
man lasse sich durch hohen Erdenruhm nicht
täuschen.
Kein einziger aus ihnen hat sein
höch‐
stes Ziel erreicht auf dieser Erde,
kein
einziger aus ihnen erlebte während dieses
Erdenlebens in sich selbst, in seinem Aller‐
innersten, seinen
lebendigen Gott! ‒ ‒
Wohl hat ihr Geist in herrlich hohen Worten
sich bekundet, allein sie selber blieben stets
im Zwiespalt bis zum Ende! ‒
.Wer dieser geistig Hochgelangten weise
Worte in sich aufzunehmen weiß, tut wohl,
doch wahrlich darf er nicht ihr
Leben sich
zur Richtschnur dienen lassen, wenn er zum
Vollbewußtsein seiner
höchsten Daseins‐
form im
Göttlichen gelangen will! ‒ ‒ ‒
Gar mancher Mensch, der in Verborgenheit
sein Leben lebte und dessen Name keine
Kunde nennt, hat unbeschreiblich Höheres
erreicht als auch der Größte derer, die zwar
hohe Geistesstufen zu ersteigen wußten, aber
nicht vermochten, aus des «Tieres» Fesseln
sich zu lösen...
.Nur dort, wo das «Tier»
verwandelt
und vollkommen dem Geiste
geeinigt
wurde, ‒ nur dort werden die Geheimnisse
nicht mehr nur
geahnt, sondern in klarem,
wachen, eigenen Erleben
erlebt! ‒
Solchem Erleben aber kann jede
Seele erschlossen werden.
Es bedarf dazu nicht des Glaubens an einen
Mythos, noch ist ein
Kult dazu vonnöten,
der aus einem Mythos erwuchs.
.Wird
Kult in seiner höchsten Form zur
Kult-
Magie, so läßt sich von des Erden‐
menschen
Alltagsleben sagen, daß es erst
lebens-
wert und lebens-
würdig wird, so‐
bald der Mensch erkennt, daß all sein Tun ein
magisches Geschehen auslöst, mag er
darum wissen oder nicht...
Erst dann ist die
höchste Form des Lebens erreicht, wenn
alles
Denken, Reden oder Tun
bestimmt wird
durch das Wissen um die Wirkung in der
unsichtbaren Welt des
physischen Ge‐
schehens, und weiter: durch das Wissen um
die Wirkung jeglicher
Impulse auf die
eigene
Geistsubstanz. ‒ ‒ ‒
.Von
außen her wird hier auf Erden alles
Innere erreicht!
Von
außen her allein vermag der Mensch
sein Inneres zu
formen, auf daß es fähig
werde,
Allerinnerstes dann in sich selber
zu
vernehmen!
Es gibt nichts Äußeres,
das hier ge‐
ring zu achten wäre! ‒
.Bewußtseinsfremd geworden seiner Ur‐
heimat im Geiste, findet der Menschengeist
sich nunmehr nur bestätigt durch sein Den‐
ken, Reden oder Tun in dieser
Außenwelt,
und nur
von hier aus kann er füglich auch
zurückgelangen zu
sich selbst.
Alles
Äußere muß ihm zum Mittel werden,
sein
Inneres wieder zu erreichen! Nur so
macht er von aller Außenwelt den rechten
Gebrauch: ‒ er, dem sein eigener Körper auf
dieser Erde schon «Außenwelt» ist! ‒
.Man ruft in diesen erdgefesselten Zeiten
nach dem «neuen Mythos», und man meint
im Grunde den neuen
Kult...
Nicht eher aber wird der neue Kult der
Menschheit werden, als bis
Magie in ihrer
heilighöchsten Form
alles Erdenleben
durchlichtet hat. ‒
Die geistige
Daseinswirklichkeit des
Menschen wird dann an die Stelle des
Mythos treten, und aus dem
Leben wird
die kommende
Kultmagie erstehen! ‒
*
ENDE