GEIST UND FORM
Verlagslogo
Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Zürich
Der bürgerliche Name von Bô Yin Râ war
Joseph Anton Schneiderfranken
2. Auflage
Die erste Auflage erschien im Verlag
Greiner & Pfeiffer, Stuttgart, 1924
©
Copyright 1958 by
Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Zürich 48
Alle Rechte vorbehalten
Printed in Switzerland by
Schellenberg-Druck Pfäffikon ZH
INHALT Seite
Die Frage 5
Aussen und Innen 11
Wohnstatt und Werk 17
Form der Freude 27
Des Leides Form 36
Die Kunst des Lebens 41
Originalscan
Dem neuen Menschen!
DIE FRAGE
.Du willst in den Geist gelangen und hast den OO
Weg zum Geiste nach langem Irren gefunden! OO
.Und nun fragst du:
.«Was soll mir fürder alle Form, da ich den OO
Weg zum Inhalt weiß? ‒ »
.Belanglos und allen Wertes bar erscheint dir OO
die Form; ‒ du glaubst nicht nur, dass formlosOO
dir das Innerste sich offenbare: ‒ du siehst OO
bereits in aller Form nur Hinderung!
.Verächtlich erscheint es dir, der FormOO
noch zu achten; ‒ verächtlich erscheinen dir OO
alle, die nach Form-Vollendung streben!
.Du selbst glaubst aller Form nun entratenOO
zu können!
.Du willst dich, auch formlos, dennoch geOO
wertet sehen als einen der nach höchstenOO
Werten strebt!
.Als arge Toren erscheinen dir alle, die daran OO
5 Geist und Form
Anstoss nehmen, dass du die Form missOO
achtest!
.Du fühlst dich hoch erhaben über dieser OO
Anderen Torheit, und lächelnd fragst du: «WasOO
soll mir auf dem Wege zum Geiste nochOO
solche äusserliche Bindung? ‒ Was sollOO
mir die Form!? ‒ ‒»
*
.Siehe mein Freund: ‒ ich zweifle nicht daran, OO
dass du den Weg zum Geiste gefunden hast!
.Ich zweifle aber, dass dir gute Führung wer‐ OO
den wird, die du doch nötig brauchst, wenn du OO
dabei verharren willst, der Form zu spotten!.. OO
.Du glaubst, man müsse deine LauterkeitOO
erkennen, müsse deines Strebens InbrunstOO
achten, und deines Willens reines WollenOO
müsse für dich zeugen...
.Du bist auch gewiss durch solchen Glauben OO
keineswegs irrig beraten und dennoch wirst du OO
erkennen lernen müssen, dass du die FormOO
nicht missachten darfst, ja, dass all dein OO
Tun erst letzte Wertung erhält durch die ihm OO
gemässe Form!
.So wie man köstlichen Wein nicht darbieten OO
6 Geist und Form
wird in geringen irdenen Gefässen, da es den OO
Wert des Weines missachten heissen würde, OO
wollte man also ihn kredenzen, so erheischt OO
schon die Ehrfurcht vor dem Geiste, dass dir OO
nur vollendetste Form Genüge leiste, sobald OO
du selbst zum «Tempel des Geistes» werden OO
willst! ‒ ‒
.All deine Selbstbekundung in der äusseren OO
Welt wird stetig solcher Ehrfurcht Zeugnis wer‐ OO
den müssen!
.Sobald du den Weg zum Geiste einmal OO
betreten hast, steht es dir nicht mehr frei, OO
dich zu gehaben nach deiner BequemlichkeitOO
und augenblicklichen Laune! ‒ ‒
.Du hast Verpflichtung, dich selbst nun OO
umzuschaffen und Ausdruck zu werden dem OO
Geiste!
.Dich selbst sollst du zu höchster FormOO
vollenden, und alles was immer durch dein Tun OO
für andere erfassbar werden mag, soll deine OO
Formvollendung sichtbarlich bekunden!... OO
.Nicht durch Verachtung der Form wirst du OO
Erhabenheit beweisen! ‒
.Ein Tor nur kann sich «erhaben» glauben OO
über alle Form! ‒ ‒
7 Geist und Form
Der wirklich Erhabene wird stets die Form OO
beherrschen! ‒
.Es äussert sich solche Beherrschung schon OO
in alltäglichstem Tun...
.Der Zyniker, der sich in Lumpen hüllt um OO
seine Bedürfnislosigkeit zu zeigen, ist wahr‐ OO
lich ein kläglicher Geck, solange seiner Arme OO
Kraft ihm noch ermöglicht, sich durch irgend‐ OO
eine Arbeit soviel zu erwerben, um sich ein OO
achtbares Gewand zu kaufen!
.Wer sich hingegen selbst zum Tempel desOO
Geistes wandeln will, der wird alle Mühe auf OO
sich nehmen, damit er auch in seiner äusserenOO
Erscheinung schon die Achtung vor sichOO
selbst beweise...
.Erlaubt es sein Besitz, so wird man ihn OO
zu jeder Zeit in der gewähltesten und bestenOO
Kleidung seines Landes sehen, und ist er arm, OO
so wird er dennoch alles aufzubieten suchen, OO
damit auch seiner Armut dürftiges Gewand OO
noch allerorten Achtung finde...
.Gewiss läuft mancher durch die Welt, der OO
alles, was sein Erdendasein ihn erträumen lässt, OO
nur in den Nähten seiner modisch-schnittgerech‐ OO
ten Kleidung offenbart; ‒ allein die würdige OO
8 Geist und Form
Gewandung innerlicher Vornehmheit wird sich OO
noch immer unterscheiden lassen von blossen OO
Draperien, die ein eitles Nichts umhüllen. ‒
.So aber, wie die Art, den Körper zu bekleiOO
den schon die Achtung eines Menschen vor OO
sich selbst und vor dem Geistigen, dem er OO
zum Tempel werden will, beweist, so wird man OO
auch in allem seinem Tun erkennen können, ob OO
er zu ehren weiss, was in ihm lebt. ‒ ‒
.Dass «gute Lebensart» auch vielen Men‐ OO
schen wichtig wurde, die durch sie verbergenOO
lernten, was sie wirklich sind, beweist nur, dass OO
man ursprünglich ihr nur begegnen konnte OO
bei solchen, die auch wirklich waren, was sie OO
schienen! ‒
.Schöpfung der Menschen inneren Wertes, OO
wird sie auch nicht entwertet, wo sie nur OO
Maske bleibt, wie Gold nicht seinen Wert ver‐ OO
lieren kann, auch wenn es die feile Dirne als OO
Schmuckstück trägt...
.Zahlreich sind die selbstgewissen VerächterOO
solcher «guten Lebensart», die nicht bemerken, OO
dass in ihr Form geworden ist, was sie selbst OO
erst mit grosser Gebärde als ethische FordeOO
rung erstreben! ‒ ‒ ‒
9 Geist und Form
.Sie sehen nicht, dass selbst noch dort wo OO
solche Lebensform zur «leeren» Form gewor‐ OO
den ist, weil ihr die geistige DurchdringungOO
fehlt, weit Besseres durch sie bewirkt wird, OO
als ihre eigene Störrigkeit, die alle schöne OO
Form als «Lebenslüge» wertet, je bewirken OO
kann. ‒ ‒ ‒
.Wahrlich, gar oft sind «die Kinder dieserOO
Welt» nicht nur «klüger», sondern auch besOO
ser, als jene, die sich allein bevorrechtet glau‐ OO
ben «Kinder des Lichtes» zu werden!!
.Siehe, ich rate dir: missachte nicht dieOO
Form, ‒ sei es in grossen, sei es in kleinenOO
Dingen!
.Du sollst gewiss nicht nach Aneignung OO
«leerer» Formen streben, aber dein ganzesOO
Leben sollst du formen lernen und nichts soll OO
dir zu geringfügig sein um all dein Streben dar‐ OO
auf zu richten, es in seiner schönsten und voll‐ OO
kommensten Form zu offenbaren! ‒ ‒ ‒
*          *
*
10 Geist und Form
AUSSEN UND INNEN
.Der du auf dem Wege zum Geiste bist, OO
wisse, dass dir nichts Ungeformtes sich jemals OO
offenbaren kann!
.Auch der Geist bedarf der Form, soll er dir OO
innewerden! ‒ ‒
.Wie nichts in dieser Aussenwelt der ForOO
mung entbehrt, so wird auch in der innerenOO
Welt nichts wahrgenommen, es sei denn FormOO
geworden...
.Du sprichst von «leerer» Form!
.Bedenke aber, dass auch die leere Form noch OO
Offenbarung eines Willens ist, der sich in OO
ihr einst Ausdruck schuf, so wie das leere OO
Haus der Schnecke dir noch von dem Tiere sagt, OO
das in ihm lebte! ‒ ‒
.Was Form geworden ist in dieser AussenOO
welt, ist Ausdruck eines Inneren der Aussen‐ OO
welt, das anders dir sich niemals offenbaren OO
könnte...
11 Geist und Form
.So aber ist auch jede Form der innerenOO
Welt stets wieder Ausdruck eines AllerinnerOO
sten, das niemals dir vorhanden wäre, würdest OO
du es nicht als Form in dir erkennen...
.Suche hier in der Aussenwelt in jeglicher OO
Form das ihr Innere zu erfassen, dessen AusOO
druck sie ist!
.So wirst du am besten dich vorbereiten, einst OO
auch in der Welt des Geistes, in jeglicher OO
Form die dir allda begegnen mag, das AllerOO
innerste, dem sie Ausdruck ist, aus ihr OO
leuchten zu sehen! ‒ ‒ ‒
.Auch alles, was der Mensch an LebensformOO
geschaffen hat in dieser Aussenwelt, damit er OO
leichter in Gemeinsamkeit mit seinesgleichen OO
dieses Erdenlebens Bürde trage, kann dir zu OO
hoher Lehre dienen...
.Auch hier entspricht dem «Aussen» stets ein OO
«Innen», selbst wenn das «Innen» längst OO
nicht mehr gefühlt wird. ‒
.Suche nach diesem «Innen», und wenn du OO
es gefunden hast, dann wird dir manche schöne OO
Lebensform, die dir nur als der Ausdruck OO
einer Lüge galt, gewiss zu einem anderenOO
Werte sich erheben! ‒ ‒ ‒
12 Geist und Form
.Auch manches was dir heute töricht noch er‐ OO
scheint in Sitte und Gepflogenheit der Men‐ OO
schen, wird sich dann als Form dir zeigen der OO
ein weiser Inhalt innewohnt!
.Es wird nicht nötig sein, hierzu erst Studien OO
zu betreiben, die dich in ferne Zeiten oder OO
gar zu fernen Völkern führen!
.Du kannst, wo du auch stehen magst, im OO
Alltag beginnen und in deiner nächstenOO
Umgebung!
.Hier ist dein sicherster Boden, und TorOO
heit nur verachtet ihn um sich in alten Zeiten OO
und bei fernen Völkern einzuträumen und OO
dort heimischer zu fühlen! ‒ ‒
.So fand ich Suchende, die hin zum GeisteOO
strebten, und, ihrer Torheit kaum bewusst, OO
durch die ‒ Gewandung ihrer Zeit und ihres OO
Landes sich behindert glaubten...
.Sie fassten es nicht, dass da ein Mensch zum OO
Geiste finden könne, der in festlicher Gesell‐ OO
schaft sich den Formen der Gesellschaft fügt, OO
ja der nur dann Behagen fühlt, wenn seine OO
Kleidung dieser Formen Vorschrift bis ins OO
Kleinste angepasst erscheint...
.Entsetzen packte sie, wenn einer der in hoher OO
13 Geist und Form
Bergnatur bei steiler Wanderung vom Geist zu OO
reden wusste, des Abends dann im Rasthaus an‐ OO
gelangt noch Sorge trug, dass er beim abend‐ OO
lichen Mahle unter festlich Frohgestimmten OO
auch in einem Kleide sei, das nach der allgemei‐ OO
nen Sitte dort gefordert war. ‒ ‒
.So sah man denn in wildverwegenen Gewän‐ OO
dern sie sich selbst gefallen, und sie gefielen OO
sich nicht wenig, im Bewusstsein, anderen zu OO
zeigen, dass sie der Form ‒ nach ihres Eigen‐ OO
dünkels Meinung ‒ längst «entwachsen» OO
seien. ‒
.Andere kleideten sich in biblische Gewänder OO
und liefen am hellichten Tage in solcher Mum‐ OO
merei einher, ‒ ein jeder ein «Christus», oder OO
zum mindesten einer der Apostel, ‒ und keiner OO
schien zu ahnen, wie wohl jene, deren MaskeOO
sie für sich erkoren hatten, sie verlachen wür‐ OO
den, lebten sie heutigen Tages inmittenOO
der westlichen Welt. ‒
.Und dennoch waren es auch mitunter sehr ehrOO
liche Suchende, die wirklich zum GeisteOO
strebten, trotz all ihrem törichten Tun! ‒
.So geht der Mensch in die Irre, der sich der OO
Form « entwachsen» wähnt!
14 Geist und Form
.Vermeintlich «frei» von jeder Form, schafft OO
er sich Formen einer wunderlichen Art, die sich OO
der Form des allgemeinen Ganzen, wie sie OO
in jedem Lande in der Zeiten Lauf erwachsen OO
ist, nicht einen, und dünkt sich selbst ein OO
weitaus «Besserer» zu sein, als jene, die nichtOO
seinem eitlen Beispiel folgen. ‒ ‒
.Was hier geschildert wurde, ist vielleicht die OO
sonderbarste Art des törichten Versuches, OO
sich aus der Form der Zeit und seines LandesOO
selbst zu lösen...
.Weit zahlreicher sind jene Sonderlichkei‐ OO
ten, die im Verborgenen blühen. ‒
.Allen gemeinsam aber ist der Wahn, dass OO
sich der Suchende, der sich dem Geiste nahen OO
will, mit allem Rechte über alle Form «er‐ OO
haben» fühlen dürfe, besonders aber über jede OO
Form, die sich in allgemeiner Sitte und Ge‐ OO
pflogenheit des menschlichen Zusammenlebens OO
offenbart.
.Zuweilen aber wird solche FormverachOO
tung zum Verbrechen an der menschliOO
chen Gemeinschaft.
.So: wenn sie die Ehe als abgelebter Zeiten OO
behindernde Bindung um ihrer Irrtumsmöglich‐ OO
15 Geist und Form
keiten willen verachtet; ‒ so, wenn sie alles zu OO
entwurzeln sucht, was sich die Menschheit selbst OO
als Schutzwehr pflanzte, um nicht dem Sturm OO
misslenkter Triebe und der ungehemmten Lei‐ OO
denschaften zu erliegen. ‒ ‒ ‒
.Weislich hatte man einst die Gefahr erkannt, OO
die aller Formverachtung innewohnt! ‒
.Gar hurtig lässt sich jetzt fällen, was JahrOO
hunderte brauchte und Jahrtausende, um OO
so zu verwachsen, dass es wahrlich Schutz ge‐ OO
währen konnte! ‒ ‒
.Lange aber wird die Zeit der steten StürmeOO
währen, auch wenn man schliesslich neu den OO
Wald zu pflanzen sucht, der ihnen vordem OO
wehrte...
.So rächt sich jede Missachtung der Form! OO
Man sieht nur das Äussere und vergisst, dass OO
es eines Inneren Offenbarung ist! ‒ ‒
*          *
*
16 Geist und Form
WOHNSTATT UND WERK
.Des Menschen Wohnstatt ist gleichsam sein OO
äusserstes Kleid in dieser Aussenwelt, und OO
wie seines Körpers Gewandung ihn offen‐ OO
baren kann, so auch die Wohnstatt, die er OO
sich schuf. ‒
.Ist es in deine Macht gegeben, dir dein eige‐ OO
nes Haus zu bauen, auch wenn ein Anderer, OO
der in der Kunst des Bauens wohlerfahren OO
ist, für dich die Form gestaltet, so wird dein OO
Haus wohl schon von aussen zeigen wer du OO
bist...
.Aber auch wenn du in Räumen wohnst, auf OO
deren Gestaltung dir aller Einfluss fehlte, wird OO
doch die Art wie du die fremden Räume dir zuOO
eigen machst, dem Kundigen gar viel von dir OO
zu sagen haben...
.Du wirst ihn nicht täuschen, auch wenn du OO
die ersten Künstler deines Landes aufgerufen OO
hast, dir herrliches Wohngerät zu schaffen und OO
17 Geist und Form
ihre Kunst in deiner Räume Ausgestaltung zu OO
bekunden...
.Es wird alsbald zu sehen sein, ob nur die OO
Künstler hier sich offenbaren, denen Auftrag OO
wurde, schöne Räume zu gestalten, oder ob sie OO
deines eigenen Wesens Spur zur Richtschnur OO
nehmen konnten und ihm, als Berufene, AusOO
druck schufen. ‒
.Vielleicht ist deine Wohnstatt aber vorgeOO
formt von Früheren die in den gleichen Räu‐ OO
men oder mit dem gleichen Hausgerät einst OO
lebten? ‒
.Vielleicht erzählt dir jedes Stück des Haus‐ OO
rats von den Menschen die einst vor dir waren OO
und deren Blut du in dir fühlst? ‒
.Vielleicht sind so die Formen aller Zeiten nun OO
in deinen Räumen eng vereinigt und manches OO
schöne Erbstück wurde einst aus fernen Zonen OO
heimgebracht? ‒
.Auch dann wird deine Wohnstatt immer OO
deiner Artung Zeugnis sein, denn was sie auch OO
enthalten mag an alten Dingen und wie sehr die OO
Patina der Stimmung alter Zeiten noch auf OO
ihren Formen fühlbar wird: ‒ stets wird die Art, OO
wie du das Alte nun zu deines Lebens äusserer OO
18 Geist und Form
Umkleidung machst, den Dingen neue Wertung OO
geben, die von dir allein nur herzuleiten OO
ist. ‒ ‒
.Doch glaube nicht, dass schöne Dinge dich OO
umgeben müssen und mannigfache Kostbarkeit! OO
.Auch wenn du in Armut lebst und kaum das OO
Allernötigste dein eigen nennst, wird dennoch OO
deine Wohnstatt von der Harmonie noch zeu‐ OO
gen die in dir zu finden ist, wie sie desgleichen OO
auch die innere Verwirrung und die wilde OO
Unrast widerspiegeln wird, wenn du noch OO
nicht zur Harmonie gefunden hast...
.Was immer du besitzen magst, stets wird dein OO
innerer Besitz sich in dem äusseren offenOO
baren!
.Dein Heim, und sei es noch so eng und arm, OO
trägt stets die Prägung deiner Seele, zeigt OO
stets die Form in der du selbst die Aussenwelt OO
dir zu gestalten weisst! ‒ ‒
.Es wäre arger Irrtum, wenn du glauben soll‐ OO
test, für einen der zum Geiste strebt, sei es ein OO
eitles Tun, darauf zu achten, dass alles was ihn OO
hier in dieser Aussenwelt umgeben mag, auch OO
seiner Liebe teilhaft werde!
.Auch hier ist durch die Ehrfurcht vor dem OO
19 Geist und Form
Geiste schon geboten, dass deine Heimstatt rein OO
und schön trotz aller Armut sei; und ward dir OO
Wohlstand zugeteilt, dass du nichts um dich OO
duldest, das nicht eines Menschen würdig wäre, OO
der dem Geiste selbst zum Tempel werden OO
will. ‒ ‒ ‒
.Du wirst gar sehr darauf zu achten haben, OO
dass du der Dinge auch bewusst bist, die in OO
deinen Räumen dich umgeben!
.Nichts ist hier jemals bedeutungslos, und OO
auch das Geringste darf deiner Aufmerksamkeit OO
nicht entgehen! ‒
.Die Form die dich umgibt wirkt auf dichOO
selbst zurück, ‒ auch dann, wenn du sie kaum OO
bewusst gewahrst. ‒ ‒
.Nie kannst du Sorgfalt genug an deine OO
Heimstatt wenden!
.Die Arbeit deines Berufes mag es dir unOO
möglich machen, gleiche Sorgfalt auch dem OO
Raum der Arbeit zu widmen.
.Dort wird vielleicht dir jede Möglichkeit ent‐ OO
zogen sein, den Raum nach deiner Art zu OO
formen, und manche harte Arbeit ist an einen OO
Ort gebunden, der kaum noch «Raum» zu OO
nennen ist. ‒
20 Geist und Form
.Vielleicht auch ist die Tätigkeit, der du ob‐ OO
liegst, an sich durch Räume nicht umhegt.
.In deiner Heimstatt aber bist du frei und OO
kannst nach deiner Art sie formen!
.Hier darf dein Auge nichts erblicken, das dir OO
die Harmonie der Seele stören könnte. ‒
.Die Heimstatt soll dir Zuflucht sein und OO
dich durch alles was sie bergen mag, zur FreudeOO
stimmen: ‒ zu warmer, reiner seelischer HeiterOO
keit!
.Auch wenn dich Düsteres vordem umgab OO
und böse Dinge schwer noch auf dir lasten mö‐ OO
gen, sollst du bei dem Betreten deiner Wohn‐ OO
statt alles von dir schütteln, was dich nieOO
derdrücken will! ‒
.Hier sollst du wieder zu dir selber kommen OO
und zu deiner höchsten Höhe! ‒ ‒ ‒
.Hast du die Sorgfalt aufgewendet, die von‐ OO
nöten ist, damit dein Heim in allen Stücken OO
deiner würdig sei, dann wird der ärmste Haus‐ OO
rat so zu deiner Seele sprechen, dass sie alsbald OO
sich wiederfinden wird, auch wenn sie in dem OO
wilden Lärm des Alltags draussen sich gar weit OO
verloren hatte. ‒ ‒
.Was immer dich in deiner Wohnstatt dann OO
21 Geist und Form
umgeben mag, wird dich erinnern an dein OO
bestes Fühlen, wird zu dir sprechen als OO
deine Welt, und wird dir Ruhe und heiteren OO
Frieden geben! ‒
*
.Ein jedes Stück, das deine Heimstatt auf‐ OO
erbaut, ist des Menschen Werk.
.Achte darauf, dass auch jedes Stück die edle OO
Prägung der Menschenwürde trage! ‒
.Der du des ewigen Geistes Stimme in dir OO
selbst vernehmen willst: ‒ wie dürftest du in OO
deiner Heimstatt Dinge um dich dulden, die OO
scheinen wollen, was sie nicht sind, ‒ die das OO
Gesetz der Form gleichsam verhöhnen! ‒ ‒
.Die Gegenwart ist leider angefüllt mit Dingen, OO
die man am besten ins Meer versenken würde, OO
dort wo es am tiefsten ist! ‒
.Fühllos wird jede echte Form, die Aus‐ OO
druck eines inneren Empfindens ist, von ge‐ OO
schäftigen Händen nachgeahmt; aber das OO
Leben der Form entweicht bei solchem Tun OO
und was übrig bleibt ist Leiche...
.Man hat vergessen oder nie geahnt, dass jede OO
Form ein lebendiges Zeichen einer SpracheOO
ist und etwas zu sagen hat. ‒ ‒
22 Geist und Form
.So häuft man «Leichenteile» zu «Leichen‐ OO
teilen» ohne sich dessen auch nur bewusst zu OO
sein. ‒
.Die Völker des Ostens wissen es anders, OO
soweit sie noch nicht durch die Menschen des OO
Westens verdorben sind. ‒
.Es sei mir erlaubt, hier eine Begebenheit zu OO
erwähnen um des Beispiels willen.
.Ein grosses Handelshaus Europas sandte OO
Ware nach dem Orient, die dort auf reichlichen OO
Absatz stets rechnen konnte.
.Um die Verpackung schöner zu gestalten, OO
liess man eines Tages neue Entwürfe einer far‐ OO
benfrohen Ornamentik in den Formen östliOO
cher Kunst verfertigen und glaubte dadurch OO
gewiss der Ware noch grössere Abnehmerkreise OO
zu sichern.
.Aber der Kaufherr musste erleben, dass seine OO
ganze Sendung wiederkam. ‒
.Die Händler des Ostens, die sie vordem stets OO
begehrten, hatten es abgelehnt, sie in der OO
neuen Packung anzunehmen.
.Und dies war die Begründung ihrer Weige‐ OO
rung:
.Sie sagten, dass sie ihres Lebens nicht mehr OO
23 Geist und Form
sicher seien, wollten sie diese neue Packung OO
auch nur in ihren Läden dulden, denn alle For‐ OO
men die auf ihr zu sehen seien, bedeuteten für OO
den frommen Hindu ‒ ‒ gröbliche GottesOO
lästerungen...
.Würde der Mensch des Westens noch in glei‐ OO
cher Weise Formen zu empfinden fähig sein, OO
dann wäre wohl vieles in seiner Umwelt, das er OO
aus seinem Empfinden heraus mit gleichemOO
Abscheu von sich weisen müsste. ‒ ‒
.So aber weiss er die Sprache der Form nicht OO
mehr zu deuten, und leidlicher Geschmack der OO
Anordnung und Farbengebung tut seiner For‐ OO
derung Genüge.
.Doch glaube man nicht, dass ich hier nur von OO
Dingen rede, die als Schmuck und Zierde be‐ OO
trachtet werden!...
.Der einfachste Tisch oder Stuhl kann das OO
Leben der Form in sich tragen, so wie auch das OO
prunkvollste Möbel gleicher Art nur totesOO
Gerüste sein kann, «verziert» mit «Leichen‐ OO
teilen»...
.Das Gleiche gilt von allem Gefäss und GeOO
rät, die auch das einfachste Leben verlangt. ‒ ‒ OO
.Darum sorge dafür, dass dich nur Dinge um‐ OO
24 Geist und Form
geben, die du vor dem Geiste, den du in dir OO
finden willst, so du ihn einst findest, auch OO
verantworten kannst!
.Du trägst wahrhaftig dafür VerantworOO
tung, dass nichts in deinem Hause sei an OO
Hausrat oder Zier, das mit der Würde eines OO
Menschen, der zum «Tempel des Geistes» OO
werden will, sich nicht vereinen liesse! ‒ ‒ ‒
.Es ist dazu nicht nötig, dass du Bescheid OO
weisst über Kunst und künstlerische Dinge.
.Gar vieles kann dem Künstler wertvoll sein, OO
und vieles findest du als alter Zeiten Werk in OO
den Museen, das dennoch nicht der MenschenOO
würde Prägung trägt, auch wenn es kündet von OO
eines Menschen grossem Können. ‒ ‒
.Was dir als Massstab dienen soll, ist andererOO
Art!
.Du, der sich dem Geiste einen will, der HarOO
monie und Klarheit, Licht und WahrheitOO
in sich selber ist, wirst nichts um dich dulden OO
dürfen, das in seinen Formen DisharmonieOO
verrät, das Unklarheit erzeugt und dich in OO
einen Schlaf des dumpfen Dunkels lullt!
.Was dich umgibt, muss Formen zeigen die du OO
selbst als wahr und rein empfindest!
25 Geist und Form
.Verbanne aus deinem Bereiche alles, was UnOO
wahrheit offenbart in seiner Form, oder was OO
dadurch unwahr wird, weil es mit deinem eige‐ OO
nen Empfinden nicht zu vereinen ist! ‒
.Vergiss niemals, dass alles was dich umgibt, OO
auf dich zurückwirkt und dich selberOO
formt! ‒ ‒
.Du nimmst gewiss nicht jeden Menschen OO
wahllos auf in dein Heim...
.So lasse auch alles Werk aus deiner Wohn‐ OO
statt draussen, von dem du nicht willst, dass es OO
von Einfluss auf deiner Seele FormungOO
sei! ‒ ‒ ‒
*          *
*
26 Geist und Form
FORM DER FREUDE
.Auch deine Freude muss edle FormungOO
finden, soll sie deiner würdig sein. ‒
.Du liebst es vielleicht, dich in deiner Freude OO
«gehen zu lassen» und magst nicht gerne OO
dich dazu verstehen, auch in der Freude auf OO
Form zu achten? ‒
.Das Beste deiner Freude scheint dir dahin zu OO
sein, wenn du dich ihr nicht schrankenlosOO
überlassen darfst...
.Noch kannst du dir keine so recht beglücken‐ OO
de Erdenfreude zur Vorstellung bringen, sobald OO
dir gesagt wird, dass du auch deine Freude OO
formen sollst in edelster Form. ‒
.Hier aber bist du in einem Irrtum befangen, OO
den gar viele mit dir teilen! ‒ ‒
.Glaube nicht, mir sei er wohl immer fremdOO
geblieben!
.Siehe mein Freund, auch ich habe ehemals OO
manchen Irrtums lockende Strasse durchschrit‐ OO
27 Geist und Form
ten, die hier auf diesem Planeten Menschen‐ OO
geister ver-führt...
.Wie wäre ich sonst wohl dazu bereitet worden, OO
denen, die mein Wort erreicht, zu helfen?! ‒
.Wenn ich dir nun rate, auch deine ausgelas‐ OO
senste Freude noch zu formen, so weiss ich, OO
was das besagen will, und weiss zugleich, dass OO
ich nur deine Freude mehre, so du mir folgen OO
magst. ‒ ‒
.Niemals betrügt sich der Mensch so sehr, als OO
wenn er da vermeint, die rechte Freude müsse OO
hemmungslos sich wie ein Wildbach ergiessen OO
können! ‒
.Der Wildbach gibt mir hier ein wohlgeeigne‐ OO
tes Bild, und wenn ich in diesem Bilde bleiben OO
darf, dann sei daran erinnert, dass auch der OO
Wildbach nur gefahrlos wird, wenn man ihn OO
einzudämmen, wenn man seine Strasse zu OO
formen weiss. ‒
.Wehe aber den Fluren, ‒ wehe der jungen OO
Saat, wenn er in seiner Frühlingsvollkraft über‐ OO
schäumt und seines naturgebundenen Laufes OO
Steinbett verlässt!! ‒
.So auch wird deine Freude dir zur Gefahr, OO
28 Geist und Form
solange sie nicht deine Formung trägt, und OO
‒ glaube mir ‒ auch ich habe vordem solche OO
Gefahr gar oft erfahren, so dass ich wahrlich OO
vor ihr warnen darf!...
.Wie der Lotse die Klippen sehr wohl kennenOO
muss, bevor er das Schiff gefahrlos durch die OO
Brandung in den Hafen leiten kann, so ward OO
auch mir gar wohl bekannt durch die Erfahrung OO
eines Menschenlebens, was es zu vermeidenOO
gilt, soll eines Menschen geistiges Ziel ihm end‐ OO
lich erreichbar werden, trotz aller hohen See OO
der Leidenschaft und allem Sturm der Triebe... OO
.So gerne du auch in deiner Freude dich «verOO
gessen» möchtest, ‒ «dich» vergessen, den du OO
selber aufgerichtet hast in deiner Vorstellung, OO
und dem du den Namen gegeben hast, als seiOO
er wirklich du selbst, ‒ sei wachsam und achte OO
der Gefahr, der du nur begegnen kannst, OO
wenn du auch deine Freude zu formenOO
weisst! ‒ ‒ ‒
.Du wirst zwar bedauern, dass du nicht völlig OO
dich deiner Freude überlassen kannst, ‒ aber OO
bedenke wohl, dass alles, dem du dich völlig OO
überlässt, dich nur zu seinem SklavenOO
macht! ‒
29 Geist und Form
.Hier aber sollst du zum Herrn deiner Freude OO
werden und sie soll deiner Formkraft völlig OO
unterordnet sein!
.Ich rede hier nicht von den stillen dauernden OO
Freuden die dein wohlgeformtes Leben dir er‐ OO
spriessen lässt wie allgemach in einem wohl‐ OO
gepflegten Garten Blumen spriessen durch des OO
ganzen Jahres Lauf. ‒
.Kaum wird es dir entgangen sein bisher, dass OO
ich vielmehr von deiner Freude rede, soweit sie OO
zu besonderem Anlass ihr besonderes RechtOO
erheischt. ‒ ‒
.Gar vielfältig kann solcher Anlass sein und OO
gar vielfach kann er dir begegnen...
.Bist du dir bereits bewusst geworden, dass OO
dein ganzes Leben durch dich FormungOO
finden soll, so wird es dir leicht sein, auch deine OO
Freude zu formen, sobald du nicht dem OO
Wahne lebst, dich in der Freude endlich verOO
gessen zu dürfen. ‒
.Es sind wahrhaftig nicht die Schlechtesten, OO
die da zuweilen glauben, dass die Freude ihnen OO
nur gegeben sei, um sich «vergessen» zu kön‐ OO
nen!
30 Geist und Form
.Wer aber ist es, der so vergessen wird?!?
.Du selbst bist es wahrlich nicht, auch OO
wenn du im fröhlichen Maskenspiel die dir OO
fremdeste Maske wähltest!
.Stets wirst du selber es sein, der sich als das OO
«Ich» dieser Maske fühlt. ‒ ‒
.Was du vergessen willst, wäre wert, dass du OO
es auch in deinem Alltagsleben vergässest! ‒ ‒ OO
.Du selbst hast es dir zum Tyrannen ge‐ OO
schaffen, und deiner Schöpfung Werk wird dir OO
so lästig, dass du es gerne wieder vergessenOO
möchtest, wozu denn deine Freude dich aufOO
zufordern scheint! ‒ ‒ ‒
*
.Du hast in dieser Erdenwelt dein ErdenOO
kleid gefunden.
.Schon als du ein Kind noch warst, hat man OO
dir dieses und jenes davon zu sagen gewusst, OO
was du selber seiest...
.Dich selber glaubtest du genau bestimmt OO
durch Lob und Tadel, ‒ durch der Erwach‐ OO
senen Wertung deiner kindlichen Daseins‐ OO
äusserung...
.Herangewachsen «wusstest» du, dass du das OO
Kind einer sehr genau bestimmten FamilieOO
31 Geist und Form
seiest, und all dein Tun ward mitbestimmt OO
durch solches «Wissen». ‒ ‒
.Dann aber machtest du dich «frei» von aller OO
Familienbande, «wusstest» dich als Kind deines OO
Volkes, und aller Wert, den du dir selber OO
gabst, entstammte deiner Tüchtigkeit, oder OO
deinem mangelhaften Erfolge in irgend einem OO
menschlichen «Beruf»...
.Ob du dazu berufen warst, ihn auszuüben, OO
wusstest du am Ende selber kaum. ‒
.Du bist in ihn «hineingewachsen» und deine OO
«Aufgabe» siehst du nun darin, ihn so zu «er‐ OO
füllen», dass alle die dir «vor-gesetzt» sind, OO
oder ein «Urteil» haben, dich nicht «verOO
urteilen» und dich keinem «nach-setzen.» ‒ ‒ OO
.Was du so in anderer Augen warst, ‒ als was OO
du Anderen erscheinen mochtest, ‒ das war OO
dir und ist dir vielleicht noch heute genaue Be‐ OO
stimmung dessen, was du bist! ‒
.Der Anderen «Wertschätzung» bestimmt OO
dir deinen eigenen Wert. ‒
.Der Anderen «Bewunderung» lässt dich dir OO
selbst als wundersam erscheinen. ‒
.Der Anderen «An-erkennung» lehrte dich OO
allein dich selbst vermeintlich erkennen. ‒
32 Geist und Form
.Der Anderen «Ver-achtung» schien dir so OO
begründet, dass du selbst dich nur in aller OO
Heimlichkeit noch achten konntest, und vor OO
dir selber fürchtest, du seiest nur ein Sklave OO
deiner Eitelkeit, wenn dennoch sich in dir OO
etwas «erhob», das gegen die «Ver-achtung» OO
Anderer sich wild «empörte», weil es aus der OO
Niedrigkeit, die du dir selber gabst, empor ge‐ OO
langen wollte! ‒ ‒ ‒
.So hast du alles, als was du dich selber OO
fühlst, von Anderen empfangen, und keines‐ OO
wegs weisst du aus dir selber, wer du bist! OO
.Es ist wahrlich kein Wunder, wenn du «verOO
gessen» möchtest, was nur in den Augen AnOO
derer für dich selber gilt!
.Es ist wahrlich kein Wunder, wenn du zu OO
vergessen strebst, was Andere ‒ aus dir OO
machten! ‒
.Dich selbst aber willst du gewiss nichtOO
vergessen!
.Du gibst nur einer Vorstellung, die AndereOO
dir eingegeben haben, das Recht, für dich OO
selber zu gelten. ‒ ‒ ‒
.Siehe, darum rate ich dir: vergiss dich selOO
ber nicht in deiner Freude!
33 Geist und Form
.Der, den du vergessen möchtest, da er dich OO
peinigt, als deine eigene Schöpfung nach AnOO
derer Mass, ‒ den darfst du gewiss verges‐ OO
sen, und du tust gut daran, wenn du ihn alsOO
bald vergessen wirst! ‒ ‒ ‒
.Aber dich selbst sollst du gar hoch erOO
hoben fühlen in deiner Freude!
.Was immer dir Freude bringt, soll dir ein OO
Anlass sein, deine formende Kraft zu er‐ OO
proben!
.Du wirst deine Freude verhundertfältigenOO
können, wenn du es verstehst, sie zu formenOO
nach deiner Artung Massgerechtigkeit! ‒ ‒ OO
.Du selbst musst das Mass für die ForOO
mung deiner Freude sein, ‒ nicht jenes GeOO
spenst, das Andere für dich selber halOO
ten! ‒ ‒ ‒
.Der Anderen Form der Freude sollst du OO
achten, so immer sie irgendwie Achtung noch OO
verdient, allein sie darf nicht «Vor-Bild» deiOO
ner Form der Freude werden, es sei denn, dass OO
sie völlig deiner Artung wäre! ‒ ‒
.Forme, mein Freund, deine Freude nach OO
deiner eigenen Form, und sei meiner Worte OO
eingedenk, dass dann nur deine Freude niemals OO
34 Geist und Form
dich gereuen wird, wenn du sie in Form zu OO
binden weisst! ‒ ‒ ‒
.Du selbst musst Mass deiner Freude geben, OO
wenn sie dich nicht täuschen soll! ‒ ‒
.Du selbst bist deiner Freude Folge aller‐ OO
sicherste Gewähr, so du nur alle deine Freude OO
formen willst nach deiner, dir von EwigkeitOO
bestimmten Form! ‒ ‒ ‒
*          *
*
35 Geist und Form
DES LEIDES FORM
.Auf deinem Leidenslager liegst du in arger OO
körperlicher Not, und allzuschwer erscheint es OO
dir, in solchem Leide noch danach zu streben, OO
auch dein Leid zu formen...
.Angstvoll spähst du vielmehr nach äusserer OO
Hilfe aus, und jedes Tränklein dem du dein OO
Vertrauen schenkst, erscheint dir weitaus wich‐ OO
tiger als solches Tun...
.In guten Tagen meintest du vielleicht, du OO
seiest längst schon «über alles Irdische er‐ OO
haben». ‒
.Nun musst du sehen, wie gar sehr du noch OO
der Erde verhaftet bist. ‒ ‒
.Aber du willst es nicht fassen, dass deine OO
geistige Kraft dich aus der Verhaftung lösenOO
könnte, auch wenn sie vielleicht nicht völligOO
dich befreit. ‒
.Gewiss, dein armer Leib ist so geplagt, dass OO
er seiner Sinne kaum noch mächtig ist...
36 Geist und Form
.Du kennst nur noch das eine Flehen: ‒ dass OO
deinem Leide ein Ende werde...
.Wie Hohn erscheint es dir da, von einer ForOO
mung auch des Leides zu reden. ‒
.Ach siehe: ich weiss dein Leid wahrhaftig zu OO
empfinden, denn selten nur war ich völlig vom OO
Leide verschont. ‒ ‒
.So darf ich wahrlich auch vom Leide reden OO
und von des Leides Überwindung durch die OO
Form in der man es zu ertragen weiss...
.Ich selbst weiss nur zu gut, wie sehr des Kör‐ OO
pers Leid auf einem Menschen lasten kann und OO
wie es dennoch durch Formung zu bändigenOO
ist. ‒
.Es übersteigt fast alle Vorstellung, was durch OO
geistige Formung bewirkt werden kann, und OO
wie durch geistige Einstellung das KörperOO
liche, wie quälend es auch sei, stets noch zu OO
bezwingen ist. ‒ ‒ ‒
.Was du kaum noch ertragen zu können OO
glaubst, solange du zeterst mit dir selbst und OO
haderst mit deinem Schicksal, das wirst du als‐ OO
bald überwinden, so du es willig erträgst, OO
als sei es mit der dir gemässesten Form deines OO
Lebens ganz selbstverständlich verOO
37 Geist und Form
knüpft, ‒ als könne es gar nicht andersOO
sein. ‒ ‒
.Wohl dir, wenn du körperliches Leid so entOO
werten lernst, dass du es nicht mehr achtenOO
musst!
.Solange du noch deinem Leide dich überOO
gibst wie ein Sklave seinem grausamen Herrn, OO
von dem er zitternd der Peitsche Hieb erwartet, OO
hast du deinem Leide noch nicht die FormungOO
gegeben, die deiner würdig ist! ‒
.Nur mit «Ver-Achtung» sollst du deinem OO
Leide begegnen, und nur als sein VerächterOO
wirst du seiner Herr!! ‒
*
.In gleicher Weise musst du nach HerrschaftOO
streben, auch bei allem anderen Leide, das dir OO
begegnen mag!
.Auch seelisches Leid will dich erniedrigtOO
sehen und über dich herrschen! ‒
.Auch davon weiss ich genugsam zu sagen und OO
rede auch hier gewiss nicht als einer, der von OO
ihm fremden Dingen spricht! ‒ ‒
.Ich fand aber viele die ihr seelisches Leid so OO
sehr liebten, dass sie es kaum von sich lassen OO
wollten, als es sie von selbst verliess...
38 Geist und Form
.Dieses ist wahrlich nicht die rechte Art, dem OO
Leide zu begegnen, das die Seele niederdrükOO
ken will!
.Auch dein seelisches Leid sollst du beherrOO
schen lernen und in eine Form zu zwingen OO
wissen, die deiner würdig ist! ‒ ‒
.Solange du noch «grübelst» in dir selbst, um OO
etwa deines Leides letzten Sinn zu «ergründen», OO
gräbst du nur deiner Kraft des WiderstanOO
des eine Grube!...
.Der «Sinn» deines Leides ist nicht zu ergra‐ OO
ben, denn wahrlich: ‒ nicht eher hat dein Leid OO
einen «Sinn», als bis du selbst ihm einen gibst, OO
und nur in diesem Sinne kann es «sinnvoll» OO
für dich werden! ‒ ‒
.Dein Leid mag bitter zu verkosten sein, OO
doch sollst du selbst dich nicht durch dein OO
Leid verbittern lassen! ‒
.Dein Leid mag dir «gross» erscheinen über OO
alles Mass, doch sollst du selbst deine Grösse OO
nicht von deinem Leide erborgen! ‒ ‒
.Du sollst deinem Leide keinen Altar errichten OO
in dir selbst, und sollst es nicht in erhobenen OO
Händen vor dir einhertragen wie ein Heiligtum! OO
.So wie du körperliches Leid ver-achtenOO
39 Geist und Form
lernen musst, so wirst du das Leid deiner Seele OO
verarbeiten lernen müssen: ‒ verarbeiten zu OO
einer Form die dir dienen muss, dich selberOO
zu formen! ‒ ‒ ‒
.Auch deinem Leide darfst du dich selbstOO
nicht überlassen!
.Du musst dich selber über dein Leid erOO
heben und ihm gebieten lernen!
.Du selbst bist das Bleibende, ‒ dein Leid OO
aber ist vergänglich, und es ist Lüge, wenn OO
es dich betören will, an seine Dauer zu glau‐ OO
ben! ‒ ‒
.Lerne dem Leide Schranken setzen, die es OO
formen müssen nach deinem Willen! ‒ ‒
.Des Unheils Wirkung wird dein Leid nur zei‐ OO
gen, wenn du es nicht zu bändigen weisst! ‒ ‒ OO
.Nur als Überwinder deines Leides aber OO
kannst du in den Geist gelangen!
.Dich selbst musst du wahrlich höherOO
werten als dein Leid, denn in dir selber will OO
sich des Geistes Funkenstrahlenlicht dir OO
offenbaren! ‒ ‒ ‒
*          *
*
40 Geist und Form
DIE KUNST DES LEBENS
.Willst du den Weg durchschreiten, den ich OO
in so mancher Rede dir in anderen Büchern OO
schon zu beschreiben wusste, als einer, der ihn OO
kennt, ‒ den Weg, der zum Lichte in dir selber OO
führt, dann wirst du manchem Wahn entOO
sagen müssen! ‒ ‒
.Vor allem aber dem Wahne, dass dein Erden‐ OO
leben nun einmal «Bestimmung» sei und so OO
durchlebt werden müsse, wie es gerade kommen OO
mag! ‒ ‒
.Wer so sein Erdenleben durchlebt, ist einem OO
Baumeister gleich, der ohne jeden Plan und OO
Grundriss Erde ausheben lassen würde um dann OO
zu bauen, wie immer es werden möge, bis ihn OO
der letzte Stein am Weiterbauen hinderte. ‒
.Wohl möglich, dass ihm sein wilder Bau ge‐ OO
länge und ein abstruses Gebilde so zustande OO
käme.
.Weit eher aber dürfte die Voraussicht Recht OO
41 Geist und Form
behalten, dass eines Tages über seinem Kopf OO
zusammenstürzen müsse, was er in planlos OO
törichtem Tun aufeinandertürmte. ‒ ‒
.Sei du nicht einem solchen Toren gleich!
.Was du dein Erdenleben nennst, ist rohesOO
Material, das allerdings, so wie du es auf OO
Erden fandest, dir gegeben ist und an dem du OO
fast nichts oder wenig nur ändern kannst.
.In deine Hand jedoch ist es allein gegeben, OO
was du in geistiger Form aus ihm erbauenOO
wirst, und keine Macht der Erde wird dich hin‐ OO
dern können so zu bauen, wie es der «GrundOO
riss», den deine Seele sieht, von dir verlangt. ‒ OO
.Du wirst mir entgegnen wollen, dass doch OO
vieles nicht in deine Hand gegeben sei: ‒ dass OO
dich in vielen Dingen Andere behindern könn‐ OO
ten, ‒ ja, dass die Aussenwelt dir deinen ganzen OO
Bau in Stücke schlagen könne.
.Ach, lieber Freund, solange du noch solcheOO
Rede führst, hast du noch nicht erkannt, wo‐ OO
von ich zu dir spreche!...
.Dein äusseres Bauen ist wahrhaftig nichtOO
durch dich allein bestimmt, und deine schön‐ OO
sten Aussenmauern kann man stürzen ehedenn OO
42 Geist und Form
du die Kuppel wölben konntest über deinen OO
stolzen Bau! ‒ ‒ ‒
.Dein geistiges Bauen aber kannst nur duOO
selber stören oder durch Andere stören lassen, OO
denen du solche Störung erlaubst! ‒ ‒ ‒
.Es ist die Rede hier von dem Kunstwerk, OO
zu dem dein geistiges Leben werden soll!
.Dein Erdendasein schafft dir täglich neues OO
Material aus dem du dein geistiges LebenOO
kunstvoll auferbauen kannst!
.Nie wird es dir an «Steinen» und «Bauholz» OO
fehlen!
.An dir aber wird es sein, das rohe Material in OO
solcher Weise zu bearbeiten, dass es sich dem OO
erhabenen Grundriss anpasst, den deine Seele OO
in sich selber findet, in ihrem innersten OO
Schrein! ‒
.An dir wird es sein, den rechten «Mörtel» zu OO
bereiten, der Baustein an Baustein bindet!
.An dir wird es sein, die «Balken» so zu fügen, OO
dass sie tragen können!
.Du wirst nichts von dem verachten dürfen, OO
was dir dein Erdendasein alltäglich zuführen OO
mag!
43 Geist und Form
.Es ist alles zu deinem geistigen Bau auf OO
irgend eine Weise vonnöten und wird guteOO
Dienste tun, so es nur erst durch dich die bauOO
gerechte Formung fand! ‒ ‒ ‒
.Jedoch kann nichts deinem geistigen Bau OO
sich einen, das nicht zuvor bearbeitet ist und OO
in geistiger Weise vorgestaltet! ‒
.Was immer der Alltag dir bringen mag: ‒ OO
stets frage dich selbst, wie es alsbald zu formenOO
ist um deinem geistigen Tempelbau zu OO
dienen!
.Alsdann aber gehe sogleich ans Werk und OO
raste nicht eher, als bis das Rohe seine rechte OO
Form erhielt! ‒
.Je mehr du in solchem weisen Werk dich üben OO
wirst, desto leichter wird es dir werden!
.Was dir noch heute kaum möglich erscheint, OO
wird dir gar bald schon mit geringer Mühe ge‐ OO
lingen!
.Nur musst du Ausdauer zeigen bei solchem OO
Werk!
.Du darfst nicht etwa heute begeistert be‐ OO
ginnen und dann nach wenigen Tagen schon das OO
Meiste liegen lassen! ‒
.Was du nicht verarbeitet hast, wird dir OO
44 Geist und Form
dann im Wege liegen, und so wirst du selbstOO
dich sehr behindern, auch wenn du zu späte‐ OO
rer Zeit aufs neue beginnen willst! ‒ ‒
.Noch heute, da du meine Worte vernimmst, OO
suche in deiner Seele innerem Schrein den Bau‐ OO
plan hervor!
.Er ist dort wohlverwahrt und du wirst ihn OO
finden, wenn du mit aller Ruhe sicherer Ge‐ OO
wissheit suchst!
.Kein hastiges Stöbern wird ihn zutage för‐ OO
dern!
.Hast du ihn aber gefunden, dann gehe als‐ OO
bald ans Werk und bleibe deinem Werke treu!
.Du wirst den Bauplan erst beim BauenOO
selbst verstehen lernen, und so es dann nötig OO
wird, wirst du auch die Einzelpläne finden, OO
die dir heute noch nichts nützen könnten!
.Allmählich wird deine formende Kraft erOO
starken und du wirst zum Künstler werden OO
an deinem Werk!
.Dir kann keine «Schulung» ersetzen, was OO
dich das Werk allein zu lehren weiss! ‒ ‒ ‒
.Noch bist du nicht entfaltet und weisst selbst OO
noch nicht, was in dir sich verbirgt!
45 Geist und Form
.Du hast zu dir selbst noch kein VertrauenOO
und möchtest Plan und Arbeitslehre lieber von OO
Anderen empfangen!
.Doch, dein Vertrauen wird dir werden, OO
wenn du erst sehen wirst, was du in dir trägst! ‒ OO
.An deiner eigenen Arbeit nur nach dem in OO
dir verborgenen Plan wird es mählich wachsen, OO
und dann wirst du erkennen, dass dir geholfenOO
wurde weil du dir selbst vertrautest, auch OO
wenn du nur die Hilfe und noch nicht die OO
Helfer gewahrst! ‒ ‒ ‒
.Nur solche geistige Hilfe kann dir von OO
Nutzen sein! ‒
.Alles was man dir von aussen her sagt, OO
kann dich nur aus deinem Schlafe zur Arbeit OO
wecken, ‒ kann dir Anstoss werden, mit OO
deinem besten Tun zu beginnen! ‒ ‒
.Die Hilfe aber, die du dann bei deinem OO
Werke brauchst, darf dir nur auf geistigeOO
Weise in deinem Innern werden, so sie dir OO
wirklich Beistand leisten soll! ‒ ‒ ‒
.Auch wenn du in der Aussenwelt aller Kunst OO
sehr ferne stehst, ist doch in deinem InnerstenOO
ein Künstlertum in dir beschlossen, das nur an OO
deinem Werke geistig sich entfalten kann!
46 Geist und Form
.Hier in deinem Innersten, wird man dich OO
zu hoher Kunst zu leiten wissen: ‒ zur Kunst, OO
dein geistiges Leben zu gestalten nach des OO
ewigen Geistes innewohnendem Gesetz! ‒ ‒ ‒
.Von dir wird nur erwartet und verlangt, OO
dass du alles Rohe, was dir dein Erdendasein OO
zuführt Tag für Tag, aus eigener formender OO
Kraft bearbeiten lernen willst um es zur OO
Form zu gestalten! ‒
.Darum sprach ich dir in diesem Buche in so OO
mannigfacher Weise von der Notwendigkeit der OO
Form! ‒
.Behauptest du mit Recht, dass dich im äusse‐ OO
ren Leben vieles hindern kann, dein Leben so zu OO
formen wie du es gestaltet sehen möchtest, so OO
muss ich dir dennoch sagen, dass du auch dort OO
weit mächtiger bist als du vermeinst! ‒ ‒
.Nur wirst du vom Inneren her das Äussere OO
bestimmen müssen! ‒
.Suche alles, was dir dein äusseres Leben OO
bringen mag, in geistiger Weise zu verwerten, OO
indem du es geistig zu formen strebst, und du OO
wirst manches Hindernis, das dir im äusserenOO
Leben unüberwindlich erschien, dir gar bald OO
47 Geist und Form
durch dein weises geistiges Tun aus dem OO
Wege räumen! ‒ ‒ ‒
.Dein ganzes äusseres Leben wird sich nach OO
dem Bilde deines geistigen Lebens wandeln, OO
so du nur alles Äussere dir geistig zu formenOO
weisst! ‒ ‒
.Gar manche nannte man «Künstler des Le‐ OO
bens» weil sie geschickt und sicher sich den OO
Fährnissen entwandten, die das äussere Leben OO
unerfreulich machen können.
.Die Kunst des Lebens aber von der ich dir OO
rede, wird dir auch dann nicht verloren sein, OO
wenn du das äussere Leben auf dieser Erde einst OO
verlassen musst!
.Sie wird dich ihre edlen Früchte hier in die‐ OO
sem Erdendasein schon geniessen lassen und OO
sie alsdann in reichster Fülle einst in jener OO
neuen Daseinsart dir bieten, die auf dieses OO
Erdenleben folgt! ‒ ‒ ‒
.Wahrlich, es ist wert aller Mühen, diese OO
Kunst zu erlernen, und keinem versagt sie sich, OO
der ernsten Willens ist, sich selbst und allesOO
was er erleben mag, in geistiger Art zu OO
formen! ‒ ‒
48 Geist und Form
.Ihm wird auch alle irdische Form erst ihren OO
tiefsten Wert offenbaren! ‒
.In aller Form wird er den Geist am Werke OO
finden! ‒ ‒ ‒
*          *
*
49 Geist und Form
ENDE